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Buchcover (Ausschnitt) von Lutz Backes: Fränkische Köpfe (2022) - Lutz Backes

Bewahrung der Un-Art: Warum Karikaturen nicht der belanglosen Comedy und dem Comic weichen dürfen

Roosevelt sagte, dass es die erste und vornehmste Aufgabe staatlicher Politik sei, den Bürgern die Angst zu nehmen. Genauso wichtig ist aber, auch die persönlichen Werte auszubilden und zu stärken, damit der eigene Blick auch nach innen gerichtet und das eigene Gewissen immer wieder geprüft werden kann. Wo diese Vertiefung fehlt, fehlt es auch an inneren Ressourcen und Reserven, die wir brauchen, weil sie uns emotional nicht abstumpfen lassen. Wir können es uns nicht erlauben, im Denken nachzulassen. Und wir dürfen, das, was um uns geschieht, nicht schweigend erdulden. Buchstäblich gebraucht wird das Handgreifliche im Positiven: Zeichnen, Schreiben und Dinge formen. Bücher und kulturell Hervorgebrachtes wie Karikaturen sind zwar keine Überlebensmittel, aber sie können uns helfen, im Ungewissen besser zu navigieren und genauer hinzusehen.

Der Karikaturist, Schnellzeichner, Schriftsteller und Bildhauer Lutz Backes, Jahrgang 1938, lebt seit 1957 in Nürnberg. Der Sohn eines Bankdirektors und akademischen Kunstmalers arbeitete mit 17 Jahren neben der Schule als Reporter bei der RNZ und den Weinheimer Nachrichten, wo ihn Redakteur Heinz Winkler für die Karikatur entdeckte. Backes machte eine Lehre als Industriekaufmann und studierte nebenbei am Nürnberger Konservatorium Sprechtechnik und Dramaturgie. Er arbeitete als Dramaturg, Autor und Chargenspieler am Neuen Theater und beim Kabarett Hintertreppe. Anfang der 1960er-Jahre arbeitete er als Schauspieler, Autor und Regisseur. 1964 entdeckte ihn Dieter Hildebrandt für die Lach- und Schießgesellschaft als Hauskarikaturist. 1967 entwarf er das Logo der Sportartikelfirma PUMA, das weltberühmt wurde. 1968 unterschrieb er den Vertrag mit New Yorker Cartoon-Agentur ROTHCO, seither Veröffentlichungen von politischen und Porträtkarikaturen weltweit. 1973 leitete ihn der berühmte italienische Karikaturenbildhauer Giorgio Gabellini zur Bildhauerei an. Es entstanden zahlreiche Karikaturenköpfe und -statuetten. 1976 nahm er den Künstlernamen BUBEC für Karikatur und Kabarett an. Er fertigte 25 Jahre Porträt-Karikaturen für das HANDESLSBLATT. 1990 erschien sein erstes Buch mit Karikaturen und eigenem Text für rororo. 1995 erschien seine erste Boulevardkomödie.Bis März 2008 war er Chefredakteur (Deutschland) bei der in allen EU-Ländern verbreiteten Zeitschrift „Eurojournal pro management“. Weltweit zeigte er über 300 Soloausstellungen, zeichnete Teller-Designs für ROSENTHAL-Porzellan, entwarf Pokerkarten für ASS und Verpackungen für BAHLSEN. Er war Gastdozent an der FH Mainz für Karikaturen und der UNI GRAZ für „Innovation und Kreativität“ und erhielt viele internationale Auszeichnungen.

