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Erstellt mit Hilfe der KI DALL·E

Die Stellenanzeige: Wann macht eine Bewerbung Sinn?

Du bist Berufseinsteiger*in und wirst von den Anforderungen in Stellenanzeigen häufig abgeschreckt? Dann geht es dir so wie vielen anderen Bewerbern. Wann es trotz hoher Anforderungen Sinn macht, sich zu bewerben, erfährst du in diesem Beitrag.

Die Geschichte vom Dosenöffner

Maik K. ist frustriert. Er möchte nach Süddeutschland ziehen und sucht dort eine Stelle im Bereich Kommunikation. Trotz seines Studiums (Politikwissenschaft) und einer anschließenden Weiterbildung (u. a. Social Media und Online-Redaktion) findet er keinen Job. Da er seine Kontakte im Ruhrgebiet hat, bewirbt er sich über Online-Stellenbörsen, erhält jedoch nur Absagen. Deshalb entscheidet er sich, etwas Neues auszuprobieren und geht bei seinem Anschreiben volles Risiko:

„Sehr geehrte Frau xxx, zurzeit arbeite ich als Dosenöffner-Personal für meinen Kater. Dank Ihrer Stellenausschreibung als Corporate Communication Expert wird es endlich Zeit für eine berufliche Neuorientierung. (…) Ja, ich habe zu wenig Berufserfahrung als Corporate Communication Expert. Das gebe ich zu. Dafür habe ich schon mal einen Hashtag auf Twitter zum Trenden gebracht und einem Unternehmen geholfen, nach der DIN 9001 beim TÜV eine Wiederzertifizierung zu erreichen.“ Das Anschreiben selbst wirkt wie ein „Dosenöffner“. Maiks Mut wird belohnt, und er wird zum Vorstellungsgespräch eingeladen, obwohl er sich als Berufseinsteiger auf eine Senior-Stelle beworben hat. Man hat ihn allein „wegen des ersten Satzes“ eingeladen, aber er wird gefragt, ob er wisse, auf welche Stelle er sich beworben habe. Wenn man rein nach der prozentualen Übereinstimmung geht, erfüllt Maik wahrscheinlich nicht einmal 50% der Anforderungen. Doch Maik überzeugt im Gespräch und bekommt die Stelle.

Diese Geschichte ist tatsächlich so passiert, zählt aber (leider) eher zu den Ausnahmen. Ein Ingenieur würde mit einem solchen Anschreiben für eine Stelle als Konstrukteur vermutlich weniger punkten. Wahrscheinlich würde das Anschreiben nicht einmal gelesen werden, wenn der Lebenslauf nicht bereits die erforderlichen Fakten für die ausgeschriebene Position aufweist. Denn nach diesem Muster funktioniert in der Regel das Spiel auf den Stellenbörsen: Je besser die Bewerber*innen auf die Anforderungen in Stellenanzeigen passen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.

Die Stellenanzeige: Was Unternehmen (glauben zu) wollen

Was in der Theorie simpel klingt, ist in der Praxis für Bewerber*innen jedoch häufig komplizierter. So gibt es zu besetzende Positionen, bei denen dem Unternehmen die Anforderungen an die zu besetzenden Stelle selbst gar nicht genau bewusst sind. Das mag absurd klingen, ist jedoch leider Realität. So ist es zum Beispiel verstärkt bei Stellen in Verbindung mit digitalen Themen (Online-Marketing, Social Media, Agile etc.). Das führt dazu, dass Unternehmen oft die bekannte „eierlegende Wollmilchsau“ ausschreiben oder beim Verfassen von Stellenanzeigen sogar beim Wettbewerb kopieren. Laut einer Stellenanzeige-Studie die HR-Experte Henner Knabenreich untersucht hat, waren dies sogar über 50% (!) der Unternehmen. Wenn also einige Betriebe selbst nicht wissen, was sie genau suchen, wie sollst du dann einschätzen können, ob du zu der Stelle passt? Grundsätzlich solltest du dich nicht von den oft umfangreichen Anforderungen in Stellenanzeigen abschrecken lassen.

Anforderungen in Stellenanzeigen: Die Frage nach der Passung

Doch was ist mit den Stellen, in denen die Anforderungen den Arbeitgebern sehr bewusst sind? Gibt es da eine prozentuale Passung, an der du dich als Bewerber*in orientieren kannst? Die Meinungen der Expert*innen schwanken da stark von „50% Passung oder weniger“ bis zu „mindestens 80% Passung“.

