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Daten: Drei Strategien, um mit datenbasierten Services Geld zu verdienen

Mit immer neuen technischen Möglichkeiten der Datenerhebung stellen sich viele Unternehmen die Frage, wie sie mit datenbasierten Services Geld verdienen können. Drei Strategien helfen dabei, Kunden vom Mehrwert zu überzeugen.

Von Tobias Enders und Tobias Brandt

Mit Daten ist es wie mit einem dichten Wald. Je mehr Informationen vorliegen, desto schwerer wird es, seinen Weg zu finden. Hinter jedem Prozess, jeder Transaktion, jedem Kundenprofil verbergen sich neue Daten. Unternehmen stellen sich die Frage: Wohin führen diese Daten? Und wie lassen sich diese in Gewinne umsetzen?

Datenbasierte Services verknüpfen unterschiedliche Datenquellen und Analytics-Verfahren, um Mehrwert für Kundinnen und Kunden zu generieren. Besonders Unternehmen im produzierenden Gewerbe versuchen derzeit, zusätzlich zu den klassischen Produkten ihr Portfolio um Plattformen für datenbasierte Dienstleistungen zu erweitern, um sich so von der Konkurrenz abzuheben. Doch die Kunden reagieren nach wie vor zögerlich.

Wir sind der Frage nachgegangen, welche Strategien Unternehmen nutzen können, um datengetriebene Lösungen erfolgreich am Markt zu platzieren. Bei Dutzenden Interviews in Industrieunternehmen und digitalen Start-ups fragten wir ab, wie datenbasierte Dienstleistungen entwickelt und eingeführt wurden. Zudem haben wir die BASF Digital Farming GmbH, Teil des BASF-Unternehmensbereichs Agricultural Solutions, und zum anderen das Start-up Geospin über mehrere Jahre bei der Entwicklung von Analytics-Diensten begleitet. (Offenlegung: Tobias Enders hat im Rahmen einer Forschungskooperation mit BASF zusammengearbeitet, Tobias Brandt ist einer der Gründer von Geospin.) Dabei haben wir eine Reihe von Erfolgsfaktoren identifiziert.

Datenbasierte Services setzen stark auf eine gemeinsame Wertschöpfung mit dem Kunden. Diese findet nicht in vertikalen Lieferketten statt, sondern in digitalen Ökosystemen, die durch die Integration von Ressourcen (zum Beispiel technische Infrastruktur, Wissen oder Algorithmen) verschiedener Akteure geprägt sind. Oft führt dies zu Unsicherheit und Ablehnung bei potenziellen Kunden.

Diese Reaktion ist verständlich: Unternehmen und Teams müssen bei der Einführung von datenbasierten Services mit bestehenden Strukturen brechen und sich einer neuen Art der Zusammenarbeit öffnen. Viele Unternehmen haben kaum Erfahrung mit solchen Dienstleistungen. Aufgrund dieser Unsicherheit scheuen sie die Anfangsinvestitionen und laufenden Kosten während der Vertragslaufzeit.

Datenbasierte Services sind oft eng mit den Geschäftsprozessen und IT-Systemen der Kunden verzahnt. Das ist mit Risiken verbunden. Wenn der Dienstleister den Service nicht fortlaufend anbieten kann, kann dies negative Auswirkungen auf die Betriebsabläufe haben. Der Kunde begibt sich in eine Abhängigkeit vom Anbieter. Das spielt eine besondere Rolle bei Services von Start-ups. Sollte die Finanzierung wegbrechen oder das junge Unternehmen aufgekauft werden, könnte der Service nur noch in abgewandelter Form angeboten werden oder ganz vom Markt verschwinden. Gleichzeitig trauen viele Kunden auch etablierten Unternehmen, die lange Zeit nur physische Produkte vertrieben haben – zum Beispiel Maschinenbauer –, den Wandel zu einem Anbieter von digitalen Lösungen nicht zu.

Damit Kunden sich auf dieses neue Modell der Zusammenarbeit einlassen, ist es deshalb unerlässlich, dass Anbieter zunächst Vertrauen aufbauen – Vertrauen darin, dass Daten sicher in einem digitalen Ökosystem geteilt werden können; dass der Service einen messbaren Mehrwert bringt; und dass die datenbasierte Dienstleistung sich nicht negativ auf den operativen Betrieb auswirkt. Anbieter von digitalen Services müssen solche Bedenken ihrer Kunden gezielt adressieren.

