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Michael Jarmoluk/Pixabay

Alltagskultur und Nachhaltigkeit: Warum der Staubsauger unverzichtbar ist

Helden des Alltags

Der Staubsauger gehört heute zum Alltag, der für sich wiederholende, gewohnheitsmäßige Abläufe steht, die unser Leben bestimmen. Einige Menschen finden den Alltag langweilig, andere schöpfen aus einem geregelten Verlauf die nötigen Ruhe und Routine. Wer sich von Alltagsdingen nicht inspiriert fühlt, hat sie nicht verstanden. Denn alltägliche Objekte haben interessante Hintergrundgeschichten. Wer sie kennt und sie auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sieht, kann viel entdecken. Büroklammern, Streichhölzer, Knöpfe, Anspitzer– die wahren Helden des Alltags sind erst auf den zweiten Blick erkennbar. Die „Helden des Alltags“ als ganz typische Alltagsdinge gedacht, sind auch in allen Themenbereichen des Landesmuseums Württemberg zu entdecken. „Glauben, Wohnen, Arbeiten, Kochen, Lieben... Alltag prägt uns Menschen und wir prägen ihn. Früher wie heute. Alltag ist geronnen in Einstellungen, in Tätigkeiten und in den Dingen.“, heißt es auf der Website.

Zu den unverzichtbaren Dingen des Alltags gehört auch der Bodenstaubsauger, der in jedem Haushalt zum Einsatz kommt.

Mit bis zu sieben verschiedenen Aufsätzen liefern Anbieter heute, darunter sind Universal-, Fugen- und große Polsterdüsen, Mini- und Maxi-Turbobürsten, Haftbodendüsen mit abnehmbaren Borstenkranz und Gummilippen. Das wichtigste Zubehör ist jedoch bei jedem Staubsauer die Universaldüse, denn sie kommt beim Putzen am häufigsten zum Einsatz. Sie funktioniert auf glattem Boden genauso wie am Teppich. Kaum jemand in unserer Konsumgesellschaft mag Diskussionen über Schmutz und Putzen. Sie aufzuwirbeln führt meistens dazu, dass sich die Abneigung noch mehr verstärkt. Während das Kochen ein Lieblingsthema in den Medien ist, wirkt das Thema eher „staubig“ und unglamourös.

Beim Staubsauger ist es allerdings anders: Er ist nicht nur mit Geschichte(n) und Innovationen verbunden, sondern ist für einige Menschen sogar ein Prestigeobjekt, das viel über seine Besitzer aussagt, etwa wenn sie Unsummen für neue Motorenschutzfilter, Radiatorbürsten, Saugwischer oder Softdüsen ausgeben. Seit 1930 verkauft das Familienunternehmen Vorwerk den Handstaubsauger mit dem charakteristischen Kobold im Logo und andere Raumpflegeprodukte über den Direktvertrieb. Kaum ein anderes deutsches Unternehmen steht so für den typisch deutschen Haushalt. Das Unternehmen versucht, mit der Zeit mitzuhalten und änderte inzwischen auch die Farbe seiner Staubsauger, die nun glänzend weiß sind. Spätestens seit Loriots Sketch mit Frau Hoppenstedt hat der Staubsauger seinen humoristischen Höhepunkt erreicht: "Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur blasen kann."