Ich habe in meinem Netzwerk bei Personaler*innen, Karriereexpert*innen und erfolgreichen Bewerbern nachgefragt. Immerhin 46 Rückmeldungen gab es mit folgenden Ergebnis:

  • 35% stimmten dafür, dass mindestens 80% der Anforderungen erfüllt sein müssen,

  • 48% reichten 50% Passung,

  • 4% gar nur 30% und

  • immerhin 13% stimmten dafür, sich unabhängig von den Anforderungen zu bewerben.

Die entspricht dem Ergebnis einer groß angelegten Studie der Recruitingagentur Talent Works, über die der Business Insider berichtete. Hier reichten 50% Übereinstimmung bei über 6.000 Stellenanzeigen und Bewerbungen aus 118 Branchen. Doch wann habe ich als Bewerber*in die 50% Passung erreicht? So einfach lässt sich das gar nicht beantworten. Man kann sich zwar ein Stück weit an „Muss“- und „Kann“-Anforderungen orientieren (woran man diese erkennt, dazu gleich), dies setzt jedoch voraus, dass das suchende Unternehmen sich über die Anforderungen seiner Stelle auch wirklich im Klaren ist. Zudem setzen viele Arbeitgeber in Stellenanzeigen die Anforderungen bewusst etwas höher, um den perfekten Kandidaten zu bekommen. So kann es vorkommen, dass von einem Vertriebler langjährige Produkterfahrung verlangt wird, dieser jedoch bereits unterschiedlichste Produkte verkauft hat und sich schnell in neue Themen einarbeiten kann. Beliebt ist auch die Forderung von bestimmten Software-Kenntnissen, die sich IT-affine Menschen wiederum schnell aneignen können. Im Zweifel lohnt es sich, zum Hörer zu greifen und beim Unternehmen nachzufragen, welche Kenntnisse unabdingbar sind.

Berufseinstieg und Berufswechsel – wenn die Passung auf Stellenanforderungen gering ist

Was ist aber, wenn ich als Bewerber*in ihren Empfinden nach nicht mal annähernd 50% der Stellenanforderungen erfülle? Diese Frage wirst du dir als Berufseinsteiger*innen oder Berufswechsler*innen stellen. Stellenportale wie Stepstone, Monster und Co. sind nicht auf branchen- oder fachfremde Bewerber*innen ausgerichtet. Du kennst den Teufelskreis „Ich habe keine Berufserfahrung, also bekomme ich keinen Job – ich bekomme keinen Job, also fehlt mir die Berufserfahrung“. Meine Kollegin Helene Thiessen aus unserem Team berät seit vielen Jahren Arbeitssuchende im Bewerbungsprozess. Ihrer Erfahrung nach können sogar manchmal 30% Passung bei der Bewerbung reichen. Wie kommt sie auf diese Zahl? „Viele unserer Teilnehmer*innen machen bei uns ja eine Weiterbildung um sich beruflich neu zu orientieren oder als Hochschulabsolvent*in den Berufseinstieg zu schaffen. Sie bringen häufig die geforderte Berufserfahrung nicht mit, gleichen diese jedoch durch die Weiterbildungen aus. Ich ermutige sie dann sich zu bewerben, was häufig auch zum Erfolg führt“, so Helene Thiessen. Nun absolviert nicht jeder Bewerber eine Weiterbildung, aber es gibt mit Sicherheit viele andere ausgleichenden Faktoren. Viele Unternehmen schauen bei einer Bewerbung nicht nur auf die fachlichen Aspekte, sondern auch ob der Mensch zum Unternehmen passt. Hier kann man in der Bewerbung punkten. Wie gut passen deine Werte, deine Arbeitsweise, dein „Mindset“ zum Arbeitgeber? Welche Übereinstimmung findest du auf der Unternehmensseite? Was wird in Kununu geschrieben, in XING? Gibt es vielleicht eine andere Stelle, die das Unternehmen ausschreibt und die passen könnte? Gerade bei Unternehmen die mehrere Stellen ausschreiben erleben wir immer wieder, dass Bewerber*innen trotz geringer Übereinstimmung mit der eigentlichen Stelle zum Gespräch eingeladen werden.

Voraussetzung dafür ist, die grundsätzliche Passung zum Unternehmen in der Bewerbung zeigen zu können. Es wird dann geschaut, auf welche Stelle man alternativ passt, oder es wird sogar eine neue Stelle geschaffen.