Um Vertrauen aufzubauen, braucht es Zeit. Wir haben in unserer Forschung drei Strategien identifiziert, die diesen Prozess beschleunigen können:

  1. "Mehrwert zeigen und Erfahrungen kommunizieren" bedeutet, den Kunden langsam an datenbasierte Dienstleistungen heranzuführen, den Mehrwert durch Fallbeispiele hervorzuheben und die gemeinsame Entwicklung in den Vordergrund zu stellen.

  2. "Klein anfangen und gemeinsam wachsen" erfordert, dass der Anbieter die Umsetzbarkeit und Wirkung des Services erst zeigen muss, bevor er die Geschäftsbeziehung ausbauen kann.

  3. "Nutzen und Risiken mit den Kunden teilen" verlangt, dass die Preisgestaltung für den Kunden transparent ist, und eröffnet dem Anbieter die Möglichkeit, neue Umsatzmodelle wie beispielsweise Revenue-Sharing einzuführen.

Mehrwert zeigen und Erfahrungen kommunizieren

Wir konnten in unseren Studien zeigen, dass Kunden oft erst dann bereit sind, für die datenbasierte Dienstleitung zu zahlen, wenn sie den Mehrwert für ihr Unternehmen klar erkennen. Das heißt: Dienstleister müssen viel stärker als sonst diesen Mehrwert benennen, quantifizieren und wenn möglich mit Referenzprojekten anderer Kunden belegen.

Während der Fallstudie bei der BASF Digital Farming GmbH konnten wir die Einführung datenbasierter Services verfolgen. Die BASF-Tochtergesellschaft bietet digitale Lösungen an, mit denen Landwirte höhere Erträge mit weniger Ressourceneinsatz erreichen können. Die wichtigste Lösung nennt sich xarvio Field Manager. Sie nutzt unter anderem historische und aktuelle Satellitendaten, Wetterdaten und digitale Modelle zum Pflanzenwachstum, um zu bestimmen, wo und wann Landwirte welche Mengen an Dünger und Pflanzenschutzmittel ausbringen sollen. Eine App, die sie jederzeit auf ihren Handys aufrufen können, zeigt diese Handlungsempfehlungen auf visuellen Karten ihrer Felder an. Dies kann auch dem Umweltschutz dienen, da sich die Anzahl der nötigen Anwendungen gegebenenfalls basierend auf dem individuellen Zustand des Feldes reduzieren lässt.

BASF Digital Farming ließ die Empfehlungen seiner App frühzeitig auf Versuchsfeldern testen und die Ergebnisse von unabhängigen Experten bewerten. Zudem führte das Unternehmen Feldstudien durch, um Landwirten präzise den durchschnittlichen finanziellen Nutzen nennen zu können. Dafür ließ BASF unter anderem über einen mehrjährigen Zeitraum an 82 unterschiedlichen Standorten untersuchen, wie sich der Einsatz von Fungiziden für Weizen entwickelte – und zwar im Vergleich zu ähnlichen Standorten, an denen der Field Manager nicht zum Einsatz kam.

Geospin hat inzwischen alle Dienste in ein Webportal übertragen, in dem sich Kunden Analysen auf der Basis von Geodaten nach Bedarf hinzubuchen können.

Das Ergebnis, mit dem BASF Digital Farming heute auch auf der Website wirbt, war, dass 30 Prozent weniger Fungizide nötig waren und der Deckungsbeitrag um 19 bis 32 Euro pro Hektar stieg. Einen solchen Mehrwert klar benennen zu können hat wesentlich dazu beigetragen, Kunden zu gewinnen.

Wichtig war auch der Datenschutz: Die erhobenen Daten werden in einer Cloudumgebung gespeichert, wobei personenbezogene Daten immer Eigentum der Landwirte bleiben. Heute kommt die Lösung bei mehr als 60.000 Landwirten weltweit zum Einsatz. Sie nutzen die App, um eine Gesamtfläche von mehr als sieben Millionen Hektar zu bewirtschaften.

