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Fachkräfte gibt es genug – doch heute wissen sie, was sie wert sind | © Haso/Getty Images

Das Märchen vom Fachkräftemangel: Warum Unternehmen in Wahrheit keine Leute finden

Deutschland hat ein Problem. Überall liest man vom Fachkräftemangel, von leeren Bewerbermärkten, von Unternehmen, die niemanden mehr finden.

Und ja, es stimmt: Es fehlen Leute.
Aber die eigentliche Frage ist: Warum?

Die einfache Antwort wäre: Demografie, Generation Z, veränderte Arbeitsmärkte.
Die ehrliche Antwort? Unternehmen stehen sich selbst im Weg.

1. Wer nur Durchschnitt bezahlt, bekommt auch nur Durchschnitt

Viele Unternehmen suchen „Top-Talente“. Aber zahlen Durchschnittsgehälter.
Oder noch besser: Sie „bieten Entwicklungsmöglichkeiten“ – als Ersatz für fairen Lohn.

🔹 „Wir suchen einen Senior mit 10 Jahren Erfahrung. Budget: 55k.“
🔹 „Wir bieten ein spannendes Umfeld, aber kein Homeoffice.“
🔹 „Wir hätten dich gern, aber 15% weniger Gehalt als dein Marktwert sind doch fair, oder?“

Und dann wundert man sich, dass der Markt „leer“ ist.
Der Markt ist nicht leer – er ist nur voller Kandidaten, die sich ihren Wert inzwischen kennen.

2. Unternehmen erwarten Flexibilität, bieten aber keine

🔹 Kandidat: „Kann ich remote arbeiten?“
🔹 Unternehmen: „Wir suchen jemanden mit Hands-on-Mentalität, der sich gern im Office einbringt.“
(Übersetzung: Nein.)

🔹 Kandidat: „Wie sieht es mit flexiblen Arbeitszeiten aus?“
🔹 Unternehmen: „Wir leben eine starke Teamkultur mit Kernarbeitszeiten von 9 bis 17 Uhr.“
(Übersetzung: Nein.)

🔹 Kandidat: „Wird das Gehalt regelmäßig angepasst?“
🔹 Unternehmen: „Wir sind ein dynamisches Umfeld, wo du dich kontinuierlich weiterentwickeln kannst.“
(Übersetzung: Auch nein.)

Unternehmen wollen Leute, die mitdenken, sich anpassen, Verantwortung übernehmen
bieten aber im Gegenzug starre Strukturen, veraltete Arbeitsmodelle und Gehaltssteigerungen nach Tarif, wenn überhaupt.

3. Recruiting ist ein Marathon – und Unternehmen joggen rückwärts

Was Bewerber erleben:
🔹 Bewerbung abgeschickt.
🔹 3 Wochen Stille.
🔹 Dann: „Könnten Sie noch einen ausführlichen Fragebogen ausfüllen?“
🔹 2 weitere Wochen Stille.
🔹 Dann: Erstes Gespräch, zweites Gespräch, drittes Gespräch.
🔹 5 Wochen später: „Wir hätten noch einen Case für Sie.“
🔹 Dann: Ghosting oder Absage.

Und dann heißt es: „Der Arbeitsmarkt ist so schwierig.“
Nein. Er ist nur schneller als Ihr Prozess.

4. Arbeitgeber sind nicht mehr das Angebot – sie sind die Nachfrage

Lange Zeit konnten Unternehmen sich aussuchen, wen sie einstellen.
Heute ist es umgekehrt.

Kandidaten wählen.
Sie vergleichen.
Sie wissen, dass sie Optionen haben.

Und sie wissen auch, dass der Wert eines Jobs nicht nur im Gehalt steckt – sondern in Kultur, Benefits, Flexibilität und Entwicklungschancen.

Fazit: Wer Leute sucht, muss liefern.

Fachkräftemangel ist oft hausgemacht.
Es gibt keine leeren Märkte – es gibt nur Unternehmen, die nicht mit der Zeit gehen.

Wer jetzt Talente gewinnen will, braucht:
Marktgerechte Bezahlung.
Flexibilität.
Schnelle, respektvolle Prozesse.
Eine Unternehmenskultur, die Kandidaten nicht nur auf Hochglanzfolien begeistert.

Die große Frage:

Ist der Fachkräftemangel wirklich ein Problem des Marktes – oder einfach nur ein Zeichen dafür, dass Unternehmen in der Realität von 2025 ankommen müssen?

Kommentare

Ika Amonath schreibt über Employer Branding, Recruiting Insider, Personalvermittlung, Job & Karriere

Recruiting und Ika = 🤝 Ika hat nicht nur einen Podcast und schreibt spannende Artikel: Vielmehr vermittelt sie Fach- und Führungskräfte per Direktansprache für verschiedene Branchen, hilft in Fragen zu Personal Branding wie Employer Branding und genießt an ihrem Job, das kein Tag gleich ist.

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