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Der 65-jährige Frank Otto ging seinen eigenen Weg – und rät Berufseinsteigern, weniger auf andere zu hören - © dpa

Cannabis statt Konzern – Karrieretipps von Frank Otto

Einer Karriere im väterlichen Versandhaus konnte er nichts abgewinnen. Erfolgreich ist der Medienunternehmer und Investor trotzdem – mit Kunst, Cannabis, Chaos und Kreativität.

Ein Interview von Anika Gottschalk

Frank, Du stammst aus sehr, sehr reichem Hause. Dein Vater machte aus seinem nach Kriegsende gegründeten Versandhandel für Schuhe eines der größten Versandhäuser der Welt – den Otto Versand. War das für dich als Kind eher Last oder Privileg?

Frank Otto: Als kleines Kind habe ich das gar nicht so wahrgenommen. Der Otto-Katalog lag bei uns rum. Es war die Zeit nach dem Krieg, die Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs – wir waren wieder wer. Die besondere Rolle meines Vaters wurde mir erstmalig klar im Alter von zehn Jahren. Da wies mich einer meiner Erzieher auf meine besondere Rolle hin. Er sagte, ich müsse gut in Mathe sein. Das sei ich meinem Vater schuldig. Ich fand nicht, dass ich meinem Vater etwas schuldig bin.

Hat dein Vater dich beeindruckt?

Frank Otto: Ja, das hat er. Als ich 16 Jahre alt war, begannen wir regelmäßig Vater-Sohn-Gespräche zu führen. Er hat sich schon früh in den 70ern sehr mit Zukunftsfragen beschäftigt, mit den Grenzen des Wachstums – das Wort Umweltschutz kam gerade erst auf. Aber er hatte sich schon Gedanken über Pappkartons, Wiederverwendbarkeit gemacht und verhängte schon damals ein Pelzverbot für das Unternehmen. Das hat mich beeindruckt und sicher auch geprägt.

Du bist aber nicht seinen Weg gegangen – warum?

Frank Otto: Mein Vater war sehr intellektuell, belesen, hat mit den Leuten vom Club of Rome diskutiert, der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt war sein Freund. Ich war eher der Auffassung, die Impulse müssten von der Straße kommen, aus der Musik. Die Beatles und die Stones wurden von den Erwachsenen nicht verstanden, für uns waren sie eine Offenbarung. Ich war eher der Kämpfer, renitent. Ich habe mich außerhalb des gutbürgerlichen Establishments wohl und frei gefühlt.

Anders als deine beiden Brüder Michael und Alexander bist du nicht in den Otto Konzern eingestiegen. Wäre das nicht herrlich einfach gewesen?

Frank Otto: Es war eine andere Zeit. Es gab nach der Schulzeit keinen Konkurrenzkampf um Jobs. Ich hatte nicht das Gefühl, einen leichten Weg zu brauchen. Und die Strukturen eines Konzerns waren nichts für mich.

Du hast dennoch vier Wochen in der Marketingabteilung des Otto-Konzerns gearbeitet – was hast du gelernt?

Frank Otto: Um ehrlich zu sein, habe ich die Gleitzeit genutzt, um mich für einen Ausbildungsplatz in einem Museum zu bewerben.

Es war eine andere Zeit. Es gab nach der Schulzeit keinen Konkurrenzkampf um Jobs. Ich hatte nicht das Gefühl, einen leichten Weg zu brauchen.
Frank Otto

Warum ein Museum?

Frank Otto: Ich wusste früh, dass Kunst mein Ding ist. Durch meine Schwester, die Galeristin ist, habe ich das Kunstmilieu kennengelernt und gespürt: Das passt zu mir. Hier konnte ich was bewirken, mich ausdrücken und war vor allem nicht auf andere angewiesen. Und Mädchen konnte ich damit auch beeindrucken, ohne ein Mathegenie zu sein. Ich hatte die Freiheit, meiner Leidenschaft zu folgen. Ich wollte Kunstmaler werden. Der Druck, etwas Bestimmtes machen zu müssen, war damals nicht so groß.

Weil du keine finanziellen Sorgen hattest?

Frank Otto: Es ging eher darum, dass ich meiner inneren Bestimmung folgte – egal was andere darüber dachten.

Im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe hast du deine Ausbildung zum Restaurator für Papier und Grafik gemacht – mit 360 Mark Vergütung und etwas Taschengeld von deiner Mutter. Nicht unbedingt üppig für einen Erben deines Kalibers, oder?

Frank Otto: Mein Vater hat immer drauf geachtet, dass wir lernen, mit Geld umzugehen. „Je weniger man hat, umso besser“, war sein Motto dafür.

