Beförderung? Darum schadet sie der Karriere
Eigentlich sind die Spielregeln im Job ganz klar: Wer Erfolg im Berufsleben haben will, der muss die Karriereleiter hinaufklettern. Und zwar so schnell und so hoch wie es nur geht. Dass der Weg aufs nächste Treppchen aber nicht immer gut für den Erfolg ist, blenden die meisten von uns aus und fallen am Ende umso tiefer.
Nicht jeder von uns ist für die Rolle des Alphatiers gemacht.
Wir geben es nicht gerne zu, aber wir sind scharf auf Titel. Denn auch wenn für viele von uns mittlerweile die Work-Life-Balance höher im Kurs steht, als ein dickerer Lohncheck – immer noch sind es die Positionen in einem Unternehmen, die unsere Rolle in der Gesellschaft definieren. Ein höherer Rang in dem Organigramm steht für mehr Macht, mehr Anerkennung, mehr Ansehen und mehr Zugehörigkeit.
Und dabei ist es auch egal, dass sich die Chefetagen der aktuellen Berufswelt verändert haben und der CEO mit zerrissener Jeans und hipper Limo an deinem Schreibtisch sitzt. Sein Status bleibt sein Status – und den hättest du auch gern. Was wir dabei aber zu oft vergessen: Nicht jeder von uns ist für die Rolle des Alphatiers gemacht. „Immer wieder höre ich von erfahrenen Führungskräften, dass sie eigentlich keine Lust auf Führung haben. Dass es sie nervt, wenn ihre Mitarbeiter ständig Fragen stellen und Aufgabendelegation lästige Arbeit statt Entlastung ist.“, meint Dr. Bernd Slaghuis, XING-Karriere- und Business-Coach.
Bevor du also einer Beförderung zustimmst, nimm dir Zeit, um deine neuen Aufgaben genau unter die Lupe zu nehmen. Verfüge ich über die Führungskompetenzen, die in dieser Position von mir erwartet werden? Habe ich überhaupt Lust darauf, das Team meiner Kollegen zu verlassen und auf den einsamen Thron der Chefetage zu ziehen? Denn fehlt dir der Enthusiasmus dafür, andere zu begeistern und arbeitest du eher allein für dich, dann kann dir die Rolle als schlechter Vorgesetzter ganz schön um die Ohren fliegen, deine positiven Fähigkeiten in den Schatten stellen und deinen beruflichen Erfolg verbauen.
Game-Over nach dem Level-Up.
Die wichtigsten Fragen, die du dir stellen solltest, sind: Wie gut kann ich mit Stress umgehen? Und ist es wirklich mein Lebensziel, mich für meinen Job aufzuopfern? Denn auch wenn eine Beförderung kurzfristig unser Glücksgefühl nach oben schiessen lässt – langfristig bedeutet sie mehr Verantwortung und Stress. In der Regel bist du im Notfall nämlich du derjenige, von dem eine Lösung erwartet wird. Egal ob es Samstagabend ist und deine Mutter Geburtstag hat – du musst es regeln und zwar sofort.
Laut einer Studie der University of Melbourne verfliegt spätestens nach drei Jahren die Karriere-Euphorie. Trotz höherem Lohn und Status sinkt die Jobzufriedenheit wieder auf das Level vor der Beförderung und was übrig bleibt sind anhaltende Nervosität und Unruhezustände. Die Ergebnisse zeigen: Auf Dauer schaden Beförderungen unserer psychischen Verfassung, ohne dass sie dabei positive Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit haben. Zeit also, den Term „beruflichen Erfolg“ neu zu definieren und zu hinterfragen: Was bringt dir ein kurzer Boost in deiner Karriere, wenn nach kurzer Zeit deine Ressourcen verbraucht sind?
Das dieses Umdenken bitter nötig ist, zeigt ein neuer Trend in den USA. Immer mehr Arbeitnehmer ziehen die Notbremse, bevor auf das nächste Level-Up das gesundheitliche Game-Over folgen kann. Mit dem sogenannten „Downshifiting“ steigen sie wieder in der Karriere-Leiter nach unten, meist als letzter Ausweg vor dem Burnout oder ähnlichen stressbedingten Erkrankungen.
Ein „Nein“ zu einer Beförderung ist kein Aus für die Karriere. So funktionierts:
Das Wichtigste: Eine Beförderung abzulehnen ist kein Zeichen von mangelndem Ehrgeiz oder Angst vor Herausforderungen. Im Gegenteil, du wirst dir deine Entscheidung gut überlegt haben und deine Gründe dafür haben. Teile deine Gedanken mit deinen Vorgesetzten und erläutere genau, warum du dich gegen das Angebot entscheidest.
Und auch wenn du dein Privatleben und deine Bedenken nicht mit deinem Chef teilen willst, in diesem Fall wäre es ratsam offen und ehrlich zu sein. Trotzdem gilt natürlich – genau wie damals in deinem Bewerbungsgespräch – verkaufe dich von der besten Seite und sage nichts, was deine Fähigkeiten degradiert. Anstatt also auf fehlende Kompetenzen hinzuweisen (weil du dich der Aufgabe wirklich nicht gewachsen fühlst), verweise auf deine Stärken in der aktuellen Position. Darauf, was du alles erreicht hast und noch erreichen willst und wie sehr dies dein Unternehmen nach vorne bringen wird. Und last but not least: Bedanke dich für die Chance, sei freundlich, aber auch bestimmt.