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Andersmachen 12/2020: Unternehmen brauchen einen Customer Touchpoint Manager

Nicht zuletzt durch die Corona-Krise hat sich sowohl das Recherche- als auch das Kaufverhalten der Kunden stark gewandelt. Alle Bereiche im Unternehmen müssen noch enger zusammenarbeiten als jemals zuvor. Ein Customer Touchpoint Manager kann das unterstützen.

„Wir nähern uns einer postdisziplinären Ära, in der die einzelnen Fachgebiete immer weniger relevant werden und ihre Vernetzung untereinander an Bedeutung gewinnt“, sagt Ulrich Weinberg, Direktor der School of Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut. Wie Recht er hat. Eine Customer Journey verläuft nämlich immer quer durch die gesamte Unternehmenslandschaft.

Deshalb brauchen Unternehmen crossfunktionale Vernetzer und Brückenbauer, die zwischen den divergierenden Eigeninteressen der einzelnen Unternehmensbereiche jonglieren. Zudem können solche Koordinatoren junge Digitalkompetenz mit altem Erfahrungswissen sowie Bewährtes mit dem notwendigen Neuen verknüpfen, wenn das den Wünschen der Kunden entspricht.

Aus dem Blickwinkel des Kunden betrachtet

Kundenfreundliche Unternehmen betrachten jeden internen Prozess aus dem Blickwinkel der Kunden, kooperieren mit ihnen und binden sie aktiv in Optimierungen ein. Diejenigen hingegen, die ihren Kunden altertümliche, umständliche und mühsame Verfahrensweisen aufbürden, werden zunehmend vom Markt verschwinden. Auch die, die im Zuge von Kauf- und Serviceprozessen unsere wertvolle Zeit verplempern, weil sie so langsam agieren, fallen durchs Rost. Was kompliziert ist, scheidet genauso aus wie alles, was Probleme macht. Die Geduld der Kunden ist sehr schnell zu Ende, wenn etwas nicht sofort reibungslos klappt.

Das ist ja wohl klar? Die meisten Manager glauben, wenn ich sie frage, sie seien in Sachen Kundenorientierung schon richtig gut. Doch die Kluft zwischen Eigen- und Fremdbild ist riesig. Eine weltweite Studie von Capgemini offenbart: Während 80 % der Führungskräfte denken, dass ihre Marke die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden kennt, bestätigen das gerade einmal 15 % der Konsumenten. Dieses hohe Maß an Selbstüberschätzung finden wir im Management überall. Ein verstellter Blick für das, was Kundenorientierung wirklich bedeutet, ist eher die Norm.

Die meisten Unternehmen agieren selbstbezogen

Tunlichst sollen sich die Kunden in die von den Anbietern vorgedachten Abläufe fügen, umständliche Formalien akzeptieren und im Takt ihrer altersschwachen Software ticken. Heißt: Die Klientel soll ackern, damit man selbst nicht so viel Arbeit hat. Manche Firmen sind richtig gut darin, Vorgehensweisen mühsam zu machen, einem die Zeit zu stehlen und schlechte Gefühle zu verbreiten. Doch tatsächlich kundenorientiert ist nur der, der sämtliche möglichen Ärgernisse vom Kunden zum Anbieter verschiebt, sodass nur noch positive Erlebnisse übrigbleiben. Denn schon ein einziges schlechtes Ereignis kann alle vorherigen guten Erfahrungen zunichtemachen.

Zudem kann jede kundenrelevante Unannehmlichkeit zu einem Einfallstor für Disruptoren werden. „Vom Kunden her denken“ wird also zur Pflicht. Hierzu folgt man nicht länger dem selbstzentrierten alten Unternehmertum, das fragt nämlich so: „Was bieten wir dem Markt und den Kunden wann, wie und wo, damit wir noch erfolgreicher werden?“ Der neue Unternehmer hingegen fragt so: „Was will/braucht/begehrt der Kunde von heute und morgen, und wie können wir helfen, seine Lebensqualität respektive seinen beruflichen und/oder geschäftlichen Erfolg zu erhöhen?“ Also: Customer first! Erst der Kunde, dann die interne Effizienz!

Sales & Marketing: miteinander oder gegeneinander?

Die meisten Probleme, die Kunden bekommen, sind Kommunikations- und Koordinationsprobleme: Informationen fließen nicht, Abstimmungsprozesse finden nicht statt, Missverständnisse entstehen. Zudem kommen zwischenmenschliche Konflikte ins Spiel: Kompetenzgerangel, Animositäten, Egoismen, Eitelkeiten, Antipathien. Alles auf dem Rücken des Kunden. Der wird von A nach B geschickt, muss sein Anliegen immer wieder neu erklären und ist in einem Wust aus Verfahrensvorgaben und Nichtzuständigkeiten gefangen.

