Die Klima- und Nachhaltigkeitsziele vieler Unternehmen sind in Gefahr – was jetzt zu tun ist
So verpflichtet sie EU-Taxonomie-Verordnung, Nachhaltigkeitsrisiken in ihr Risikomanagement zu integrieren. Hintergrund ist der im Jahr 2019 ausgerufene European Green Deal, der das Ziel hat, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Die im November 2022 verabschiedete Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ändert Umfang und Art der Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen tiefgreifend. Damit wächst auch der Kreis der Unternehmen, die einen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen müssen: Die Richtlinie betrifft in der gesamten EU etwa 50.000 Unternehmen (15.000 in Deutschland), die an einem EU-regulierten Markt notiert sind. Kleinstunternehmen bilden eine Ausnahme. Zudem gilt die Richtlinie für alle nicht-kapitalmarktorientieren Unternehmen, wenn sie zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen:
Die Bilanzsumme ist größer als 20 Millionen Euro.
Die Nettoumsatzerlöse übersteigen 40 Millionen Euro.
Das Unternehmen beschäftigt mehr als 250 Personen.
Die CSRD überschneidet sich dabei z. B. mit der Corporate Due Diligence Directive (CS3D) oder der Entwaldungsverordnung (EUDR) in Bezug auf die Kennzahlen. Ein großes Hindernis ist allerdings die Bürokratie und Schwerfälligkeit einiger (Traditions-)Unternehmen. Es braucht mehr Transparenz und Beweglichkeit, um sich vom Mief der Vergangenheit zu entfernen. Die symbolische Öffnung des Fensters steht für das Hereinlassen und Durchziehen der neuen Welt – und weckt die Hoffnung auf eine andere Zukunft mit frischem Wind. Nur so kommt Nachhaltigkeit in jede Abteilung. Wenn sich Unternehmen aktuellen Entwicklungen gegenüber abschotten und weiter kommunizieren, dass sie per se nachhaltig sind, weil es sie seit Generationen gibt, werden sie in ihrer verbrauchten Luft bald nicht mehr atmen können. Auch wird es nicht mehr lange möglich sein, mit „Klimaneutralität“ (die nur auf Kompensationszahlungen basiert) zu werben, denn das Greenwashing fällt heute viel mehr auf als noch vor einigen Jahren. Meistens handelt es sich um Unternehmen, die zudem keine identifizierbaren Verantwortlichen haben, weil die Verantwortung organisatorisch so aufgestellt ist, dass kaum eine Person Verantwortung trägt. Bekenntnisse der Geschäftsführer zum Thema reichen nicht aus – schon gar nicht, wenn es organisatorisch an die Marketingabteilung angegliedert ist.
Es ist dringlich, dass auch diese Unternehmen jetzt Maßnahmen ergreifen, um ihre ESG-Mess- und Managementfähigkeiten zu verbessern. Für die Regulatorik und eine zukunftssichere Ausrichtung werden vor allem Daten (hauptsächlich Scope 3), Hot Spot Analysen sowie und der Aufbau eines Operating Models mit einer intelligenten IT-Struktur für sämtliche nachhaltigkeitsrelevante Unternehmensbereiche (F&E, Strategie, Finanzen/Risikomanagement, Nachhaltigkeit und Gesellschaftspolitik, IT, Marketing, Personal, Beschaffung, Kommunikation, interne Revision etc.) benötigt. Leider fehlt es häufig an geeigneten IT-Tools bzw. passenden Technologien für das Zusammenstellen und die Zusammenarbeit bei ESG-Daten sowie für deren Validierung auf Genauigkeit und die Zuordnung von Angaben zu Vorschriften und Rahmenstandards. Altsysteme behindern moderne IT-Lösungen, die nicht kompatibel sind.
Diese Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsziele der Unternehmen: So gaben 88 Prozent der Befragten der Studie "Drivers of Change: Meeting the Energy and Data Challenges of AI Adoption", die von Pure Storage in Zusammenarbeit mit Wakefield Research durchgeführt wurde, zu Protokoll, dass sie ihre ESG-Ziele infolge der Aufrüstung ihrer IT-Infrastruktur im Zusammenhang mit der KI-Einführung schwieriger erreichen werden. Allerdings bekundeten 67 Prozent derjenigen, die bereits KI-Technologien eingeführt haben auch, dass sie in energieeffizientere Hardware investiert hätten oder investieren werden, um die ESG-Ziele zu erreichen.
Wichtige Akronyme und EU-Direktive im Kontext des Green Deal: Was bedeuten CS3D, CSRD, SFDR?
Aktuelles zur EU-Taxonomie-Verordnung: Was Unternehmen wissen sollten
CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag. 2. Auflage. Berlin Heidelberg 2021.
Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.