Bewegte Zeiten: Wie Fitness-Studios in der Corona-Pandemie überleben können
Interview mit dem Startup-Gründer Johannes Behringer
Herr Behringer, zusammen mit Ihrem besten Freund Dominik Hauck haben Sie im Januar 2019 den Sportraum Mainz, ein Institut für Gesundheit und Leistung, gegründet – mit dem Ziel, jedes Mitglied seinen gesundheitlichen und sportlichen Zielen näher zu bringen. Wie läuft Ihr Geschäft in Corona-Zeiten?
Im zweiten Jahr betreute der Sportraum über 1000 Kunden in einem professionellen und persönlichen Betreuungskonzept - mit großem Erfolg. Durch meine Erfahrungen in der täglichen Arbeit sehe ich, wie sich Sport und richtige Bewegung positiv auf die Mitglieder auswirken und wie sehr wir Sport in der jetzigen Zeit brauchen. Ich bin davon überzeugt, dass Sport und Bewegung das Wichtigste sind, um sich auch im "Lockdown" physisch und mental gesund zu halten. Obwohl unser Studio geschlossen ist, bieten wir ein umfangreiches Angebot für unsere Mitglieder – von Video-Kursen, 1:1-Diagnostiken vor Ort inklusive Trainingsplan für Zuhause und Ernährungsberatungen.
Was ist Ihre Intention?
Wir wollen dazu motivieren, sich auch Zuhause oder im Wald zu bewegen - was den meisten allerdings sehr schwerfällt, weil sie es gewohnt sind, zum Sportraum zu fahren und dort angeleitet ihren Sport auszuüben. Sobald unsere Gesundheit angegriffen wird, stellen wir erst fest, wie verletzlich diese ist. Sie wird erst dann richtig wertgeschätzt, wenn sie nicht mehr vorhanden ist. Die aktuelle Krise schärft den Fokus auf die eigene Gesundheit. Deshalb sollte jeder von uns künftig bereit sein, mehr Zeit und Geld in die eigene Gesundheit zu investieren, weil sie das Wichtigste sind, das wir haben.
Was taten Sie, als der Sportraum im ersten Shutdown aufgrund behördlicher Anweisung geschlossen wurde?
Wir haben das Equipment kurzerhand aufgeteilt! Alle Mitglieder konnten sich gegen eine Pfandgebühr das mobile Equipment (transportable Trainingsgeräte wie beispielsweise Langhanteln, Gewichtsscheiben, Schlingentrainer und Kettlebells) abholen und somit weiterhin zu Hause trainieren. Bei der Aktion durften sie nur einzeln in das Fitnessstudio betreten, um ein Infektionsrisiko zu vermeiden. Das Equipment können sie vorerst bis nach Ostern behalten. Wir hoffen, dass wir dann wieder öffnen können. Darüber hat sogar das ZDF in WISO berichtet.
Worum ging es bei den Dreharbeiten konkret?
Das Fernsehteam war im Rahmen der Dreharbeiten zur Aktion „Hechtsheim hilft“ beim Sportraum Mainz. Im Fokus ging es in erster Linie um Aktionen, die wir uns für unsere Mitglieder haben einfallen lassen. Denn wir wollen sie beim Training von zuhause aus unterstützen. Die Hechtsheimer Ortsvorsteherin Tatiana Muñoz ist die Initiatorin der Aktion „Hechtsheim hilft“ und war bei den Dreharbeiten ebenfalls vor Ort. Da der Sportraum Mainz von Beginn an Unterstützer und Supporter der Aktion Hechtsheim hilft ist, war das ZDF WISO also auch bei uns.
Es gibt etliche Sportvideos im Netz. Doch die Menschen wollen in der Regel nicht irgendein Video sehen, sondern möchten einen regionalen Bezug. Deshalb haben die Trainer unseres Fitnessstudios diverse Kursvideos gedreht. So können die Mitglieder von zuhause aus das Kursangebot des Sportraum nutzen. Dabei arbeiten sie natürlich mit Equipment, das jeder zuhause hat.
Haben Sie auch etwas für jene, die lieber Workouts statt Kurse machen?
Natürlich haben wir auch dazu etwas zu bieten. Die Trainer haben ebenso Videos aufgezeichnet, in denen sie Übungen unterschiedlichster Schwierigkeitsgrade zeigen. Dabei erklären sie ausführlich, worauf der oder die Trainierende achten sollte, um die Übung wirklich richtig auszuführen. Die Videos werden jeweils auf Youtube zur Verfügung gestellt und können damit auch von Nicht-Mitgliedern genutzt werden.
Weshalb sind Sie davon überzeugt, dass Fitnessstudios nicht Teil des Problems sind, sondern ein Teil der Lösung?
Mit der Stärkung des Immunsystems und durch körperliches Training kommen die Klienten besser durch die Krise. Neurologische, orthopädische, kardiovaskuläre und diabetische Probleme der Neuzeit, die durch regelmäßiges Training eingedämmt werden, sind gesundheitsrelevant und nicht nur Freizeitgestaltung. Die Gesundheitspolitik weiß heute, dass die Ursachen der Zivilisationskrankheiten zum überwiegenden Teil in unserem Lebensstil und in mangelndem Training liegen. Somit ist die Gesundheitsbranche Fitness systemrelevant.
