10 Dinge, die Du über Firmennachfolge wissen solltest
Als Nachfolgerin meines Vaters habe ich Werkzeug Weber zu meinem eigenen Betrieb gemacht. Was ich dabei gelernt habe.
Für den Zeitraum 2022 bis 2026 werden laut Institut für Mittelstandsforschung (IfM) bundesweit etwa 190.000 Unternehmen eine Unternehmensnachfolge erwarten. Allerdings besagen andere Umfragen auch, dass nur wenige Gen Z-ler sich eine Nachfolge für sich vorstellen oder wünschen.
Ich war gerade 18 Jahre alt, als mein Vater mich fragte, ob ich die Nachfolge seines Unternehmens Werkzeug Weber übernehmen wolle. Mein erster Gedanke war: „Er traut mir das zu.“ Und genau darum habe ich sofort Ja gesagt. Mit 22 Jahren habe ich die Geschäfte übernommen. Sprechen wir also über Nachfolge in all ihren Facetten:
1. Nachfolge ist ein Erbe
Oft habe ich von außen gehört: „Boah, jetzt geht es dir richtig gut!“ Aber, das Erbe eines Unternehmens anzutreten, macht nicht reich. Unternehmer – ganz besonders in Familienunternehmen – stecken Profite lieber direkt zurück ins Unternehmen, als in die eigene Tasche. Was ich geerbt habe, ist ein Reichtum an Erfahrungen und ein großer Gestaltungsspielraum.
2. Nachfolge bedeutet: Der Wagen rollt schon
Der Vorteil des Gründens ist, du kannst auf einem leeren Blatt anfangen. Der Nachteil des Gründens ist: Du musst auf einem leeren Blatt anfangen. Als Nachfolgerin habe ich ein beschriebenes Blatt vorgefunden. Ich hatte Mitarbeitende, bestehende Kunden und eine laufende Maschinerie, auf die ich mich verlassen konnte. Es lag an mir, sie am Laufen zu halten und gegebenenfalls zu optimieren. Aber sie lief. Das ist viel wert.
3. Nachfolge ist immer eine Chance
Als Nachfolgerin bin ich zwar in die Fußstapfen meines Vaters getreten, aber ich habe auch immer meine eigenen Spuren hinterlassen. Ich habe vieles bei Werkzeug Weber verändert: Wir sind nachhaltiger geworden, wir engagieren uns in der Gesellschaft und ich habe in Digitalisierung und Innovation investiert, damit das Unternehmen und der Wirtschaftsstandort Deutschland weiterwachsen.
Als Nachfolger·in kannst du ein Unternehmen in neue Richtungen bewegen. Es heißt „unternehmen“, nicht „unterlassen“. Du kannst Altlasten loswerden, Prozesse umstellen und ganz Neues einführen.
4. Nachfolge ist immer eine Bürde
Die Leitung einer Firma zu übernehmen bedeutet auch, die Verantwortung für die Mitarbeitenden zu übernehmen. Ich bin mit einer Belegschaft von neun Mitarbeiter·innen gestartet – heute beschäftige ich 26 Menschen. Natürlich ist das auch eine Bürde. Während der Pandemie musste ich diesen Menschen, die auf mich zählen, erklären, dass wir in Kurzarbeit gehen. Ich unterhalte mich oft mit anderen Unternehmer·innen und viele von uns haben ein ordentliches Päckchen zu tragen.
Ich habe den Betrieb vor knapp 20 Jahren übernommen – auch damals waren die Zeiten nicht leicht, aber die Wirtschaftslage war kein Vergleich zu jetzt. Wir haben eine Pandemie gehabt, sitzen mitten in der Wirtschaftskrise, haben einen Fachkräftemangel und eine wackelige Baubranche. Jeder und jedem, der gerade jetzt eine Firmennachfolge antritt, verdient ein: „Wow, bravo!“ Wir brauchen generell mehr Wertschätzung, denn Unternehmer·innen bezahlen Löhne und Löhne bezahlen Rechnungen.
Zu Beginn ist eine Nachfolge immer eine GratwanderungVanessa Weber
5. Nachfolge bedeutet, Führung zu übernehmen
Zu Beginn ist eine Nachfolge immer eine Gratwanderung. Zunächst bin ich meinem Vater gefolgt: Ich musste das Unternehmen und seine Prozesse wertschätzen und respektieren lernen. Dann begann ich zu führen: In neue Richtungen, zu neuen Ertragsquellen, neuen Prozessen und einer veränderten Kultur. Ich habe mich selbst, meinen Führungsstil und meine Werte nach und nach eingebracht.
Heute muss man als Nachfolger·in Lust und Interesse an moderner Führung haben. Die Zeiten des patriarchalen Firmenchefs sind vorbei. Mitarbeiterführung ist vielmehr Coaching als Leitung.
6. Nachfolge kennt viele Wege
Der Druck mag groß sein, seitens der Familie, aber ich finde, es ist wichtig, seinen eigenen Weg zu gehen. Wie kann der aussehen? Gibt es Kompromisse?
