Die Welt (des Kochens) ist eine flache Scheibe
Spiegelglatte Glaskeramikflächen auf dem Herd gehören inzwischen in fast jeder Küche zum Standard. Allerdings wissen viele Menschen kaum etwas über das Material. „Ceran“ ist eigentlich nur das Material des Kochfeldes - und lediglich ein eingetragener Markenname, den der deutsche Hersteller Firma Schott für die ersten Kochfelder aus Glaskeramik, die in den Handel kamen, prägte. Die Firmengründung geht auf den Gründer Otto Schott zurück, der 1887 hitzebeständiges und robustes Borsilikatglas erfand. Ernst Abbe, Carl Zeiss und Erich Schott führten das Mainzer Unternehmen in den Erfolg. Mit dem deutschen Hersteller Imperial präsentierte es 1971 auf der Hausgerätemesse „Domotechnika“ die innovative Kochfeld-Lösung. Nach den ersten Entwicklungsversuchen erlangte das Ceranfeld im Januar 1973 Serienreife und revolutionierte das Kochen – auch wenn viele die Idee zunächst für absurd hielten. Auch die Branche selbst war in den Anfangsjahren skeptisch.
Bereits 1962 begann die Entwicklung von Ceran. Die Schott Glaswerke meldeten die Wortmarke beim Deutschen Patent- und Markenamt an. Um das Glas für das Cerankochfeld herzustellen, arbeitete der Glashersteller mit Herstellern von Elektroherden zusammen. Es entstand das erste Ceranfeld mit schwarzer Oberfläche und darunter liegenden Heizspiralen, welche die einzelnen Kochfelder auf bis zu 700°C erhitzen, während das umliegende Glas auf lediglich 100°C erhitzt wurde. 1974 wurde damit begonnen, die Glasqualität von Ceran zu verbessern und Lufteinschlüsse zu reduzieren. Wichtigster Rohstoff für die Herstellung ist Quarzsand. Der sogenannte Keramisierungsprozess macht das Glas zur Glaskeramik.
Der glasherstellende Betrieb (seit 2004 Schott AG) ist ebenfalls bekannt durch das Jenaer Glas, das ebenso wie das Cerankochfeld eine echte Innovation in der Küche war. Auch große Elektrohersteller, die Küchenherde produzierten, glaubten nun an den Erfolg und baten die Schott Glaswerke, um Optimierung. Schließlich wurde das bis dahin schwarze Cerankochfeld mit farblichen Elementen versehen, die auch optisch zeigten, wo sich die Kochfelder auf dem Ceran befinden. Auch das Grundrezept wurde in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich weiterentwickelt. Ein wichtiger Meilenstein war der Verzicht auf den Zusatz der Schwermetalle Arsen und Antimon sowie die Entwicklung von Kochflächen, die nicht nur das Licht der roten LED-Anzeigen durchlassen, sondern auch andersfarbige Anzeigen mit blauem oder weißem Licht ermöglichen. Auch die Bruchfestigkeit des Ceranfelds wurde deutlich verbessert - das heutige Cerankochfeld besteht aus robustem Qualitätsglas.
Nachteile:
• Da sich das Ceranfeld stark erhitzt, besteht eine hohe Verbrennungsgefahr, falls man beim Kochen aus Versehen mit der Herdplatte in Berührung kommt.
• Ceranfelder brauchen eine gewisse Zeit, bis sie die gewünschte Temperatur erreichen (zusätzlicher Energieverbrauch).
• Falls etwas überkocht und auf die Herdfläche gelangt, brennt es sich beim Ceranfeld leicht ein und lässt sich häufig nur mit einem Kochfeldschaber entfernen.
• Der Werkstoff Glas ist nicht bruchfest und das Ceranfeld reagiert empfindlich, wenn Zucker auf die heiße Kochfläche kommt.
Vorteile:
• Ceranfelder sind preisgünstiger in der Anschaffung als Induktionsherde.
• Das Material verbindet die Ästhetik von Glas mit enormer Hitzebeständigkeit und Stabilität.
• Nur vier Millimeter beträgt die Dicke des Cerankochfelds, wodurch Hitze sehr schnell an das Kochgeschirr geleitet wird.
• Die Glaskeramiken überstehen Temperaturschocks von plus 700 bis minus 200 Grad Celsius ohne zu zerspringen oder ihre Form zu verändern.
• Die Restwärme kann auch nach dem Abschalten der Herdplatten zum Kochen verwendet werden.
• Es kann fast jedes handelsübliche Kochgeschirr verwendet werden.
• Die großzügigen Cerankochfelder bieten viel Platz für Pfannen und Töpfe.
• Die große Glasplatte kann einfach abwischt werden und lässt sich perfekt sauber halten.
• Die porenfreie Glasoberfläche ist äußerst pflegeleicht.
SCHOTT Glas sind allerdings nicht die Einzigen, die Glaskeramik herstellen. Hier findet sich ein Überblick über andere Marken und Hersteller. „Auch bei Häcker Küchen wird nicht bei allen Ceranfeldern das SCHOTT Glas eingesetzt. Wir haben im Blaupunkt-Sortiment einige Ausnahmen“, sagt Karsten Bäumer, Leiter der Unternehmenskommunikation bei Häcker Küchen. Das familiengeführte Unternehmen produziert moderne Einbauküchen, die in über 60 Länder auf allen Kontinenten mit beliefert werden. Gegründet wurde es von Herman Häcker im Jahre 1898. Nur kurz zuvor begann der Weg zu einem innovativen Material, das heute alle miteinander verbindet. Es zeigt zugleich, wie wichtig es ist, auch in konservativen Bereichen überholte Denkmuster aufzubrechen, offen zu sein, über neue Ideen nachzudenken - und den Mut, nachhaltige Innovationen einzuführen.
Die Küche als Ort des Seins gestern und heute
Küche 21.0: Werkstatt und Statussymbol
Klimawandel in der Küchenbranche
Qualität und Innovation: Nachhaltiger Erfolg in der Produktionstechnik
Blaupunkt-Geräte im Test. INTERN. Das Magazin für Häcker-MitarbeiterInnen. Nr. 36 (November 2020), S. 29.
Bastian Bäumer: Zur Bedeutung der digitalen Infrastruktur im Prüflabor eines Küchenherstellers. In: CSR und Digitalisierung. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2. Auflage 2021.
Gisela Rehm: Nachhaltigkeit braucht Markenkraft. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.
Gisela Rehm und Markus Sander: Nachhaltigkeit und Digitalisierung in der Küchenbranche. In: CSR und Digitalisierung. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2. Auflage 2021.
Über den Herd. Eine kleine Kultur- und Designgeschichte der Kochstelle. Hg. von Peter Zec und Vito Oražem. Design Zentrum Nordrhein Westfalen, Essen 1995.