Klein anfangen und gemeinsam wachsen

Viele Kunden fürchten, die Einführung von datenbasierten Services könnte sich negativ auf ihre operativen Prozesse auswirken. Wenn diese zum Beispiel mit der Produktion verknüpft sind, könnte ein Ausfall zu Verzögerung oder zum Stillstand führen. Daher ist es ratsam, mit Anwendungsfällen zu starten, die wenig Risiko bedeuten, selbst wenn der Mehrwert eher klein ist. Ein modulares Design der Dienstleistung erlaubt es dann, flexibel neue Funktionen (Plug-and-Play) hinzuzufügen. Mit wachsendem Vertrauen, so hat unsere Forschung gezeigt, buchen Kunden häufig mit der Zeit mehr Funktionen hinzu.

Ein Beispiel dafür ist Geospin, eine Ausgründung der Universität Freiburg. Geospin ist auf die Wertschöpfung aus Geodaten spezialisiert und nutzt dafür Verfahren des maschinellen Lernens. Eine der ersten Dienstleistungen des Start-ups konzentrierte sich darauf, Unternehmen bei der Planung einer Ladeinfrastruktur für Elektromobilität zu unterstützen. In diesem Bereich werden in den kommenden Jahren Investitionen im Milliardenbereich notwendig sein. Die Herausforderung: Die Ladestationen müssen so im Stadtgebiet verteilt werden, dass sie für die Besitzer von Elektrofahrzeugen den maximalen Nutzen erzeugen. In der universitären Forschung hatte das Geospin-Team dazu bereits einen Algorithmus entwickelt.

BASF Digital Farming ließ die Empfehlungen seiner App frühzeitig auf Versuchsfeldern testen und die Ergebnisse von unabhängigen Experten bewerten.

Klein anfangen und gemeinsam wachsen bedeutete im Fall von Geospin, im ersten Schritt ein Pilotprojekt als Proof-of-Concept durchzuführen. Dazu konnte Geospin eine Partnerschaft mit der Thüga-Gruppe eingehen, die rund 100 Stadtwerke in Deutschland vertritt. Die wichtigsten Erkenntnisse seiner Analysen – die erwartete Auslastung der Stationen im Stadtgebiet und empfohlene Standorte für Ladesäulen – fasste Geospin zunächst in einem einfachen PDF für die Kunden zusammen.

Einige Kunden setzten die Erkenntnisse direkt um und bauten an den empfohlenen Standorten Ladestationen auf. Nach positiven Rückmeldungen, etwa der ESWE Versorgungs AG aus Wiesbaden und Energieversorgern aus Frankfurt am Main und Schwerin, setzen sich die Partner zusammen, um zu erörtern, wie sich die Analysesoftware von Geospin noch nutzen ließe. Daraus entstanden Ideen für neue Dienstleistungen – beispielsweise ein Angebot, mit dem Energiedienstleister die besten Standorte für Fotovoltaikanlagen bestimmen können. Mit diesem Argument können ihre Vertriebsmitarbeiter auf potenzielle Kunden zugehen, die besonders stark von Solaranlagen profitieren würden. Eine andere Anwendung stellt Immobilienbewertungen wie Miet- und Kaufpreise für Wohn- oder Bürogebäude auf einer Karte farblich dar.

Geospin hat inzwischen alle Dienste in ein Webportal übertragen, in dem sich Kunden derartige Analysen auf der Basis von Geodaten nach Bedarf hinzubuchen können. 2018 stieg die Thüga als Investor ein, um die Entwicklung von Smart-City-Dienstleistungen voranzutreiben. 2020 folgte die vollständige Übernahme des Start-ups durch die Thüga-Gruppe.

Das über Jahre gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Unternehmen spielte eine wichtige Rolle für diese Entwicklung. Ohne sie hätte Geospin nicht die Investitionen in die Software aufbringen können, die für die Entwicklung seiner datenbasierten Dienstleistungen nötig waren.