Hast du was gelernt?

Frank Otto: Ich hatte gute Geschäftsmodelle. Im Tippkick war ich unschlagbar – es hatte immer irgendjemand Spielschulden bei mir. Als ich mir ein teures Schlagzeug kaufen wollte, habe ich in den Ferien Frühschichten in einer Offset-Druckerei geschoben.

Ich musste nicht reich werden. Es reichte, wenn ich nicht arm werde.
Frank Otto

Musstest du dich jemals ernsthaft einschränken?

Frank Otto: In der ersten Zeit, nach meinem Auszug von zu Hause in eine Wohngemeinschaft, wurden die Lebensmittel knapp. Allerdings habe ich das nicht als Einschränkung empfunden. Es fühlte sich frei an, dieses neue Leben. Materielle Dinge und Konsum waren damals in meinem Freundeskreis nicht so wichtig. Wenn wir mit guten Leuten in einem klapprigen Auto einfach nach Frankreich düsen konnten, war das Luxus. Wirklich gefehlt hat es mir aber nie an etwas. Ich war in einer insgesamt komfortablen Situation. Ich musste nicht reich werden. Es reichte, wenn ich nicht arm werde.

Der Freiheitsdrang und der Hang zur Rebellion scheinen in dir angelegt zu sein. Du bist von diversen Internaten geflogen, mit deiner Band durch die Lande getourt und warst als Aktivist auf Demos unterwegs – wie wichtig ist es, deiner Meinung nach, als Heranwachsender zu rebellieren oder verrückte Dinge zu tun?

Frank Otto: Sehr wichtig. Der Mensch ist kreativ und muss sich ausprobieren. Daraus entstehen auch mal dumme Ideen oder Fehler, aber genau das formt die Persönlichkeit. So entwickelt sich Selbstbewusstsein. Heute ist das sehr viel schwieriger. Das kollektive Highsein und Freisein ist dem Konkurrenzkampf gewichen. Und durch die Gleichförmigkeit in den sozialen Medien geht viel Individualität verloren.

Das kollektive Highsein und Freisein ist dem Konkurrenzkampf gewichen.
Frank Otto

Was rätst du Berufsanfängern, die nicht wissen, in welche Richtung sie sich orientieren sollen?

Frank Otto:

  • Sich Zeit nehmen, die eigenen Bedürfnisse und Stärken rauszufinden.

  • Ausprobieren! Der Appetit kommt beim Essen.

  • Mehr fühlen, was passen könnte, als darüber nachzudenken.

  • Nicht unbedingt den einfachen oder lukrativeren Weg gehen, nur weil andere einem dazu raten.

  • Netzwerke nutzen, sich selbst spiegeln, andere fragen, was sie über einen denken.

Du wolltest Kunstmaler werden, bis aber als Unternehmer in den Medien gelandet. Du hast OK Radio gegründet, den Musiksender Viva und Hamburg 1 mit aufgebaut, warst an der „Hamburger Morgenpost“ beteiligt – heute gehört dir ein Musiklabel. Passt das zusammen mit dem romantischen Traum von der Kunst?

Frank Otto: Auf den ersten Blick klingt das kontrovers. Aber tatsächlich bündeln sich hier alle meine Fähigkeiten und Leidenschaften. Inhalte verständlich vermitteln, Menschen mit Musik begeistern, Nachrichten und Neuigkeiten transportieren, Themen setzen und Gesellschaft mitgestalten. Das ist meine Materie. Ich musste allerdings lernen, Geschäftsmann zu werden. In Kunst- und Theaterprojekte habe ich dann parallel investieren können.

Ich hatte mich einfach komplett übernommen und habe am Ende sogar Firmen verschenkt.
Frank Otto

Was waren die härtesten Learnings als Unternehmer?

Frank Otto: Es gab eine Phase, in der ich Geschäftsführer in 14 Unternehmen war, von denen acht Probleme hatten. Ich entwickelte eine regelrechte Telefonphobie und konnte keine Entscheidungen mehr treffen aus Angst vor der falschen. Ich hatte mich einfach komplett übernommen und habe am Ende sogar Firmen verschenkt. Daraus habe ich gelernt,

  • dass ich nicht alles allein regeln und kontrollieren kann,

  • nicht unbesiegbar bin,

  • man manchmal improvisieren muss – auch wenn es wehtut,

  • und ein gesunder Abstand zum Job wichtig ist.

Was sind aus heutiger Sicht deine erfolgreichsten Beteiligungen?

