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„As cold as ice“: Kälteanlagen sichern Lebens(mittel)qualität und reduzieren Lebensmittelverluste

Bevor ich 2005 bei METRO anfing, war ich in verschiedenen Positionen in der Energieindustrie tätig und wollte bis dahin immer Leiter einer größeren Rechtsabteilung werden. Doch als ich mit METRO ins Gespräch kam, ging es den damaligen Vorgesetzten um den Leiter eines Energiemanagementbereichs. Dafür hätte ich mich nie beworben, weil ich es mir nicht zugetraut hätte. Von Energie hatte ich allerdings schon Ahnung, und eine Zulassung zum Handel an der Strombörse für den Forward- und Spotmarkt hatte ich auch. Möglicherweise fand ich die richtige Tonlage, als ich mit meinen künftigen Geschäftsführern der Real Estate und Facility Management Geschäftsbereiche sprach. Denn von Beginn an ging es nicht nur um Energiebeschaffung, sondern auch dem Management von Energieverbrauchern – und im Lebensmittelhandel sind das die Kälteanlagen.

Ich war nie der Jurist reiner Lehre, sondern auch durch vorherige Tätigkeiten gern auf Baustellen unterwegs. So war ich bei der TEAG Thüringer Energie AG als Gruppenleiter Recht und Versicherungen nach jedem Unwetter mit auf dem Acker. Hier musste ich mit den Schadensbearbeitern der Versicherungen die zerstörten „Torf“-Maste und Freileitungen besichtigen, bei den Wasserkraftwerken, Gas- und Dampfturbinen und der Lastverteilung nicht nur die Verträge bearbeiten, sondern ich habe auch das Wissen aufgesaugt, was physikalisch passierte. Am Ende war es wohl auch die Schulbildung, die mit ESP, PA, WPA, dann drei Jahre Wehrdienst als Funktruppführer und auch noch ein Jahr in der Produktion vor dem Studium einen kleinen Ingenieur aus einem künftigen Geisteswissenschaftler machte - und umgekehrt. Natürlich haben wir bei METRO Kälteanlageningenieure, aber als verantwortliche Führungskraft ist es erforderlich, mehr als nur Grundkenntnisse auch von der Technik zu haben.

Seit 2005 war ich auch als Teil des Energiemanagements für den Betrieb der Kälteanlagen von METRO – zunächst in Deutschland, später international – verantwortlich, die ca. 50 % des Stromverbrauchs eines Großmarkts verbrauchen, deren Kältemittelleckagen ca. 20 % des Carbon Foot Prints von METRO ausmachen, allerdings stark sinkend, und viele Mio. € p.a. Wartung und Instandsetzung verursachen, und entweder am Anfang oder am Ende der Aufzählung einen ureigentlichen Zweck haben, die Lebensmittel zuverlässig zu kühlen oder tiefzukühlen – und das bei jeder Außentemperatur.

Kälteanlagen hatten einen Nachteil, denn sie wurden und werden z. T. noch mit F Gasen betrieben, den HFKWs, und bis 2014 sogar noch mit HFCKWs, dem OZON-Schichtkiller. Diese HFKW, halogenierte Fluorkohlenwasserstoffe, wiederum haben ein großes Treibhausgaspotential und sind deshalb, soweit das GWP Global Warming Potential >2.500 ist, bislang ab 2030 verboten, und seit 2020 dürfen GWP >2.500 nur in recycelter Form verwendet werden. Neuware dieser Kältemittel ist in der EU nicht mehr erlaubt.

Ist es auch. Jedenfalls hat METRO bereits 2008 in Deutschland, abgesehen von ganz wenigen Anlagen, die danach abgebaut wurde, von HFCKW auf HFKW umgestellt, mit viel Geld wurde der Ozonkiller beseitigt, die Welt schien gerettet. 2014 kam dann die F Gase-Verordnung der EU, wonach ab 2022 in Neubauten nur noch natürliche Kältemittel, ab 2020 nur noch GWP <2500 oder recyceltes Kältemittel mit GWP >2500, und ab 2030 eben nur noch natürliche Kältemittel mit GWP <2.500 im Bestand verwendet werden darf. Dabei hat uns Deutschland weniger Sorgen gemacht, denn bereits 2008 wurde im METRO Großmarkt Hamburg-Altona eine CO² Kälteanlage eingesetzt, GWP 1, in 2011 folgte in München Schwelm sogar eine Absorptionskälteanlage für die Pluskühlung, und die Minuskälte war auch CO². Wir wagten uns über den CO² Äquator, der damals scherzhaft an der Mainlinie lief, oberhalb aufgrund/ der Außentemperaturen ging CO², unterhalb technisch nicht möglich, da müssen F-Gase ran. Aber gleichzeitig wurde 2012 zum ersten Mal eine komplette Klimabilanz von METRO erstellt, Basisjahr 2011, und bis 2020 sollten 20 % der Klimagase Scope 1 und Scope 2 eingespart werden, und abgekürzt war damals schon das Verhältnis unserer Emissionen: 60 % aus Strom, 10 % aus fossiler Wärme, 20 % aus Kältemittelleckagen und die restlichen 10 % Dienstreisen, Dienstfahrzeuge und Papier. Also waren wir auch getrieben von den eigenen Ambitionen – nämlich den Stromverbrauch der Kälteanlagen zu reduzieren sowie die Leckagen zu reduzieren und natürliche Kältemittel in der Kühlung einzusetzen.

