Die Weisheit der Häuptlinge
Was ist uns heilig?
Niemandem von uns würde es einfallen, regelmäßig in sein Wohnzimmer zu „kacken“, weil es uns heilig ist. Nach dem Motto „my home is my castle“ wollen wir diesen geschlossenen Raum nur für uns sauber halten, sagt Dr. Eckart von Hirschhausen, den die meisten als Komiker, Autor und Moderator kennen. Seit zwei Jahren widmet er sich dem Thema Klimawandel. Er fragt, warum wir Menschen, „die wir uns für so intelligent halten, das, was uns heilig ist, nämlich unser Zuhause“, zerstören.
Vieles von dem, was Eckart von Hirschhausen beschäftigt und heute Gegenstand öffentlicher Debatten und wissenschaftlicher Untersuchungen ist, wurde vor über hundert Jahren von Indianern, die nicht lesen und schreiben konnten, bereits erkannt. So ist von Häuptling Sitting Bull folgende Aussage aus dem Jahr 1866 überliefert: „Sie beschmutzen unsere Mutter (die Erde) mit ihren Gebäuden und ihrem Abfall. Sie zwingen unsere Mutter, zur Unzeit zu gebären. Und wenn sie keine Frucht mehr trägt, geben sie ihr Medizin, damit sie aufs Neue gebären soll. Was sie tun, ist nicht heilig.“
Die Botschaft der ursprünglichen Einwohner Nordamerikas und ihrer Häuptlinge, darunter Seattle, Sitting Bull, Black Hawk, Chief Joseph, ist hochaktuell: Der Schöpfung sollte mit Ehrfurcht begegnet werden. Nach ihrer endgültigen Unterwerfung durch die weißen Eroberer beschworen die legendären Indianerhäuptlinge ein letztes Mal in bewegenden Reden die visionäre Weisheit ihrer untergehenden Kultur. So sprechen sie von ihren Erfahrungen mit weißen Siedlern und Soldaten: „Der weiße Mann aber reißt riesige Flächen des Bodens auf, zieht tiefe Gräben, holzt Wälder ab und verändert das ganze Gesicht der Erde“, sagt der Medizinmann Smohalla, Wanapum-Schamane vom Columbia River, der als bedeutendsten religiösen Führer der nordamerikanischen Indianer gilt, im Jahr 1890.
Ganzheitliches Leben trotz materieller Not
Die Fähigkeit, äußere Unsicherheiten in den Zustand einer nach innen gerichteten Sicherheit zu verwandeln, zeichnete die amerikanischen Ureinwohner aus, die schon John Collier in seiner Studie „Indians of gehe Americas“ (1947) beschrieben hat: Der Indianer hatte das Ziel, ein ganzheitliches Leben trotz materieller Not zu führen. Was wir von ihnen lernen können sind emotionale Zugänge, die ein Umdenken ermöglichen, so dass Herz und Kopf, Markt und Staat, Mensch und Natur in eine neue Balance kommen.
Mit dem Projekt „Die Erde ist heilig. Worte großer Häuptlinge“ wird den ursprünglichen Einwohnern Nordamerikas eine Stimme gegeben. Zusammengestellt wurden die Reden berühmter Häuptlinge wie Seattle, Sitting Bull, Red Cloud, Black Hawk oder Chief Joseph von William A. Arrowsmith (1924–1992), einem klassischen Philologen und Literaturwissenschaftler, der an der Oxford University und an der Princeton University studierte. Michael Korth, Experte für die Musik des Mittelalters, übersetzte die Texte aus dem Englischen und ist Herausgeber der deutschsprachigen Ausgabe. Enthalten sind die Reden mit Einführungen und weiteren Texten zum Nachlesen. Angelika Kirchschlager spricht die erklärenden Texte, sie ist gefeierte Opernsängerin und Professorin an der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Der Poet, Pianist und Sänger Konstantin Wecker spricht die Worte der Häuptlinge und improvisiert die Überleitungen auf dem Klavier. Der IT-Berater Roland Höpker hat die Fotos aus den Heimatregionen der Häuptlinge beigetragen.
Weiterführende Informationen
„Die Erde ist heilig. Worte großer Häuptlinge.“ Mit MP3-CD. Zusammengestellt von verschiedene William A. Arrowsmith und Michael Korth, gelesen von Angelika Kirchschlager und Konstantin Wecker. Patmos Verlag, Ostfildern 2020.
Eckard von Hirschhausen: „Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben.“ dtv Verlag, München 2021.
„Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen.“ Hg. von Alexandra Hildebrandt. SpringerGabler Verlag. Heidelberg, Berlin 2020.