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Besseres Angebot? Damit musst Du rechnen, wenn Du im neuen Job nicht antrittst

Vertragsstrafe bis Schadensersatz – ein Arbeitsrechtler erklärt alle Ghosting-Konsequenzen und wie Du dabei vorgehen solltest.

Frage der Woche

Ich habe einen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben. Kurz danach kam ein Bekannter mit einem besseren Jobangebot auf mich zu. Hätte es tatsächlich Konsequenzen, wenn ich im neuen Unternehmen einfach nicht erscheine?
Henry, XING Nutzer

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Dr. Matthias Hinz ist Fachanwalt für Arbeitsrecht
Dr. Matthias Hinz ist Fachanwalt für Arbeitsrecht

Lieber Henry,

das ist eine knifflige Situation. Manchmal kommt das Angebot für den Traumberuf genau dann, wenn bereits ein Vertrag unterzeichnet wurde. Das ist sicher nicht ideal, lässt sich aber nicht immer vermeiden. Was kannst Du jetzt tun? Einfach nicht zur Arbeit zu erscheinen, ist keinesfalls die richtige Lösung. Das könnte Dich viel Geld kosten.

Grundsätzlich gilt: Verträge sind einzuhalten! Mit Vertragsabschluss haben Arbeitgebende einen sogenannten Erfüllungsanspruch auf die Erbringung der Arbeitsleistung ab dem vertraglich vereinbarten Zeitpunkt. Sobald Arbeitnehmende – ganz unabhängig vom Karrierelevel – nicht erscheinen, verhalten sie sich vertragsbrüchig. Der Arbeitgebende kann in diesem Fall den Erfüllungsanspruch einklagen.

Allerdings gibt es hierbei eine Besonderheit. Eine Arbeitsleistung ist nämlich – nach überwiegender Auffassung – eine nicht vertretbare Handlung und ist daher grundsätzlich persönlich zu erbringen. Daraus folgt, dass der eingeklagte Erfüllungsanspruch in unserem Beispiel in der Realität nicht vollstreckbar ist.

Denn kurz gesagt: Niemand kann zur Arbeit gezwungen werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass Du es darauf ankommen lassen solltest. Denn das Nichterscheinen hat gegebenenfalls andere Konsequenzen.

Mit welchen Konsequenzen musst Du als Arbeitnehmer·in bei Nichtantritt rechnen?

1. Schadensersatz

Wir haben bereits festgestellt: Arbeitnehmende verhalten sich bei einem Nichtantritt vertragsbrüchig. Sie machen sich somit schadensersatzpflichtig, wenn dem Arbeitgeber hierdurch ein Schaden entstanden ist. Dieser kann alle Mehrkosten geltend machen, die für das Ersetzen der Arbeitskraft angefallen sind.

Hierzu zählen beispielsweise die Mehrkosten für Überstunden anderer Arbeitnehmer·innen, die diese aufgrund des Arbeitskraftausfalls auf sich nehmen mussten, oder die Mehrkosten für die Einstellung einer Ersatzkraft. Es werden jedoch gleichzeitig auch die Kosten abgezogen, die durch den Nichtantritt des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin gespart wurden. Das dürfte in der Regel der vereinbarte Arbeitslohn sein.

2. Vertragsstrafe

In einigen Fällen wird bereits im Arbeitsvertrag eine Vertragsstrafe für den Fall des Nichtantritts vereinbart. Eine solche Vertragsstrafe hat zwei Funktionen: Zum einen soll sie die unterzeichnende Person davor abschrecken, ein Arbeitsverhältnis einzugehen und sich dann doch für einen anderen Arbeitgeber zu entscheiden. Arbeitgebende möchten damit also das Ausfallrisiko einer neuen Arbeitskraft minimieren.

Der zweite Aspekt ist, dass von vornherein ein möglicher Schaden genau beziffert wird und nicht erst im Schadensfall ermittelt werden muss. In der Praxis kommen solche Vertragsstrafen mittlerweile immer häufiger vor, da Arbeitgeber·innen sich zunehmend in der Situation wiederfinden, dass Arbeitskräfte ihre neue Stelle nicht antreten. Kommt es zur Klage auf Zahlung einer Vertragsstrafe, überprüft ein Gericht auch die Wirksamkeit der Vertragsstrafenklausel und fällt gegebenenfalls ein Urteil.

Darfst Du einen neuen Vertrag unterschreiben, obwohl der bestehende nicht fristgerecht gekündigt wurde?

Die Antwort lautet: Ja. Ein Arbeitnehmer kann per se mehrere Arbeitsverhältnisse nebeneinander haben (z. B. mehrere Teilzeittätigkeiten nebeneinander oder eine Vollzeittätigkeit mit Nebenjob).

Führt das Eingehen eines neuen Arbeitsverhältnisses jedoch dazu, dass man die vertragliche Arbeitsleistung gegenüber den „alten“ Arbeitgebenden ganz oder teilweise nicht mehr erbringen kann, verhält man sich vertragsbrüchig und riskiert eine – gegebenenfalls außerordentliche fristlose – Kündigung. Es ist daher immer zu empfehlen, zunächst den neuen Arbeitsvertrag zu unterschreiben und dann das alte Arbeitsverhältnis fristgerecht zu kündigen. Der zeitliche Beginn des neuen Vertrags sollte dabei nicht in der Kündigungsfrist des alten Arbeitsverhältnisses liegen.

Was kannst Du stattdessen tun kannst?

Für den Fall, dass man nach Vertragsunterzeichnung doch eine passendere Stelle angeboten bekommt, sollte man zeitnah handeln. Die beste Option ist, auf die Ansprechpartner zuzugehen und die Situation zu erläutern. Möglicherweise gibt es noch andere Bewerber•innen, die in der engeren Auswahl waren. Dann ist eine einvernehmliche Lösung möglich. Melde Dich also möglichst zeitnah mit der Bitte um einen Aufhebungsvertrag.

Falls Deine Bitte abgelehnt wird, solltest Du prüfen, ob eine Kündigung vor Arbeitsantritt arbeitsvertraglich zulässig ist. Erkläre in diesem Fall Deine Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Dadurch hältst Du den möglichen wirtschaftlichen Schaden des Arbeitgebenden so gering wie möglich.

Schließlich bleibt als dritte Option, mit der Kündigung bis zum vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt Deines Arbeitsbeginns zu warten und die vereinbarte Kündigungsfrist einzuhalten.

Ich hoffe, ich konnte Dir bei der Klärung des Sachverhalts helfen und drücke die Daumen dafür, dass Du den richtigen Weg zu Deinem Traumjob findest.

Herzliche Grüße

Matthias Hinz

Bonus Tipp: Der XING Stellenmarkt hilft Dir, Angebote vorab genau zu prüfen und zu vergleichen. Du kannst beispielsweise die Unternehmenskultur checken, mögliches Gehalt vorab sehen oder Kontakte fragen, wie der Laden wirklich tickt.

Warst Du auch schonmal in einer solchen Situation? Wie hast Du gehandelt?

Wer schreibt hier?

Dr. Matthias Hinz ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Ebner Stolz und berät nationale und internationale Unternehmen sowie Vorstände, Geschäftsführer, Leitende Angestellte und Arbeitnehmer in allen Bereichen des Arbeits- und Wirtschaftsrechts. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehören die Gestaltung von Arbeits- und Dienstverträgen sowie die Beratung im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeits- und Dienstverhältnissen einschließlich der Prozessführung.

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