Zunächst wurden alle Ventilatoren in den Kältemöbeln umgerüstet auf ECO-Fans, und die Tiefkühlmöbel mit Schiebedeckeln ausgestattet, und zwar weltweit. Natürlich waren die Diskussionen groß, die heute eher befremden, ob dann die Kunden nicht Kaufhemmung hätten, wenn die Waren hinter Glas oder Plastikabdeckung „weggeschlossen“ sind. Noch größer waren die Diskussionen, als es in der Folge darum ging, auch die Normalkühl- Möbel, also Temperaturen über Null für Molkereiprodukte, Wurst, Käse usw. durch Schiebe- oder Flügeltüren zu schließen. Das war ein Ding, die Stromeinsparungen von ca. 20 % des Kältestroms lagen auf der Hand, selbst Kundenbefragungen ergaben eine positive Resonanz, aber es hat in den verschiedenen METRO Ländern einige Jahre gedauert, bis sich dies als Standard durchgesetzt hat, den heute niemand mehr in Frage stellt. Die Kälte bleibt im Kühlmöbel!

Übrigens: Zuerst waren Länder wie METRO Ungarn, Polen oder Kroatien mit geschlossenen Kühlmöbeltüren ausgestattet, obwohl diese Länder relativ niedrigere Strompreise hatten. Man sieht daran: Es sind eben nicht nur ökonomische Zwänge und Opportunitäten, die uns zu solchen Entscheidungen leiten, sondern oft andere Erwägungen – es einfach mal machen: für die Kosten, für das Klima, für die Kunden, für uns. Die Kunden fanden es übrigens schon deshalb toll, weil die Kühlmöbeltüren ein Raster wie bei Regalfächern vorgaben und die Ware sozusagen besser ins Auge stach. Denn das Auge isst mit, auch bei den gekühlten Waren ….

Genau, die Kälteanlage besteht nicht nur aus Kühlmöbeln, die schick aussehen sollen, leicht zu handhaben, wenig Wartung oder gar (technischen) Ärger bereiten sollen, sondern auch aus einem Maschinenraum und vielen Rohrleitungen, in den die F Gase, das Kältemittel, fließt. Nachdem einige Jahre sogenannte Hybrid-Anlagen gebaut wurden, wo die Tiefkälte mit CO² und die Pluskälte mit einem F Gas mit GWP <2.500 betrieben wird, hat METRO bereits 2013 das FEP, das F Gas Exit Programm aufgestellt, der Ausstieg aus der Nutzung jedweder F Gase als Kältemittel oder umgekehrt, es werden nur noch natürliche Kältemittel, wie CO² (GWP 1), Propen (GWP 4) und – wo erlaubt – auch Ammoniak (GWP 0) eingebaut, während etablierte Kältemittel z.B. R404 A ein GWP von 3.922 hat. Ein Kilogramm dieses konventionellen Kältemittels in der Atmosphäre erzeugt Klimawirkungen wie 3.922 kg CO². Technisch war klar, es muss klappen, nur noch natürliche Kältemittel einzusetzen, aber praktisch benötigt man Technik, die Industrie, aber auch Installateure, die solche Technik einbauen und warten können.

Mehr oder weniger Land für Land griffen Projekte, zuerst Piloten, dann der Rollout. In den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und Österreich ging es flott voran, mittlerweile werden schon seit einigen Jahren alle Kälteanlagen bestehender Märkte auf CO² umgerüstet. 2017 erfolgte der erste Großmarkt mit Propen in Japan, 2018 eine CO²-Anlagen in METRO Chongqing in China – wobei METRO 2014 bereits in Weifang die erste Hybridanlage baute. Das freute nicht nur die Ingenieure, sondern auch mich persönlich.

