Navigation überspringen
article cover
Wer glücklich ist, ist auch erfolgreich – nicht andersherum! - Copyright: Getty Images

Erfolg? Ist noch lange kein Glück!

Höher, schneller, weiter: unsere Gesellschaft strebt ständig nach beruflichem Erfolg. Warum wir niemals nach dem perfekten Job suchen sollten und Kinder oft schlauer sind als Erwachsene.

Stell dir vor, du läufst durch dein eigenes Museum. An den Wänden hängen Bilder und Erinnerungen von all dem, was in deinem Leben bisher passiert ist: mal größere Gemälde, von Dingen, die dir sehr gut im Gedächtnis geblieben sind – egal, ob positiv oder negativ – und mal kleinere Bilderrahmen, mit Ereignissen, die so langsam verblassen. Du spazierst also einmal durch deine Vergangenheit. Die Frage ist nun: wie wird es dir gehen, wenn du einmal durch die komplette Ausstellung gelaufen bist? Fühlst du dich gut, und hast überwiegend positive Gedanken an all die Erinnerungen? Oder siehst du da vor allem Bilder aus deinem Leben, die dich traurig stimmen und unzufrieden?

Ich selbst habe mein Leben letztens auch mal Revue passieren lassen. Immerhin 33 Jahre hängen da an meinen imaginären Museumswänden, komprimiert zu einigen großen Bildern und kleineren Eindrücken. Bei vielen Gemälden bin ich stehen geblieben, musste schmunzeln, bei einigen anderen bin ich lieber schnell weitergegangen. Auch mein Leben ist ein auf und ab, am Ende der Ausstellung aber hatte ich ein Lächeln auf den Lippen.

Auf der Reise in meine Vergangenheit sind mir natürlich auch meine großen sportlichen Erfolge begegnet: ich war mehrmals Deutscher Meister, Pokalsieger, Vize-Europameister und auch beim Sommermärchen 2006 dabei. Sicherlich habe ich mich damals über jeden einzelnen Sieg gefreut, über den Jubel der Fans und das Adrenalin, das dabei durch den Körper fließt. Die wirklich nachhaltigen Erinnerungen aber, von denen ich jetzt noch zehre und die mich zum Schmunzeln bringen, sind weniger die materiellen Pokale und Siege, als vielmehr die kleinen Dinge an den Wänden: die gemeinsame Zeit mit meinen Mannschaftskameraden, Momente mit Familie und Freunden und auch meine jetzige Leidenschaft als Unternehmer. Meine offensichtlich großen Erfolge in Form von Trophäen und Pokalen spielen da eher nur eine Nebenrolle.

Wir Menschen wollen unser Glück nicht

Doch leider funktioniert unsere Gesellschaft genauso: die meisten von uns streben nach plakativen Erfolgen, obwohl wir eigentlich wissen sollten, dass die uns nie oder zumindest nur zu einem gewissen Teil glücklich machen werden. Jeder weiß, dass Geld nicht alles ist und trotzdem können wir nicht genug davon kriegen und denken, dass, wenn wir erstmal genug davon haben, alles besser wird. Dabei sehen wir doch an genügend Beispielen aus Hollywood, dass eher das Gegenteil eintritt. Und auch die Forschung weiß: ab einem Betrag von 81.000 Euro jährlich ist man monetär gesehen maximal glücklich. Darüber hinaus hat jegliches Plus an Gehalt keinen Einfluss mehr auf unsere Zufriedenheit.

Was unsere eigene Lebensintelligenz angeht – und das meine ich gar nicht so hart, wie es vielleicht klingt – sind wir Erwachsenen tatsächlich überwiegend dumm. Kleine Kinder meistern ihr Leben hingegen oft viel intelligenter, das zeigt allein schon folgendes Beispiel: Wenn ein Kind auf eine Herdplatte packt und sich verbrennt, dann packt das Kind nie wieder darauf. Erwachsene aber wissen oft genau, wie die Konsequenzen bestimmter Handlungen aussehen und bleiben ihren Mustern trotzdem treu. Würde das Kind alles dafür tun, unendlich viel Geld zu verdienen oder ein berühmter Schauspieler zu werden, obwohl es ganz genau weiß, dass es dadurch nicht glücklich wird? Wahrscheinlich nicht.

Viele Erwachsene aber tappen immer wieder in die gleiche Falle und setzen Erfolg, einen tollen Job, Reichtum und Besitz mit Glück gleich. Doch, was bringt das prallste Konto, die steilste Karriere oder die tollste Immobilie, wenn man am Ende alleine ist und niemanden hat, mit dem man seine nach außen so schimmernden Erfolgen teilen kann?