Es waren gut drei Jahre. Anfang des Jahres 2018 kam mein früherer Deutsch- und Geschichtslehrer, der spätere Kulturreferent von Nürnberg, Prof. Dr. Hermann Glaser auf mich zu. Er hatte ein früheres Buch, das ich illustriert hatte, in die Hände bekommen: „Kurpfälzer Köpfe“. Er sagte, so etwas sollten wir mit fränkischen Personen machen: Er den Text, ich die Portrait-Karikaturen. Drei Tage, nachdem wir im Beisein seines Verlegers alles besprochen hatten, starb er, zwei Monate vor seinem 90. Geburtstag. Sein Umfeld, vor allem seine Privat-Sekretärin Hildegard Frommberger, bat mich, es trotzdem zu machen, auch den Text. Nur sein Verleger bekam kalte Füße und zeigte mir die ebenso kalte Schulter. Ich nahm es trotzdem in Angriff. Ich suchte im Internet einen Verlag, der in Franken beheimatet ist und fand ihn in Neustadt/Aisch. Der Ph.C. W. Schmidt-Verlag ist ein alteingesessener, fast 200 Jahre alter Verlag mit eigener Druckerei.

Glaser hatte schon eine vorläufige Liste mit 70 Persönlichkeiten erstellt, die ich auf Grund meiner fünfzigjährigen Kenntnisse um Franken ergänzte. Da ich meine erste Ausstellung mit Portrait-Karikaturen 1967 von Nürnberger Prominenten in der Buchhandlung Edelmann hatte, war schon ein Grundstock da. Inzwischen waren durch meine Mitarbeit bei Nürnberger Zeitungen im Laufe der Jahre einige Franken hinzugekommen. Diese ergänzte ich mit aktuellen und historischen Köpfen. Dann begann ich zu jedem Portrait ein Feature zu schreiben, wobei bei Personen, die ich noch persönlich kennengelernt hatte, auch Eigenes mit einfloss. Es wurden statt 70 Franken am Ende 124, die in dreijähriger Arbeit zweiseitig Aufnahme fanden.

Von denen, die mir zu Lebzeiten Modell saßen, oder die ich getroffen habe, gehören: Ewald Arenz, Günther Beckstein, Horst Brandstätter, Jan Burdinski, Toni Burghart, Rudi Büttner, Rudolf Dassler, Michaele Domes, Tankred Dorst, Elisabeth Engelhardt, Ludwig Erhard (!), Geraldino, Hermann Glaser, Max Grundig, Helmut Haberkamm, Friedrich Hagen, Bernd Händel, Egon Helmhagen, Horst Herold, Brigitta Heyduck, Hebert Hisel, Rudy Horn, Werner Jacob, Hermann Kesten, Elizabeth Kingdon, Tanja Kinkel, Werner Knaupp, Oskar Koller, Tessa Korber, Andrea Lipka, Paul Maar, „Charly“ Mai, Max Morlock, Christiane Neudecker, Yogo Pausch, Wolfgang Preiss, Wolfgang Riedelbauch, Richard Rogler, Philip Rosenthal, Gunter Sachs, Klaus Schamberger, Renate Schmidt, Oscar Schneider, Theo Schöller, Heinz Sebiger, Elke Sommer, Kurt Leo Sourisseaux, Käte Strobel, Richard Stücklen, Elmar Tannert, Andreas Urschlechter, Wolfgang Wagner, Sabine Weigand, Gerhard W. Wolf.

Wen ich gerade zeichne, ist mir der liebste Kopf. Die persönlichen Beziehungen zu den Porträtierten sind in die Lebensläufe eingewoben. Dann gibt bzw. gab es einige, die ich nicht mag oder mochte. Diese habe ich nicht erwähnt.

Die alte Antwort: Zehn Jahre. Und dann, je nach Schwierigkeit, Haarwuchs und Alter: Zwischen zwei und sieben Stunden.

Ja. Zu viele. In alle Richtungen. Karikaturen sind Ansichtssache. Nicht jeder versteht sie, muss auch nicht. Sie sind eine Un-Art. Bildende Kunst trifft im Allgemeinen auf Unverständnis. Schon Edmond de Goncourt sagte: „Un tableau dans un musée suscite des opinions plus ridicules qu'autre chose au monde.“ („Ein Gemälde in einem Museum hört mehr lächerliche Meinungen als alles andere auf der Welt.“)

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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