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Blind Signing: Warum Du einen Arbeitsvertrag nicht zu früh unterschreiben solltest

Herzlichen Glückwunsch – Du hast im Bewerbungsprozess überzeugt und nun liegt Dir der Arbeitsvertrag zur Unterzeichnung vor. Diese solltest Du aber nicht überstürzen, denn das sogenannte „Blind Signing“ birgt einige Risiken.

Als Blind Signing wird die Unterzeichnung von Arbeitsverträgen ohne ausgiebige Prüfung beschrieben. Es handelt sich um einen neuen Trendbegriff, der jedoch ein altbekanntes Phänomen beschreibt: Viele Bewerber·innen freuen sich so über ein Jobangebot, dass sie ohne zu überlegen „Ja“ sagen – oder es fehlt ihnen schlichtweg am Know-how, dass und wie sie den Vertrag prüfen sollten. Falls Du gerade ein Jobangebot erhalten hast, ist es daher wichtig, Dich intensiv mit der Thematik zu befassen, um das Blind Signing mit seinen Risiken zu verhindern.

Häufige Gründe für das Blind Signing

Für einige Menschen wäre es undenkbar, einen Vertrag zu unterschreiben, ohne ihn gründlich gelesen zu haben. Allerdings kommt das Blind Signing häufiger vor als oftmals angenommen. Die Gründe hierfür sind höchst individuell, manchmal liegen sie auch in Kombination vor. Dass Arbeitsverträge sozusagen blind unterschrieben werden, kann zum Beispiel folgende Ursachen haben:

  1. Analphabetismus, denn etwa zwölf Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland kann nicht oder nur unzureichend lesen. Auch Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache oder mit dem Verständnis komplexer Rechtstexte können dazu führen, dass Arbeitsverträge nicht gelesen oder nicht verstanden werden.

  2. Zeitdruck, denn für die Unterzeichnung von Arbeitsverträgen gilt oft eine Frist – ansonsten wird ein·e Konkurrent·in eingestellt. Zwar reicht diese Zeitspanne problemlos aus, um einen Arbeitsvertrag zu prüfen beziehungsweise prüfen zu lassen. Trotzdem fühlen sich einige Bewerber·innen unter Zeitdruck und treffen ihre Entscheidung übereilt, aus Angst, das Jobangebot ansonsten zu verlieren.

  3. Vertrauen, sprich die Bewerber·innen gehen davon aus, dass das Unternehmen einen fairen Arbeitsvertrag aufgesetzt hat. Dieses Vertrauen ist zwar prinzipiell gut für ein frisches Arbeitsverhältnis, doch blindes Vertrauen kann auch zu einer vertraglichen Benachteiligung führen – oder Du lässt Dir wertvollen Verhandlungsspielraum entgehen.

  4. Bequemlichkeit, schließlich hat so ein Arbeitsvertrag unzählige Seiten und es kann dauern, diesen im Detail zu lesen sowie zu verstehen. Auch Bequemlichkeit ist daher ein häufiger Grund, weshalb Arbeitsverträge nicht ausreichend kontrolliert werden.

  5. Mangel an Alternativen, wenn Du unbedingt diesen einen Job willst oder brauchst. Dann ist die Verlockung groß, den Vertrag sofort zu unterschreiben – sozusagen zu jedem Preis. Doch selbst, wenn Du nicht nachverhandeln willst, solltest Du zumindest prüfen, was Du unterzeichnest.

  6. Angst vor Verhandlungen, die dazu führen kann, dass Du den Vertrag einfach unterschreibst, ohne ihn zu prüfen oder zu hinterfragen. Doch in Verhandlungen stecken große Chancen und erneut gilt: Blind Signing ist niemals eine Option.

Denn im Blind Signing stecken große Risiken: Du unterzeichnest vielleicht unfaire Bedingungen oder übersiehst Klauseln, die Dich im anschließenden Arbeitsverhältnis benachteiligen. Diese müssen keine böse Absicht des Unternehmens sein, sondern sind manchmal schlichtweg ein Fehler oder ein Missverständnis. Vier Augen sehen mehr als zwei, sagt man nicht ohne Grund, weshalb Du jeden Arbeitsvertrag gründlich lesen solltest, bevor Du ihn unterschreibst. Alternativ oder zusätzlich kannst Du Fachanwält·innen für Arbeitsrecht hinzuziehen. Sie stellen nicht nur sicher, dass alle Klauseln rechtmäßig und fair sind, sondern können Dir sogar Tipps geben, um noch bessere Bedingungen auszuhandeln.

Was kannst und solltest Du im Arbeitsvertrag verhandeln?

Dich selbst vor unfairen Vertragsklauseln zu schützen, ist somit das wichtigste Argument, das gegen „Blind Signing“ spricht. Gleichzeitig hast Du aber auch die Chance, die bestehenden Arbeitsbedingungen nachzuverhandeln und damit den Arbeitsvertrag mehr in Deinem Interesse zu gestalten. Denn obwohl es in Deutschland strenge gesetzliche Regelungen gibt, sind viele Punkte in Arbeitsverträgen nach wie vor Verhandlungssache – und nur, wenn Du Dich für Dich selbst einsetzt, wirst Du das Meiste herausholen können. Verhandelbar sind zum Beispiel

  • Positionsbezeichnung und Tätigkeitsbereiche,

  • Arbeits- und Überstundenregelungen,

  • Arbeitsort und Anwesenheitspflicht,

  • Vergütung und Benefits,

  • Urlaubs- und Krankheitsregelungen,

  • Verschwiegenheitsklauseln,

  • Weiterbildung und Förderung

  • sowie viele zusätzliche Klauseln, zum Beispiel einen Geschäftswagen betreffend.

Eine ausgiebige Prüfung Deiner individuellen Optionen sowie gegebenenfalls eine Rechtsberatung können sich daher im wahrsten Sinne des Wortes lohnen – und auch das Unternehmen profitiert, wenn Du dadurch im Job motivierter, zufriedener und leistungsfähiger bist. Es gibt deshalb keinen Grund, um Angst vor der Verhandlung zu haben oder Dir diese Chance entgehen zu lassen.

Fazit

Nimm Dir die notwendige Zeit innerhalb der gegebenen Frist, um den Arbeitsvertrag zu prüfen, Dir eine Verhandlungsstrategie zurechtzulegen und eine Nachverhandlung zu führen, wenn sinnvoll. So unterschreibst Du anschließend einen besseren Arbeitsvertrag und hinterlässt zugleich einen professionellen sowie selbstbewussten Eindruck. Wichtig ist nur, dass Deine Forderungen realistisch und fair sind. Sei zudem kompromissbereit, sodass am Ende beide Parteien mit dem Arbeitsvertrag zufrieden sind. So steht Deinem erfolgreichen Jobstart nichts mehr im Weg und Du weißt genau, welche Rechte sowie Pflichten Du fortan im Unternehmen hast. Hast Du hingegen schon vorab ausgiebig verhandelt, so ist die Vertragsprüfung trotzdem wichtig, um sicherzustellen, dass alle Verhandlungsergebnisse korrekt eingearbeitet wurden. Die Augen sozusagen zu öffnen und zu wissen, was Du unterschreibst, ist deshalb immer wichtig – sei es bei Arbeits- oder allen anderen Arten von Verträgen.

Hast Du weitere Erfahrungen oder Anregungen zum Thema Blind Signing? Wie viel Zeit dürfen sich Bewerber·innen Deiner Meinung nach mit der Unterzeichnung lassen und wann ist eine Verhandlung sinnvoll? Vielen Dank für Deinen Kommentar!

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