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7. Nachfolge benötigt eine sanfte Übergabe und dann eine harte Abgrenzung
Idealerweise gibt es in der Firmennachfolge eine Zeit, in der die alte und neue Führung – in meinem Fall Vater und Tochter – gemeinsam auftreten. Hier ist eines elementar: Dass zu jedem Zeitpunkt klar ist, wer die Entscheidungen trifft und kommuniziert.
Als Nachfolgerin eines Familienunternehmens weiß ich, dass mein Vater immer mit mir über das Geschäft reden wollen wird. Das kann und will ich nicht unterbinden. Ich höre seinen Rat gerne, aber es gibt eine Grenze, die jede·r Nachfolger·in selbst finden und auch ziehen muss, wenn der Staffelstab einmal übergeben wurde.
8. Nachfolger müssen eigene Erfahrungen sammeln
Es gibt viele Wege, eine Nachfolge anzutreten. In vielen Familienbetrieben bedeutet das entweder, klein anzufangen und das Unternehmen von der Pike auf kennenlernen, oder aber erst nach Arbeitserfahrungen in anderen Firmen ins familieneigene Unternehmen einzusteigen. Beides hat seine Vorteile und Nachteile.
Die gesundheitliche Situation meines Vaters hat das in unserem Fall nicht zugelassen. Ich bin schnell direkt ins Geschäft eingestiegen. Um über meinen eigenen Tellerrand zu schauen, habe ich mich bei den Wirtschaftsjunioren engagiert, Fortbildungen gemacht und mir regelmäßig andere Betriebe angesehen. Ich höre Podcasts, ist bin in mehreren Unternehmer·innen-Netzwerken und tausche mich ständig mit anderen Nachfolgerinnen aus, um nicht betriebsblind zu werden.
9. Nachfolge verlangt Inspiration
Ich musste das Rad nicht neu erfinden – niemand muss das. Es gibt immer andere, die an ähnlichen Lösungen schrauben. Digitalisierung, Sharing Edonomy, Investitionen und New Work – ich tausche mich aus, hole mit Rat und lasse mich von anderen Unternehmen und ihren kreativen Köpfen inspirieren. Und wenn es mal richtig brennt, glaube ich, dass Coaches und Berater·innen wertvolle Abschnittsbegleitung sind.
10. Nach der Nachfolge ist vor der Nachfolge
Dieser Job ist keiner, den man aus reinem Pflichtbewusstsein macht. Darum kommt auch jede·r Nachfolger·in an den Punkt, an dem er oder sie über die eigene Nachfolge nachdenken muss.
Als Unternehmer·in wird die wichtigste Frage immer sein: „Was ist das Beste für mein Unternehmen?“Vanessa Weber
Als Unternehmer·in wird die wichtigste Frage immer sein: „Was ist das Beste für mein Unternehmen?“ Und darum frage auch ich mich immer wieder: „Bin ich noch die richtige für mein Unternehmen?“
Eine Studie des Nachfolgemonitors 2021 besagt, dass übergebende Unternehmer·innen immer jünger werden. "Inzwischen sind über 60 Prozent der erfolgreich Übergebenden unter 65 Jahren alt, während der Anteil der Übergebenden ab 65 kontinuierlich zurückgeht.“ Gleichzeitig wächst allerdings die Gruppe derer, die erst extrem spät, im Rentenalter übergeben. Die Vermutung: Die übergebenden Unternehmer·innen reagieren so auf die abnehmende Anzahl übernahmebereiter Nachfolger.
Ich bin dankbar für meinen Weg und glaube, dass ich ohne Werkzeug Weber nicht die geworden wäre, die ich heute bin.
mein Buchtipp an der Stelle:
NextGens fragen - NextGens antworten
Studien zufolge werden in Deutschland zwischen 2018 und 2022 ungefähr 150.000 Familienunternehmen mit circa zweieinhalb Millionen Beschäftigten übergeben. Eine solche Übergabe bedeutet aber nicht nur den Transfer von Eigentum von der älteren auf die nächste Generation, sondern auch die Übertragung von Verantwortung.
Bevor sich die NextGen aus Unternehmerfamilien für oder gegen die Übernahme der Verantwortung für das familieneigene Unternehmen entscheiden, haben sie viele Fragen im Kopf. In diesem Buch wurden deshalb die 15 wichtigsten FAQs von jungen Mitgliedern aus Unternehmerfamilien gestellt und von NextGen beantwortet, die für sich bereits eine Lösung für die eine oder andere Herausforderung gefunden haben.
Herausgekommen ist ein Kaleidoskop der Antworten, das die NextGen von Unternehmerfamilien dazu anregen soll, einen persönlichen Lösungsweg zu entwickeln. Denn es gibt nicht den einen objektiv richtigen Weg, sondern viele gute Möglichkeiten. Die gefundene Lösung muss 'nur' auf die eigene Situation passen. Und das tut sie am besten, wenn man ehrlich zu sich selbst ist. Genau dies ist auch die Klammer von all den hier abgedruckten unterschiedlichen Antworten: Sie sind nicht objektiv richtig oder falsch, sondern sie sind ehrlich und authentisch und daher subjektiv richtig.
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Wie sieht es mit Dir aus? Bist Du bereit für die Nachfolge?