Frank Otto: Die, die was bewirkt haben. Der Musiksender Viva war damals eine Offenbarung. Die „Hamburger Morgenpost“ aus dem Gruner-und-Jahr-Verlag als eigenständiges Unternehmen aufzubauen hat sich gelohnt. Mein 2006 gegründetes Musiklabel Ferryhouse, mit täglich 300.000 Streams und rund 20 Künstlern, ist auch sehr erfolgreich.

Bei Cannacare Health, eine Firma, die Cannabis-Produkte herstellt, hältst du 50 Prozent der Anteile. Ist das eine Hommage an deine Hippiezeit oder unternehmerisches Kalkül?

Frank Otto: Beides. Für mich war die Heilkraft von Cannabis immer ein Thema, und die Stigmatisierung dieser Pflanze habe ich stets verteufelt. Es gibt zugelassene, gute Produkte, die wirklich helfen. Wir sind noch entfernt von der Legalisierung. Aber das wird kommen, der Markt ist da.

Du als 20-Jähriger mit deinem Wissen von heute. 100.000 Euro. Was machst du damit?

Frank Otto: Umgucken nach Leuten, die was Cooles planen. Investieren in etwas, wo man mit 100.000 Euro was bewegen kann und selbst Einfluss hat. Ein Thema, auf das man richtig Bock hat und da dann voll reingehen. Und ich würde immer sagen: Mach dich selbstständig. Am Anfang ist das hammerhart, und es gibt mehr Hürden, als man denkt, aber am Ende ist es der erfüllendere Weg.

Nicht alle sind der Typ Unternehmer·in. Wie blickst du auf heutige Berufseinsteiger·innen?

Frank Otto: Wie haben vor einiger Zeit unsere Radioakademie gegründet, weil sich bei uns keine richtigen Typen mehr beworben haben. Viele wollten einfach einen sicheren Ausbildungsplatz – was in Ordnung ist, aber in der Kreativbranche braucht es junge Wilde. Meine Beobachtung ist, dass viele, die Biss haben, gar nicht erst in Unternehmen gehen, sondern sich selbstständig machen. Die Zeiten sind von starker Veränderung geprägt. Wer Sicherheit will, geht eher in die Festanstellung. „Lernste was, dann haste was“ gilt nicht mehr – heutzutage müssen die jungen Leute praktisch jeden Tag etwas Neues lernen. Das ist schon auch anstrengend.

Meine Beobachtung ist, dass viele, die Biss haben, gar nicht erst in Unternehmen gehen, sondern sich selbstständig machen.
Frank Otto

War dein befreites Leben möglich, weil dein älterer Bruder sich schon für die Konzernkarriere entschieden hatte und die Nachfolge gesichert war?

Frank Otto: Zumindest hatte ich den, wie wir heute wissen, richtigen Eindruck, dass Michael den Versandhandel von der Pike auf gelernt hatte und das Unternehmen gut führen würde. Er musste nun, in dem stark von meinem Vater geprägten Unternehmen, seinen eigenen Stil entwickeln. So hatte es auch mein Vater nicht schwer, mich eine künstlerische Laufbahn einschlagen zu lassen.

Wäre es in deinem Leben anders gelaufen, wenn du in ärmeren Verhältnissen aufgewachsen wärst?

Frank Otto: Ja, dann wäre ich Maler geblieben.

Über die Person

Frank Otto gilt als Pionier der Privatradios und des Privatfernsehens in Deutschland. Er wird in die Otto-Versandhausdynastie geboren, macht eine Ausbildung als Restaurator, studiert Bildende Kunst und wird Medienunternehmer, Musiker und Musikproduzent. 1987 gründet er OK Radio, den zweiten Hamburger Privatradiosender. Außerdem beteiligt er sich am Aufbau des Musiksenders Viva und Hamburg 1, einem der ersten privaten regionalen Fernsehsender Deutschlands. 2006 gründete er das Musiklabel Ferryhouse, bis heute hält er zahlreiche Beteiligungen an Radiosendern und Internetanbietern. 2017 nimmt Frank Otto zusammen mit seiner Lebensgefährtin Nathalie Volk an der Reality-TV-Show „Goodbye Deutschland“ teil. Er engagiert sich für die Deutsche Meeresstiftung, Viva con Agua und die Hamburger Klimawoche, unterstützt Lesen ohne Atomstrom und viele Kulturinitiativen. Otto ist Vater von fünf Kindern und lebt in seiner Heimatstadt Hamburg. Kürzlich erschien sein Buch bei Edel Books: „Sinn und Eigensinn. Ein Leben zwischen Verantwortung und Rebellion“.

„Sinn und Eigensinn. Ein Leben zwischen Verantwortung und Rebellion“
„Sinn und Eigensinn. Ein Leben zwischen Verantwortung und Rebellion“

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