Innovationen und neue Technologien

„Wenn Dinge nicht richtig funktionieren, frustriert das jeden von uns. Als Designingenieure tun wir etwas dagegen. Bei uns dreht sich alles um das Erfinden und Verbessern von Produkten“, sagt James Dyson, der die seit 1901 praktisch unveränderte Staubsauergeschichte revolutionierte und mit beutellosen Staubsaugern zum Milliardär wurde. Immer setzte der eigensinnige Kopf auf andere Technologien als seine Rivalen - vor allem auf maximale Beschleunigung von Luft. Er war sicher nicht der einzige Mensch, der an einem Sägewerk vorbeigegangen ist und den Lufttrichter bemerkte. Doch niemand hat die richtige Frage gestellt, um eine Antwort zu finden. Dyson war der Einzige, der Staubsauger entwarf, die sich dieser Technologie bedienen würden. Er brauchte fünf Jahre und über 5000 Prototypen. Auch wenn Dyson die Idee nicht erfand, so hat er sie sich bei einem anderen Industriezweig abgeschaut und sie auf Staubsauger angewandt. Das Technologieunternehmen Dyson wurde 1993 von ihm gegründet. Sein Erfolgscredo lautete immer: selber machen und von niemandem abhängig sein.

Die Geschichte hinter einer weiteren Innovation wurde vor einiger Zeit zuerst in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ vorgestellt: Tobias Gerbracht, ein Industrial-Design-Student aus Wuppertal, erfand mit „Catch-up“ einen Filteraufsatz für Staubsauger. Die Idee für das erste eigene Startup steuerte die Oma des 20-Jährigen bei: Sie fuhr versehentlich mit dem Staubsauger über einen ihrer Ohrringe, der im Saugbeutel verschwand. Gerbracht holte den Ohrring zwar aus dem staubigen Behälter, dachte sich jedoch, dass es besser gehen müsste. So entwickelte er einen Filteraufsatz für handelsübliche Staubsauger: Angebracht am Rundrohr werden größere Teile wie Schmuckstücke, Münzen oder Hörgeräte aus dem Sauger in einem transparenten Extrabehälter aufgefangen.

Die für ihn größte Herausforderung war die Rohr-Adaptivität, „weil der Catch-up mit möglichst vielen Bodenstaubsaugern kompatibel sein sollte.“ Finanziert aus Preisgeldern von mehreren tausend Euro entstand ein für fast alle Staubsauger-Modelle passender Prototyp des Catch-up-Filters. Der zunehmenden Automatisierung durch Roboter sieht der Gründer gelassen entgegen, weil es noch einige Zeit dauern kann, bis jeder Haushalt über einen eigenen Saugroboter verfügt. „Deshalb löse ich ein aktuelles Problem, das die Menschen jetzt ärgert…“

Wie nachhaltig sind Staubsauger?

Gerbracht schätzt, dass in Deutschland 36 Millionen Staubsauger benutzt werden. Seit 2014 müssen neue Staubsauger in der EU das Energielabel tragen. Geachtet werden sollte auch auf die Reinigungsleistung auf glatten Böden, zur Faseraufnahme, zur Haltbarkeit und Handhabung. An der Spitze stehen die Beutelsauger von Siemens, Bosch und Miele. Beim Bodenstaubsauger-Test der Stiftung Warentest (StiWa) stand der Complete C3 Red EcoLine von Miele ganz vorn (Note 1,1 bei den Umwelteigenschaften, des leisen Geräuschs auf Teppich sowie des sehr guten Staubrückhaltevermögens). Dies war der erste Test nach der zweiten Stufe der EU-Ökodesign-Richtlinie, mit der die Saugleistung von Staubsaugern auf maximal 900 Watt begrenzt wird. (Quelle: UmweltDialog)

Am Thema Staubsauger zeigt sich zugleich nachhaltige Technikgeschichte und Entwicklung – und dass wir die Zukunft selbstbestimmt und greifbar gestalten können.

Weiterführende Informationen:

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Von Lebensdingen: Eine verantwortungsvolle Auswahl. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Titus Arnu: Saug mal wieder. In: Süddeutsche Zeitung (6./7.5.2018), S. 10.

David Hieatt: Bestimmung. Warum Marken mit Sinn den Unterschied machen. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2018.

Leo Klimm: Starrsinn lohnt sich. In: Süddeutsche Zeitung (13./14.10.2018), S. 26.

Pia Ratzesberger: Wenn Vorwerk vorfährt. In: Süddeutsche Zeitung (27./28.8.2016), S. 76.

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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