Noch schlimmer als ein lustloser ist aus Kundensicht aber ein machtloser Ansprechpartner. So scheitern ambitionierte Verkäufer oft gar nicht am Kunden, sondern an den internen Strukturen. Das bedeutet: Kundenzentrierung braucht Koordination - und Kommunikation. Wer das im Unternehmen besonders gut können sollte? Die Leute aus dem Marketing und Vertrieb. Doch man stelle sich vor: 49 % der Probleme zwischen Sales und Marketing liegen in der Kommunikation, gefolgt von schlechten Prozessen mit 42 %, fand der Demand Gen Report kürzlich heraus. Im „Wir hier“ gegen „Die da“ Modus grenzt man Kollegen aus anderen Bereichen ganz gezielt aus.

Mangel an Zusammenarbeit: alles zulasten des Kunden

Nur Hand in Hand kann man gegen externe Konkurrenten gewinnen. Doch die größte Umsatzverschwendung entsteht aus einem Mangel an bereichsübergreifender Zusammenarbeit. Zum Beispiel? Statt sich die Bälle zuzuspielen, agieren Online und Offline wie befeindete Units, die einander die Kunden „klauen“. Oder es wird darüber gestritten, wem der Kunde „gehört“. Die Grabenkämpfe zwischen Sales und Marketing sind geradezu legendär. Oft geht es dabei um Interessentenadressen. Kommen keine Abschlüsse zustande, dann waren die Leads, die vom Marketing beschafft worden sind, sagt der Vertrieb, einfach Schrott. Aus Marketingsicht hingegen haben es die Verkäufer mal wieder vergeigt.

So bitte nicht! Von nun an braucht es eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit, insbesondere zwischen dem Marketing und dem Vertrieb. Dazu werden Customer Journeys entwickelt, alle kundenrelevanten Touchpoints spezifiziert und Buyer Personas konstruiert. Für diese werden jeweils passende Content-Stücke konzipiert und automatisiert ausgespielt. Hierzu kann der Vertrieb dem Marketing ganz genau sagen, welche Informationen für bestimmte Kundengruppen besonders wertvoll sind. Damit das Leadmanagement reiche Früchte trägt, werden alle notwendigen Maßnahmen am besten in einem gemeinsamen Plan festgelegt und dann umgesetzt.

Der Customer Touchpoint Manager: heutzutage ein Muss

„Wenn ich mit anderen Abteilungen zusammenarbeite, schade ich mir selbst. Mein Bonus bemisst sich schließlich nach dem, was ich in meinem Bereich leiste“, sagt mir kürzlich der Bereichsleiter eines Maschinen- und Anlagenbauers. Solche individuellen Abteilungsinteressen sind dem Kunden völlig egal - und letztlich katastrophal. Kundenzentrierung braucht deshalb einen Vertreter der Kundeninteressen, der alle involvierten Bereiche und Prozessketten miteinander verknüpft. Als Koordinator bringt er die Kundenerlebnisse an den einzelnen Touchpoints, den Interaktionspunkten zwischen Kunde und Unternehmen, zu einem perfekten Zusammenspiel.

Mancherorts spricht man dabei vom Customer Experience Manager, vom Customer Journey Manager oder vom Customer Centricity Manager. Ich nenne dieses Bindeglied, diesen Brückenbauer, diesen Kundenadvokaten im Unternehmen den Customer Touchpoint Manager. Er kümmert sich darum, dass bereichsübergreifend alles störungsfrei klappt. Er nimmt immer die Kundensicht ein, und das wird so akzeptiert, auch wenn es schon mal unbequem ist. Seine Kernaufgabe ist es, mehr Kundentreue, mehr Weiterempfehlungen und mehr Aufpreisbereitschaft zu erreichen. Seine Rolle ist crossfunktional. Sie hat sowohl strategische als auch operative Komponenten.

Sein Ziel ist die Transformation des gesamten Unternehmens hin zu einer vernetzten, kundenzentrierten Organisation. Die nächste Ausbildung zum zertifizierten Customer Touchpoint Manager findet vom 10. - 12. Feb. 2022 in München statt. Hier geht’s zu weiteren Infos.

Über die Autorin: Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Veranstaltungen und Fachkongressen. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Zudem wurde sie mit dem BestBusinessBook Award 2019 ausgezeichnet. www.anneschueller.de

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Anne M. Schüller schreibt über Touchpoint Management, Unternehmensführung, Kundenorientierung

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft.

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