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Diesen Satz hört man in Unternehmen immer öfter: „Wir finden keinen geeigneten Kandidaten.“ Ist das Deine Chance? - Getty Images

Bewerbungs-Trend „Skill Gap Embrace“: Warum sich Unternehmen mit weniger qualifizierten Bewerbern zufrieden geben

Abschluss? Nicht nötig. Anschreiben? Weglassen. Anspruch? Senken. Kann das die Lösung für den Fachkräftemangel sein?

Diesen Satz hört man in Unternehmen immer öfter: „Wir finden einfach keinen geeigneten Kandidaten.“ Die Zeiten, in denen es Hunderte Bewerbungen auf eine gute Stelle gab, sind vorbei. Der Fachkräftemangel ist zu einem Brennpunkt der Wirtschaft geworden. Unternehmen sehen sich zunehmend vor die Herausforderung gestellt, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden und zu halten.

👀 Bei Bewerbung und Einstellung gilt jetzt: Weniger muss reichen

Inmitten dieses Mangels entwickelt sich ein neuer Recruiting-Trend: "Skill Gap Embrace". Dieser Trend beschreibt, wie Unternehmen sich dazu entscheiden, mit offenen Armen auch Bewerberinnen und Bewerber mit geringeren Qualifikationen zu empfangen. Gleichzeitig sind sie willens, mehr Fokus auf das Potenzial zu legen und den Skill Gap, also die Lücke zwischen erforderlichen und vorhandenen Fähigkeiten, durch Weiterentwicklung zu schließen.

Arbeitgeber suchen verstärkt nach kreativen Lösungen, um ihre offenen Stellen zu besetzen und betriebliche Kontinuität zu gewährleisten. Dabei erkennen sie, dass sie möglicherweise nicht immer die perfekte Bewerberin oder den perfekten Bewerber finden. Die Lösung: eine Anpassung der Bewerbungs- und Einstellungskriterien. Anders gesagt: Man gibt sich mit weniger zufrieden.

🇩🇪 Skill Gap Embrace in der deutschen Wirtschaft

  • Der Software-Konzern SAP kündigte im Dezember 2022 an, Hürden für potenzielle Bewerberinnen und Bewerbern zu senken. In einem Interview mit der Zeitschrift Capital kündigte die damalige Personalvorständin Sabine Bendiek an, dass Uni-Abschlüsse kein Muss mehr sind. Zitat: „Wir müssen uns öffnen.“

  • Um Barrieren bei der Bewerbung abzubauen, verzichten immer mehr Firmen auf das Anschreiben, wie z.B. die Deutsche Bahn für bestimmte Stellenausschreibungen. Der Versandhändler Otto fordert bereits seit 2016 kein Anschreiben mehr.

  • Die Bundespolizei erhöhte 2020 die erlaubte Fehlerquote für Bewerberinnen und Bewerber bei der Rechtschreibung. Und Chefredakteure renommierter Zeitungen bestätigen, dass die Anforderungen an das Allgemeinwissen des journalistischen Nachwuchses gesenkt wurden.

Zwei Entwicklungen treffen aufeinander

Erstens: Den Bewerbungsprozess möglichst einfach gestalten, um viele Bewerbungen zu bekommen. Auch über XING sind mit Hilfe des eigenen Profils sogenannte „Ein-Klick-Bewerbungen“ möglich – und zunehmend gefragt.

Und zweitens: Die Anforderungen senken, um überhaupt genug Leute einstellen zu können. Bewerberinnen und Bewerber müssen also weniger von den einst erforderlichen Qualifikationen mitbringen, aber gegebenenfalls durch ihre Lernbereitschaft und ihr Engagement überzeugen.

🎯 Tipp:

Nicht alle sind bereit, weniger zu fordern

Doch es gibt auch Gegenpositionen, die den Trend zum „Skill Gap Embrace“ nicht bestätigen können. Headhunter und XING Insider Frank Rechsteiner haben die Erfahrung gemacht, dass Unternehmen bei der Personalsuche auf ihren Anforderungen beharren – diese allerdings meist unsauber beschrieben seien und wenig mit der Arbeitsrealität zu tun hätten. „Insbesondere bei Schlüsselpositionen wird lieber lange gewartet, als die gewünschten Qualifikationen anzupassen“, so Rechsteiner, Autor des Buchs „Recruiting Mindset“. Ihm komme es so vor, als würden die Firmen trotz Fachkräftemangel einfach weitermachen wie bisher.

Ähnlicher Meinung ist auch Nina Zimmermann, Chefin des Arbeitgeber-Bewertungsportals kununu. „Die Macht hat sich verschoben“, sagte Zimmermann in einem Interview mit t-online.de. „Wir befinden uns in einem Arbeitnehmermarkt, aber viele Unternehmen müssen das noch verstehen.“

Laut Bundeswirtschaftsministerium sind bereits 352 von 801 Berufsgruppen vom Fachkräftemangel betroffen. Es scheint, als wären Arbeitgeber, die ihre Anforderungen an Bewerberinnen und Bewerber senken, bereits in der neuen Realität angekommen.

Verzweiflung oder Pragmatismus: Was denkst Du über den Skill Gap Embrace?

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