Die acht wichtigsten Trends im Gesundheitswesen
Weltweit sind unsere Gesundheitssysteme enorm unter Druck geraten, noch verstärkt durch Covid-19, die wachsende Weltbevölkerung, eine längere Lebenserwartung und die Zunahme von lebensstilbedingten Erkrankungen, ganz zu schweigen vom globalen Mangel an medizinischen Fachkräften – eine Personallücke, die sich bis 2030 auf 9,9 Millionen vergrößern könnte. Und wir können uns glücklich schätzen, überhaupt Zugang zu einer adäquaten Gesundheitsversorgung zu haben. Fakt ist, dass sie oft sogar für manche Bewohner der reichen, hochentwickelten Länder unerschwinglich und unerreichbar ist.
Unter dem Strich wurden unsere Gesundheitssysteme für eine andere Zeit entwickelt – eine Zeit, in der die Lebenserwartung nicht annähernd so hoch war wie heute, in der chronische Erkrankungen seltener waren und es keine intelligenten Technologien gab, die ein leistungsfähiges Gesundheitswesen zu unterstützen vermochten. Die Welt und die Technologie haben sich gleichermaßen weiterentwickelt. Heute zeichnen sich acht Schlüsseltrends ab, die sich prägend auf die Gesundheitssysteme der Zukunft auswirken könnten.
1. Trend: Präventivmedizin
Dank Big Data und Künstlicher Intelligenz (KI) ist das Gesundheitswesen in der Lage, vom reaktiven Modell der Vergangenheit abzurücken (Wenn sich jemand krank fühlte, waren die Ärzte bestrebt, eine Diagnose zu stellen und das Problem zu beseitigen, oft nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip) und sich einem System zuzuwenden, das wesentlich bessere Prognose- und Präventionsmöglichkeiten bietet.
Die Technologie kann das Risiko der medizinischen Präventivmaßnahmen (gleich ob bei physischen oder psychischen Erkrankungen) reduzieren. Forscher haben Künstliche Intelligenz genutzt, um unter anderem die Wahrscheinlichkeit einer Opioid-Abhängigkeit, einer schweren Sepsis oder die Wiederaufnahmerate nach einer Krankenhausentlassung vorherzusagen.
2. Trend: Demokratisierte Gesundheitsversorgung
Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Und selbst in hochentwickelten Ländern wie Amerika beläuft sich der Anteil der Bevölkerung ohne Krankenversicherung auf mehr als 10%. Doch inzwischen trägt die Technologie dazu bei, dass sich Menschen in aller Welt kostenlos oder gegen geringe Gebühren in eigener Regie um ihre Gesundheit kümmern können.
Das geschieht vornehmlich über Apps, Chatbots und Wearables, Computer, die man am Körper trägt und dem Erhalt der Gesundheit dienen. Ein Beispiel ist die WebMD`s Pain Coach App, die den Nutzern ermöglicht, ihr subjektives Schmerzniveau zu messen und zu überwachen, potenzielle Schmerzauslöser aufzuspüren und Schmerzen besser in den Griff zu bekommen. Außerdem befindet sich die Telemedizin auf dem Vormarsch: Hier können Parienten virtuell Gesundheitsexperten konsultieren.
3. Trend: Personalisierte Präzisionsmedizin
Mit zunehmender Prognostizierbarkeit im Gesundheitswesen und stärkerer Nutzung digitaler Lösungen wird es leichter, eine personalisierte Präzisionsmedizin zu etablieren. Hier werden die persönlichen Gesundheitsindikatoren eines Patienten überwacht, Beschwerden im Voraus ermittelt und maßgeschneiderte Verordnungen sowie Vorsorgemaßnahmen dem individuellen Krankheitsbild angepasst. Orlando Health, ein gemeinnütziges Netzwerk von Krankenhäusern in den USA, verwendet beispielsweise Patientendaten, um frischgebackene Mütter regelmäßig mit personalisierten Informationen zu versorgen. Auch dieser Trend wird weitgehend von KI und Daten getrieben.
4. Trend: Digitalisiertes Gesundheitswesen
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens auf breiter Front (beispielsweise digitalisierte Gesundheitsdaten) erleichtert einen erweiterten Fernzugang zur Gesundheitsversorgung. Das gilt besonders für die Telemedizin – die Diagnose und Behandlung von Patienten mittels Kommunikationsplattformen und Tools. Natürlich hat COVId-19 diesen Trend erheblich beschleunigt. Im April 2020 fanden in den USA 43,5 Prozent der primären ärztlichen Konsultationen per Videosprechstunde statt, verglichen mit 0,1 Prozent im Februar 2020.