Bei Chongqing war ich immer an Alan Winningtons Jugendroman „Duell in Tschungking“ erinnert. 2021 folgten CO² Kälteanlagen erstmals in Kasachstan, 2022 in Moldova, 2023 unter besonderen Bedingungen des russischen Angriffskrieges die erste CO² Kälteanlage in METRO Ukraine, und gespannt warte ich, dass bis September in Belgrad auch die erste CO² Kälteanlage bei METRO Serbien fertiggestellt ist. Es gibt Technik, die fasziniert, auch wenn eigentlich nur kalte Luft produziert wird, eiskalte Luft.

Aber auch hier gibt es viel technischen Fortschritt, so dass einerseits solche Kälteanlagen mit natürlichen Kältemitteln auch in äußerst warmen Regionen eingesetzt werden können, etwa durch Ejektoranlagen, sozusagen der Turbo, der mit höheren CO² Temperaturen operieren kann und damit deutlich mehr Strom spart. Von daher sind mittlerweile mehr als 50 % der METRO Kälteanlagen komplett auf natürliche Kältemittel umgestellt, aber eben auch erst 50 %. Das F Gas Exit Programm folgt dem Lebenszyklus, wenn eine bestehende Altanlage ausgetauscht werden muss, dann kommt High Tech ran.

Je Quadratmeter Nettobetriebsfläche auf Monatsbasis, derzeit liegen wir mehr als 4 % niedriger als im Vorjahr, und die Leckagerate, also in diesem Fall nicht die absoluten Emissionen, sondern die Kältemittelverluste gemessen an der Normfüllmenge auf Quartalsebene. Derzeit liegen wir bei 6,8 % - das sind echte, und zertifizierte Zahlen, immerhin weltweit gehen mehr als 6 % der Kältemittel durch Verluste in die Atmosphäre. Ob ich damit einen Blumentopf gewinne, weiß ich nicht, aber zumindest einen für Transparenz. Die EIA Environmental Investigation Agency fragt alle zwei Jahre den Fortschritt ab und kennt keine Freunde, wenn es um Leckagen geht, aber METRO hat eine Strategie, setzt diese konsequent um und wir werden Jahr für Jahr besser. 2030 sind technisch noch nicht alle Kälteanlagen umgebaut, aber fast alle. Wir werden noch einige Hybrid- Anlagen in Betrieb haben, also Minuskälte CO², Pluskälte ein GWP <2.500; spätestens 2035 sind auch diese wenigen Restbestände umgebaut. Schon 2028 oder 2029 werden wir die ersten bestehenden CO² Kälteanlagen auf die nächste Generation umbauen. 2019 erhielten wir für das Engagement im FEP den AtmoAward der Atmosphere Europe Conference, auch andere sehen, dass METRO hier liefert.

Dieses Heat Recovery ist mittlerweile auch technischer Standard und ein Baustein, quasi kurz vor der Wärmepumpennutzung, um den Ausstieg aus der fossilen Wärmenutzung, dem METRO Heat Exit Programm, anzugehen. Jede Restwärmenutzung reduziert die Wärmeerzeugung z.B. durch Erdgas und reduziert auch die technische Nutzung der Heizungsanlage – das erhöht die Lebensdauer und verringert Wartungskosten. Bei METRO Polen wird z.B. das Warmwasser in Großwaschanlagen genutzt, mit denen die Transportbehälter und -boxen aus dem Belieferungsgeschäft gereinigt werden, ein Geschirrspüler, nur hundert Mal so groß und das Wasser ist schon angewärmt. In einem großen Unternehmen wie METRO haben wir den Konsens hergestellt, nur noch natürliche Kältemittel einzusetzen, aber die nächste Stufe – gezündet 2020 – war, dass wir neben gleicher Technologie auch die Technik standardisieren.

Wir haben einen Technik-Katalog aufgestellt, aus dem für jedes Projekt, also kleine Märkte, große Märkte, Depots, Kühlräume, Kühlmöbel, jedes Land und jeder Markt seine Technik selbst auswählen kann, und hier kommen dann standardisierte Verfahren zur Anwendung. Das spart Capex, Schnittstellen werden vereinfacht, der technische Beschaffungs- und Errichtungsprozess wird optimiert. Auf dem Papier und Power Point geht das ganz logisch und schnell – in der Praxis gab es unzählige Diskussionen, Hemmungen, Vorbehalte („Geht nicht“) – gab es doch. Aber warum soll eine Kälteanlagentechnik, die in Bulgarien funktioniert, nicht auch in Rumänien oder Portugal arbeiten? Das Ganze wurde im „ICEMAN“ Projekt entwickelt und umgesetzt, und die Erstphase mit dem Industriepartner ist nun auch verlängert. „ICEMAN“ hat mit Kälte zu tun, aber wegen der Wichtigkeit der Kälte im Lebensmittelgroßhandel allgemein und bei METRO insbesondere ist die Nähe zu „TOP Gun“ eher gewollt.