Nutzen und Risiken mit den Kunden teilen

Das am weitesten verbreitete Preismodell für datenbasierte Services ist ein Abomodell, bei dem der Kunde einen festen Betrag zahlt, unabhängig von der Häufigkeit der Nutzung. Unsere Studie zeigt, dass dieses Modell zwar hilft, Transparenz herzustellen und die Kosten für den Kunden planbar zu machen; es leistet aufgrund der geringen Verflechtung mit dem Anbieter aber nur einen begrenzten Beitrag, um das Vertrauen nachhaltig zu stärken.

Die Entwicklung komplexer datenbasierter Services mit mehreren Partnern erfordert ein neues Vorgehen. "Risk-Gain-Sharing"-Modelle erlauben, dass der Anbieter einen Teil des Risikos übernimmt und der Kunde nur für den tatsächlich erwirtschafteten Mehrwert zahlt. BASF Digital Farming entschied sich, das finanzielle Risiko beim Einsatz seiner Lösung Healthy Fields zwischen dem Unternehmen und dem Landwirt aufzuteilen. Basierend auf agronomischen und ortsbezogenen Informationen, die der Landwirt in seine App einträgt, schlägt die Software eine maßgeschneiderte, feld- und saisonspezifische Pflanzenschutzstrategie für Winterweizen oder Gerste vor. Diese soll Felder frei von Pilzbefall halten und enthält beispielsweise Beratung zum optimalen Anwendungszeitpunkt und zur Dosierung von Pflanzenschutzmitteln.

Wenn der Landwirt der vorgeschlagenen Strategie zustimmt, garantiert der Anbieter zum Ende der Anbausaison einen bestimmten Ertrag; die Berechnung basiert auf den zuvor eingegebenen Daten. Diese werden, wie die Daten zum Pflanzenwachstum, Wettervorhersagen und Krankheitsrisiken, vom Live-Algorithmus der App analysiert. Sollte die Ernte am Ende der Anbausaison geringer ausfallen, erhält der Landwirt eine finanzielle Entschädigung. Diese Lösung stellt auch die gesetzeskonforme Dokumentation aller Schritte sicher.

Fazit

Das Angebot von datenbasierten Dienstleistungen wird in den nächsten Jahren wachsen und neue Wertschöpfungschancen eröffnen. Der Aufbau von Vertrauen ist der entscheidende Erfolgsfaktor. Managerinnen und Managern muss klar sein, dass sich dies nicht über Nacht herstellen lässt.

Digitale Ökosysteme sind Partnerschaften. Wer das Potenzial datenbasierter Services heben will, sollte die Partner nicht nur am Risiko beteiligen, sondern von Anfang an auch den Erfolg aller im Blick haben. © HBm 2022

Die Autoren

Tobias Enders ist Senior Innovation Manager bei der vent.io GmbH in Frankfurt am Main. Zuvor arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am KIT in Karlsruhe und forschte zu den Themen Data Monetization, Digital Ecosystems und Open Data. Im Rahmen einer Forschungskooperation hat er zusammen mit BASF an verschiedenen Digitalisierungsprojekten gearbeitet.

Tobias Brandt ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Münster, wo er unter anderem Digitalisierungsprozesse an der Schnittstelle zwischen öffentlichem und privatem Sektor erforscht und im Start-up-Center REACH der Universität mitwirkt. Er ist außerdem Mitgründer des Softwareunternehmens Geospin.

Kompakt

Das Problem Wer datenbasierte Dienstleistungen anbietet, muss Kunden zu einer neuen Form der Zusammenarbeit bewegen. Solche Services funktionieren nur, wenn sie eng mit den Geschäftsprozessen und IT-Systemen der Kunden verzahnt sind. Doch das führt zu Abhängigkeit und schreckt viele potenzielle Kunden ab.

Die Lösung Kunden lassen sich auf die Zusammenarbeit ein, wenn der Anbieter drei Strategien befolgt: Er zeigt den Mehrwert auf und kommuniziert Erfahrungen; beginnt mit kleinen Pilotprojekten und baut die Zusammenarbeit dann aus; und teilt sowohl den Nutzen als auch die Risiken des Geschäfts mit den Kunden.

Dieser Artikel erschien in der Februar-Ausgabe 2022 des Harvard Business managers.

Daten: Drei Strategien, um mit datenbasierten Services Geld zu verdienen

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