Andere Technologielösungen werden in Zukunft ebenfalls eine signifikante Rolle im Gesundheitswesen spielen. Ein anschauliches Beispiel ist Maplewood Senior Living in Connecticut, eine Dienst- und Hilfsorganisation für Menschen mit Behinderung; die Heimbewohner haben dort Zugriff auf Virtual-Reality-Headsets, die virtuelle Reisen an fremde Orte ermöglichen, das allgemeine Wohlbefinden verbessern und sogar verschüttete Erinnerungen freisetzen können.
5. Trend: Biohacking, oder die Optimierung des menschlichen Körpers
Dieser Trend schließt nicht nur Genomik und Genom-Editierung ein, sondern auch die schier unglaublichen Fortschritte in der Prothetik und die Herstellung wichtiger Körperteile und Organe im Labor. Dazu gehört außerdem eine breiter gefächerte „Do-it-yourself-Biologie“, die sich auf den menschlichen Körper fokussiert. Daraus hat sich eine ganze Industrie entwickelt, die verspricht, mit ihren Erfolgsrezepten die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit zu steigern und den Alterungsprozess aufzuhalten.
Ein extremes Beispiel ist der Lifestyle-Guru Dave Asprey, Gründer der Multimillionen-Dollar-Kaffeemarke Bulletproof, der mit Hilfe seines Ernährungs- und Fitnessprogramms „180 Jahre alt werden und wie 27 aussehen möchte“. Um dieses Ziel zu erreichen, ließ er sich von einem Arzt Stammzellen aus dem Knochenmark entnehmen und in jedes Gelenk seines Körpers injizieren.
6. Trend: Roboter und Nanobots
Robotik und Nanotechnologie werden im Gesundheitssektor der Zukunft vermutlich eine wesentlich größere Rolle spielen, angefangen von den Robotern, die jetzt schon im Gesundheitsumfeld eingesetzt werden, bis hin zu den Roboter-Exoskeletten, auch Roboteranzüge genannt, die querschnittsgelähmte Patienten bei der Mobilisierung unterstützen, oder den mikroskopisch kleinen Nanorobotern, die in den Körper implantiert werden.
Die Nanotechnologie könnte beispielsweise bei der gezielten Zuführung von Medikamenten eine Schlüsselrolle einnehmen; die Nanobots wären imstande, selbstständig die winzigen individuellen Zellen anzusteuern und Arzneien nur an der Stelle des Körpers zu verabreichen, wo es notwendig ist (was die Dosierung und Nebenwirkungen verringert). Ein Beispiel ist das Washington University Center for Multiple Myeloma Nanotherapie, das mit Hilfe der Nanotechnologie nach wirksameren und zuträglicheren Behandlungsmethoden sucht. Das multiple Myelom ist eine bösartige Tumorerkrankung, eine Form des Knochenmarkkrebses, auf dessen Erforschung sich das Center fokussiert.
7. Trend: Datafizierung
Sie haben vermutlich schon vom Internet der Dinge (IoT) gehört. Dank der zunehmenden Verbreitung von Wearables und Medizinischen Apps haben wir nun auch das Internet der medizinischen Dinge (IoMT) – ein Markt, der bis 2027 mit mehr als 85 Milliarden US-Dollar veranschlagt wird. Die vom IoMT übermittelten Daten sind Schlüsseltreiber der Bestrebungen, eine präventive, proaktive und personalisierte Medizin zu entwickeln. Mit anderen Worten, die Daten werden viele der Veränderungen befeuern, die uns im Gesundheitssektor bevorstehen.
8. Trend: Medizin in dem Metaverse
Das Gesundheitswesen wird sich mehr und mehr in die virtuelle Welt des Metaverse ausbreiten. Heute schon werden VR-Headsets verwendet, um Ärzte und Chirurgen zu schulen, damit sie sich eingehend mit der Funktionsweise des menschlichen Körpers vertraut machen können, ohne Patienten zu gefährden oder eine Versorgung mit medizinischen Leichen zu benötigen.
VR wird auch schon in der Behandlung eingesetzt, wie zum Beispiel um die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) zu erleichtern und um bei chronischen Schmerzen, Angstzuständen und sogar Schizophrenie zu helfen.
Die Zahl der Anwendungen für Augmented Reality (AR) im Gesundheitswesen wird auch weiter zunehmen. Das AccuVein-System beispielsweise soll es Ärzten und Pflegekräften erleichtern, Venen zu lokalisieren.
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