Ein Payback lässt sich technisch ermitteln, aber ist eher peinlich lang, wenn man nur mit den Stromeinsparungen eine neue Kälteanlage amortisieren möchte. Ohne Kälte – kein Geschäftsbetrieb, und die Kältestromeinsparung von >20% gegenüber 15 Jahre alten F Gas Anlagen sind zuverlässig erreichbar. Deshalb ist unser interner Slogan „As cold as ice“ nur positiv gemeint. Foreigner war in den 80ern angesagt!

Es ist das größte Investitionsprogramm nach dem Großmarkt- und Depot- Neubauprogramm von METRO. Jährlich werden aktuell ca. 90 Mio. € in Kälteanlagen investiert – so viel wie noch nie bislang, und das wird so bleiben. Wenn es jetzt noch gelingt, die natürlichen Kältemittel in METRO Türkei und METRO Pakistan einzuführen, wäre das aus unserer Sicht die perfekte METRO-Kälteanlagen-Welt. METRO Türkei … hoffentlich schaffen wir 2024 mit unseren Industrie- und Installationspartnern diesen Schritt. In Pakistan, und das dürfen wir auch nicht vergessen, ist es nicht unbedingt das Fehlen von entsprechend ausgebildeten Installationsunternehmen, sondern der pakistanische Staat möchte, dass viele Komponenten im eigenen Land zur Sicherung der industriellen Basis hergestellt werden. Schon 2013 war ich auf Dienstreise in Lahore und Faisalabad. Vor Ort hatte ich damals wenig Zweifel, heute noch weniger, dass die Technik dem Bedarf folgt. Denn u.a. sind neun von zehn METRO Märkten in Pakistan mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. 2019 konnte ich an der UN Climate Week der Climate Group in New York teilnehmen. Dort waren Kälteanlagen und deren Emissionen natürlich auch auf einer anderen Agenda: Kälteanlagen reduzieren Lebensmittelverluste!

Die klimabedingte Erhöhung der Außentemperaturen erhöht die technischen Anforderungen an die Kälteanlagen. Schon jetzt muss bei einer Lebensdauer von 15 bis 20 Jahre vorgedacht werden, welche Extreme sich dann einstellen können. Denn auch bei 47°C in Spanien, wie in diesem Sommer, wenn auch nur an wenigen Tagen und dort wenige Stunden muss eine Kälteanlage zuverlässig funktionieren und darf weder aussteigen noch plötzlich die Temperaturen der Lebensmittel nicht halten können, so dass Warenverluste oder Qualitätsverluste entstehen. Dann nützt es umgangssprachlich nicht, wenn man zwei Dreimeterleitern hat, aber eine Höhe von sechs Metern erreichen muss. Die Kälteanlagen der nahen Zukunft müssen im Handel und der Industrie noch temperaturrobuster werden – und siehe da, so eine CO² Kälteanlage ist schon von der Technology her temperaturstabiler als die vormaligen konventionellen Anlagen.

Neugier, Technologieoffenheit – aber auch straffe Entscheidung und konsequente Umsetzung. Manchmal ist es nicht einfach: Als Energiemanager gehört es zur DNA, kurzfristige Einsparerfolge zu erzielen, weniger Strom, weniger Leckagen, weniger Emissionen, aber auch langfristig denken bei den Investitionen, bei Technologien, Trends verfolgen oder selbst Trendsetter sein. Natürlich geht es – nicht nur im Handel – um Umsatz, Ertrag, kurzfristige Einflüsse auf das Ergebnis – Covid, leider Krieg und Unruhen, Inflation etc., so dass es dann wichtig ist zu überzeugen, dass Capex in gute Kälteanlagen auch gutes Capex und die Basis für gute Geschäfte in der Zukunft ist.

Dies habe ich in meinem Buch-Beitrag im Herausgeberband „CSR und Digitalisierung“ und im Band „Klimaneutralität in der Industrie“ ausführlich beschrieben: Alle Anlagen werden remote von den Industriepartnern gesteuert und betreut und sind auf das MEMS METRO Energy Management System bezüglich Stromverbrauch aufgeschaltet und werden gemonitored.