Warum plädieren Sie für eine baldige Öffnung?
Die Fitnessbranche ist die einzige (Gesundheits-)Branche, die digital, sekundengenau eine Nachverfolgung durch ihre Check-In Systeme gewährleistet. D.h. die Nachverfolgung von infizierten Sportlern kann sichergestellt werden. Seit der Wiedereröffnung nach dem ersten Shutdown wurden eine Menge Maßnahmen getroffen, damit die Mitglieder sicher trainieren können. Es wurden überall Desinfektionsmittel aufgestellt, Wegführungen markiert, Duschen geschlossen und Kurse limitiert. Es wird für frische Luft gesorgt durch regelmäßiges Lüften. Im Sportraum hat sich bisher niemand angesteckt. Fitnessstudios sollen Orte bleiben, an denen man etwas für seine Gesundheit tut und diese nicht etwa einem unnötigen Risiko aussetzt.
Es fiel uns schwer, Verständnis dafür aufzubringen, dass Fitnessstudios trotz aller durchgeführten Maßnahmen schon vor Wochen geschlossen worden sind. Vor allem, wenn man gleichzeitig sah, dass die Innenstädte voll waren und sich tausende Menschen in den Geschäften tummelten. Ist Shopping systemrelevanter als aktiv seine Gesundheit und Immunsystem durch Sport zu stärken, um gegen ein Corona Virus besser gewappnet zu sein?
Warum zählt für Sie nicht das häufig genannte Argument, dass sich ja alle draußen oder daheim bewegen können?
Das zählt für mich nicht, weil nicht jeder die speziellen Geräte besitzt und Zuhause die richtigen Übungen machen kann. Eine professionelle Anleitung ist das Wichtigste, wenn es darum geht, individuelle körperliche Probleme zu lösen. Wenn jeder Mensch durch Sport seine Probleme lösen könnte, hätten wir weniger zivilisationsbedingte Krankheiten, deshalb braucht es einfach eine Dienstleistung hierfür, die den Menschen hilft. Der größte Fehler im zweiten „Lockdown-Light“ ist es meiner Meinung nach, genau diese Dienstleistung zu verbieten anstatt sie mit strengeren Hygienemaßnahme offen zu halten.
Wie nutzen Sie als Gründer die Corona-Zeit?
Aktuell renovieren wir beispielsweise unsere Räumlichkeiten. Die Sauna und andere Bereiche werden etwas erneuert und verschönert. So können wir die Zeit trotzdem optimal nutzen und unsere Kunden haben auch etwas davon, wenn wir im neuen Jahr wieder öffnen. Wer uns Gründer kennt weiß, wir nicht den Kopf in den Sand stecken werden, sondern schon jetzt wieder Ideen und Optionen planen. Unsere Sportler erhalten umfangreiche Informationen per Mail und in den sozialen Medien.
Wie lautet Ihr Appell?
Bitte unterstützt auch Eure Fitnessstudios. Sie können nichts für die Schließungen und sie tun alles dafür, dass sie den Besuch so sicher wie möglich gestalten, und dass ihr Spaß an Bewegung bekommt und dadurch Eure Gesundheit stärkt. Und sobald es wieder erlaubt ist, meldet Euch sofort in einem Studio an und fangt an, alle Vorteile von Training zu genießen! Ich möchte mich aber auch bei unseren Kunden bedanken, denn sie stehen nach wie vor hinter uns und geben Unterstützung, soweit es ihnen möglich ist. Und wir freuen uns jetzt schon auf den Tag, wenn wir wieder öffnen dürfen und uns für die Unterstützung durch die bestmögliche Betreuung zurückzahlen können. Wir Gründer glauben daran, dass Gesundheit und Sport einen neuen und wichtigeren Stellenwert für sehr viele Menschen einnehmen wird.
Zur Person:
Johannes Behringer, Jahrgang 1989, ist Mitinhaber des Sportraum Mainz. Nach dem Studiengang Sportwissenschaft an der Sporthochschule Köln absolvierte er seinen Master in Entrepreneurship and Innovation an der Universität in Lund/Schweden. Vor seiner Geschäftsführertätigkeit sammelte er Erfahrungen in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft und des Sports, u. a. war er Trainer für die Beach-Academy im In- und Ausland. Konzernerfahrungen als Mitarbeiter eines Vertriebsleiters bei SAP SE. Bei Adidas (CIP GmbH) war er als Brand Coach unterwegs. Im Sportraum Mainz ist er für die betrieblichen Belange wie Controlling, Marketing und das Personal zuständig und baut das Studio nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus.
Weiterführende Informationen:
CSR und Sportmanagement. Jenseits von Sieg und Niederlage: Sport als gesellschaftliche Aufgabe verstehen und umsetzen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. 2. Auflage, SpringerGabler Verlag. Heidelberg, Berlin 2019.