3 Tipps für die Bewerbung auf Stellenanzeigen

Nicht nur die Stellenanforderungen, sondern auch die Passung zum Unternehmen im Blick haben – im Prinzip lohnt sich dies für alle Bewerber*innen – ob Berufseinsteiger*innen, Quereinsteiger*innen, Professionals oder erfahrene Führungskräfte. Drei ergänzende Tipps haben wir für Ihre Bewerbung auf Stellenanzeigen: 1) "Unterscheide zwischen Muss- und Kann-Anforderungen" Wie bereits erwähnt, sollte man in einer Stellenanzeige „Muss-“ und „Kann-“Anforderungen unterscheiden. „Oft stellt schon die Reihenfolge der Anforderungen an Bewerber eine Hierarchie dar: Was oben steht, sollten Sie unbedingt erfüllen, was weiter unten steht, ist wünschenswert, aber kein Muss,“ ist in der Karrierebibel nachzulesen. Muss-Anforderungen erkennt man demnach an Formulierungen, wie „vorausgesetzt werden…“, „…sind erforderlich“, „…mindestens…“ Je weniger diese Anforderungen erfüllt werden, desto geringer die Bewerbungschancen. „Kann“-Anforderungen („idealerweise“, „wünschenswert sind…“, etc.) bieten nur einen geringen Ausgleich zu „Muss“-Anforderungen, sind aber ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Bewerber*innen. 2) "Lass dich nicht von Stellentiteln ablenken" Dieser Tipp stammt vom Wissenschaftsladen Bonn. Jobbeschreibungen wie der „Desk Officer for Digital Media“ oder der „Director of Excecutive Education“ sind Folge der Digitalisierung und Internationalisierung des Arbeitsmarktes und für Bewerber*innen häufig unverständlich. Sie sollten den ersten Blick auf die Aufgaben werfen und ob diese für Sie passen, danach auf die vom Unternehmen gewünschten Qualifikationen schauen. Auch hier wird eine Passung von circa 50% empfohlen. Passt dann noch das Unternehmen mit seinem Produkt, Thema und der Branche, soll man sich unabhängig vom Jobtitel bewerben. 3) "Sei mutig und zeige Haltung" Karriereexperte Dr. Bernd Slaghuis sagt folgendes zur Passung auf Stellenanzeigen: „Ich finde die Orientierung an Prozenten für Bewerber schwierig. Ich sage meinen KlientInnen: Sieh dir die Aufgabe an und versetze dich in diese Funktion/Rolle … traust du sie dir nach etwas Einarbeitung selbst zu? Wenn ja, dann bewirb dich – unabhängig davon, was gefordert wird.“ Bewerber*innen sollen Mut zeigen. In einem Blogbeitrag ergänzt Slaghuis „Doch klar ist: Je weniger Du die genannten Anforderungen erfüllst, umso mehr Klarheit und Kante benötigt Deine Bewerbung.“ Eine leichte Dosis mehr an ehrlicher Klarheit im Anschreiben und Lebenslauf, gepaart mit der richtigen Haltung führe seiner Erfahrung nach regelmäßig dazu, dass seine Kund*innen regelmäßig häufiger und schneller zu Gesprächen eingeladen werden.

Die Bewerbung auf die Stellenanzeige – Was am Ende zählt

Wann lohnt sich nun die Bewerbung auf eine Stellenanzeige? Willst du dich an Prozenten orientieren, dann reichen tendenziell 50 Prozent Übereinstimmung mit den Stellenanforderungen. Doch wer entscheidet, ob du zu 50 Prozent passt? Das Unternehmen oder du? Im Endeffekt zählt, wie sehr du eine Stelle willst, bzw. wie groß dein Interesse an dem Unternehmen ist. Wenn du unsicher bist, wie gut du zur Stelle passt, dann frage nach oder bewerbe dich im Zweifel. Zeige in deiner Bewerbung „Klarheit und Kante“, so wie Maik K. im Beispiel zu Beginn des Artikels. Er ging offen damit um, dass er zu wenig Berufserfahrung für die Stelle hat und wurde trotzdem eingeladen. Ob du vorher zum Hörer greifst oder dich einfach bewirbst – auch dein Mut wird am Ende belohnt, also traue dich!

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Martin Salwiczek schreibt über Job & Karriere, Bildungswesen

Karriereexperte mit dem Fokus auf Berufseinsteiger:innen und Hochschulabsolvent:innen. Über 15 Jahre Erfahrung als Berater | Coach | Trainer | Lehrbeauftragter | Personalentwickler.

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