Es gibt von uns derzeit Überlegungen, ob es möglich ist, bei Marktpreissignalen übermäßig viel Strom in Anspruch zu nehmen, also ineffizient zu werden, um besonders tief zu kühlen, um später, wenn Strom im Tageslauf teurer wird, dann die Temperatur entsprechend ansteigen zu lassen. Zufällig heute (08.08.2023) gibt es an der EEX negative Preise, denn der Wind pustet die Windräder zu einer Überproduktion vs. Bedarf. Wenn mehr Erneuerbare, vor allem Photovoltaik erzeugt wird, gibt es Druck auf den Strompreis-Spot bei extrem hoher PV-Einspeisung – wer Strom-Spot von jetzt auf gleich beziehen kann, bekommt sogar Geld und muss nichts zahlen. Wenn z. B. am Nachmittag bei nachlassender PV-Einspeisung der Strom wieder ins Geld kommt, schalten die Kälteanlagen ab, entlasten damit Markt und Netze und erhöhen langsam die Temperatur bis zum Normverbrauch. Damit findet auch eine politisch und energetisch gewünschte Lastverlagerung statt. Aber wir benötigen die richtige Technik, das richtige Kühlgut, welches so etwas ohne Qualitätsverluste verkraftet, und natürlich einen Spotzugang und entsprechende Markt-Preissignale. Kälteanlagen dürften die ersten besonders flexiblen und entsprechend profitablen Energiespeicher sein und werden.

Sie benötigen weniger Strom, keinerlei F Gase, es gibt einen hohen Grad an Restwärmenutzung, keine oder kaum Lebensmittelabfälle – jedenfalls keine Abfälle wegen Unterbrechung der Kühlkette, und sind damit auch Hilfe für arme und ärmere Länder/Regionen. Umgekehrt ist natürlich eine Kälteanlage auch Teil unserer Lebensqualität: Als ich Kind war, hielten die Kühlschränke in den Wohnungen Einzug. Der Kühlschrank mit Tiefkühlfach war schon so etwas wie Farbfernseher vs. s/w. Ich kann mich noch erinnern, dass täglich ein S4000-LKW durch die Straße in Halle/Saale fuhr, irgendwo wartete, eine Glocke schellte, und die Leute hingingen, um EIS zu kaufen, kein Speiseeis, sondern gefrorenes Wasser, um im Sommer und sicher auch sonst ihre Lebensmittel zu kühlen. Ich bin mir sicher, dass eine Stange (ich würde sagen 1 m lang) eine Mark kostete, und man konnte auch, was die meisten Leute machten, nur einen Teil einer solche Stange kaufen, die dann abgesägt wurde. Diese Stange kam dann in eine Wanne, Decke drauf, und die zu kühlenden Lebensmittel, auch das Bier für den Vater, wurde um das Eis gepackt.

In dem Wendejahren hatte FORON, ich meine es war sogar noch zu DDR-Zeiten, den ersten FCKW- und FKW-freien Kühlschrank erfunden und verkauft. Das hat dem Unternehmen aber trotzdem nichts genützt, und es wurde restrukturiert. Der Markt meint es manchmal nicht gut mit den neuen Erfindungen. Aber was damals bewundernswert war, dass FORON, vormals DKK Scharfenstein aus dem Erzgebirge, wo die DDR- Kühlschränke herkamen, ihre Erfindung nicht als Patent sicherte, sondern wie es scheint, völlig uneigennützig zur Verfügung stellte, damit andere Hersteller nicht mehr FCKW- und FKW-Kältemittel in der Kleintechnik, sondern natürliche Kältemittel verwenden. Das scheint wie Altruismus.

Wir sehen in den nächsten Jahren einen deutlichen Zuwachs an gekühlten oder gefrosteten Lebensmittels-Sortimenten. Das ist ein Megatrend in Lebensmittelhandel, und diese Mehrenergieverbräuche müssen durch Energiemanagement-Maßnahmen überkompensiert werden. Allerdings ist der Faktor Kunde und Mensch wichtig, also muss wirklich so viel Ware (jedenfalls zu Hause) gekühlt werden, oder ist es besser, natürlich mit Zeitaufwand, Essen frisch zuzubereiten. Der Handel ist bereit! Wir haben natürlich daheim auch ein Tiefkühlfach im Kühlschrank – wenigstens das Speiseeis und als Thüringer immer ein paar Würstchen auf Vorrat liegen darin, aber es gibt keine Tiefkühltruhe.

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Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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