Carolin Kebekus über die Macht guter Vorbilder und die heilsame Wirkung von Witzen
Für ihr mal kritisches, mal einfach nur albernes Bühnen- und TV-Programm wurde Deutschlands erfolgreichste Komikerin vielfach ausgezeichnet. Nun läuft die neue Staffel des WDR-Formats „Die Carolin Kebekus Show“ im Ersten.
Von Sara Mously
Harvard Business manager: Frau Kebekus, in Ihrer Show spielt Haltung eine wichtige Rolle. Waren Sie schon immer politisch?
Carolin Kebekus: Ich habe zumindest schon früh Dinge hinterfragt. Als Mädchen habe ich nicht eingesehen, warum ich zur Firmung gehen sollte. Und es hat mich immer geärgert, wenn man mir, auch im Bekanntenkreis oder beim Kneipengespräch, weniger zugetraut hat, weil ich eine Frau war. Wir denken ja oft, wir leben in einer total liberalen Gesellschaft. Aber bis vor Kurzen durfte eine Ärztin, die Abtreibungen anbietet, nicht darüber informieren. Oder wenn ich mir den Kölner Karneval angucke, da ist noch immer keine Frau im Dreigestirn. Wie peinlich ist das bitte vor der gesamten Welt?
Es gibt Menschen, die befürchten, Haltung schade dem Humor.
Dieses „Oh, man darf ja jetzt keine Witze mehr machen!“ nervt. Natürlich kann man über alle Themen Witze machen. Ich muss nur wissen: Über wen lache ich hier? Über die Opfer, über die Täter oder über mich selbst? Wenn jemand fertiggemacht wird, der sowieso unter einem steht, ist das nicht lustig. Wenn mir ein Mann einen sexistischen Spruch gedrückt hat, gab es deshalb schon immer einen noch schlimmeren Spruch von mir zurück.
Und? Haben Ihre Gegenüber das sportlich genommen?
Im Gegenteil, aber das ist mir dann egal. Ich lege gern Finger in Wunden, um zu sehen, was passiert. Humor kann den Menschen aber auch helfen: Die ganz schwierigen Themen, wie etwa die Gewalt gegen Frauen in Iran, sind einfacher zu verarbeiten, wenn man Witze einstreut. Wie Medizin, die man für ein Kind in einem Keks versteckt.
Als Sie neu waren im Comedy-Business, wie wichtig waren Ihnen da weibliche Vorbilder?
Enorm. Bis ich zwölf war, dachte ich, Humor sei ausschließlich männlich. Didi Hallervorden, Otto, Rudi Carrell – im Fernsehen gab’s ja nur Männer. Frauen waren hübsches Beiwerk oder Stichwortgeberinnen, wie Iris Berben bei Diether Krebs. Dann kam Gaby Köster – eine Offenbarung. Das erste Mal erlebte ich eine Frau, die allein auf der Bühne stand und Witze riss. Das hat in meinem Kopf ganz viele Türen aufgemacht. Ende der 90er tauchte Anke Engelke auf, und ich dachte: Ach, das ist ein Beruf? Dann will ich das auch!
Sind Sie heute selbst ein Vorbild für junge Frauen – oder brauchen die gar keine Vorbilder mehr?
Natürlich wächst die jüngere Generation ganz anders auf. Aber wir leben immer noch sehr patriarchal geprägt. Frauen werden nach wie vor benachteiligt. Ich sehe einen großen Bedarf an weiblichen Vorbildern. In der Öffentlichkeit genauso wie in verschiedenen Berufsbildern.
Man könnte einwenden: Politik, Wissenschaft, Unterhaltung – überall sind inzwischen auch Frauen.
Ja, einzelne. Aber die werden oft total überhöht. Oder es heißt: „Die nimmt aber auch viel Platz ein“ und „Die eine reicht dann ja auch.“ Darum geht es auch in meinem Buch: Frauen wird nach wie vor eingeredet, ihnen stünde weniger Platz zu als Männern und dass sie um diesen konkurrieren müssten. Wer bitteschön sagt, dass das so bleiben muss?
Es fehlt nicht nur an Raum und an Wertschätzung, sondern auch an Kapital. Gründerinnen haben es etwa nach wie vor schwerer als Gründer.
Stimmt. Zwei Bekannte von mir haben gemeinsam gegründet. Auf der Suche nach Investor*innen wurden sie bei einer Präsentation gefragt, ob sie denn auch gute Freundinnen seien. Und was denn wäre, wenn sie sich mal stritten. Unglaublich, oder? Wieder so eine Frage, die Männern nie gestellt wird. Frauen werden nach wie vor schlechter bewertet, auch wenn sie genauso gut oder besser sind als Männer. Lustig dürfen sie übrigens auch nicht sein. Es gibt Studien, die zeigen, dass Humor bei Frauen unprofessionell wirkt. Da bin ich froh, dass ich meinen Beruf habe. In einem Unternehmen wäre ich mit meiner Schnauze vermutlich nicht weit gekommen. © HBm 2023
Dieser Beitrag erschien erstmals in der Mai-Ausgabe 2023 des Harvard Business managers.