Es geht zu oft um die Außenwirkung

Am Ende kompensiert doch all der Reichtum und das Zuschaustellen nur ein tiefes Loch, das man sich in sich trägt. Warum sind denn in vielen Häusern in wohlhabenden Gegenden abends die Lichter aus? Weil die Menschen sich das eigene Glück verbaut haben, indem sie sich zu sehr auf das Erreichen vermeintlicher Erfolge in Form von Status und Karriere konzentriert haben. Nach außen hin haben sie sich dann zwar die schicken Villen erarbeitet – aber ihre Freunde, ihre Familie, die Liebe haben sie darüber hinaus oft vergessen. Deswegen sage ich immer: Wenn ihr unbedingt einen Alsterblick wollt, dann nehmt euch lieber eine Wohnung für 500 Euro um die Ecke, schnappt euch ein Bier und lauft mit Freunden zur Alster vor. Da habt ihr auch eine tolle Sicht – und kreiert nebenbei tolle Momente mit euren Freunden, die dann in eurem gedanklichen Museum hängen werden.

Das Problem daran: die meisten wissen, dass sie an ihrer Lebensweise oder ihren Wertevorstellungen was ändern müssten, aber sie tun es nicht. Wie oft leben Ehepartner beispielsweise noch jahrelang zusammen, obwohl sie sich auseinandergelebt haben und sich jeden Tag streiten? Bloß traut sich keiner der beiden, dem anderen zu sagen, was ihn belastet oder bedrückt, weil wir nun mal Gewohnheitsmenschen sind und Angst vor Veränderungen haben, auch wenn sie realistisch betrachtet so sinnvoll wären. Und dann staut sich der Frust, wiegelt sich auf und statt einmal Dampf abzulassen, frisst man alles in sich hinein. Kein Wunder, dass man irgendwann frustriert und unglücklich wird.

Und all das färbt irgendwann auf den Job ab und dann sitzt man da am Schreibtisch, vollkommen desillusioniert, und sucht die Schuld bei den Kollegen, der Arbeit an sich oder den blöden Aufgaben. Dabei ist nicht der Job an sich das Problem, sondern die fehlende eigene Zufriedenheit, die sich auf alle Bereiche auswirkt.

Das perfekte Setup gibt es nicht

Und deshalb bin ich fest der Überzeugung: den perfekten Job gibt es nicht und nach Erfolg allein zu streben ist Schwachsinn. Viel wichtiger ist eine gesunde Lebensweise als Grundlage, und damit meine ich nicht nur die Ernährung, sondern vor allem das Seelenleben. Wie oft hatte ich Tage, an denen ich das Fußballspielen verflucht habe und keine Lust mehr hatte? Aber das hatte nie etwas mit dem Fußball, also meinem Job, an sich zu tun. Ich liebe den Fußball und bin froh, so privilegiert gewesen zu sein, dass 15 Jahre lang durchziehen zu können. Und trotzdem gab es Momente in meiner Karriere – Monate, sogar Jahre – wo es mir einfach schwerfiel, jeden Tag auf dem Rasen zu stehen, weil mich privat so viele Dinge und Probleme beschäftigt haben, dass ich auf Fußball gar keine Lust hatte.

Und genauso geht es vielen von uns am Arbeitsplatz: statt sich an die eigene Nase zu fassen und die Ursachen für die eigene Frustration zu bekämpfen, suchen wir den Grund in unseren Jobs, die ja anscheinend nicht richtig zu uns zu passen scheinen, wenn wir doch augenscheinlich unglücklich sind. Dabei müssten wir bloß aufhören, immer das perfekte Setup zu suchen und dem Besten zu streben. Die Kunst liegt im Korrigieren der Umstände und ständigem Anpassen. Nicht umsonst heißt es „Survival of the Fittest“.

Als ich gemerkt habe, dass ich mich nach zwölf Jahren Profi-Karriere verändern muss – weil ich meine ganze Kindheit und Jugend mit Fußball verbracht habe und mal eine neue Herausforderung brauchte – war klar, dass das nur mit einem klaren Cut geht Sicherlich hätte ich noch weiterspielen können, aber das wäre zu einfach gewesen. Ich wusste, dass ich einen grundlegenden Wandel brauche, um auch die nächsten Jahrzehnte einen Sinn im Leben zu haben. Denn nicht meine wirtschaftliche Lage wird mich dauerhaft glücklich machen, sondern meine positive Einstellung zum Leben.

Wer glücklich ist, ist auch erfolgreich – nicht andersherum

Ich hatte das Glück, dass mir meine Eltern eine solche Einstellung immer vorgelebt haben. Meine Mama hat bei Aldi im Lager gearbeitet, mein Vater bei Kaisers Tengelmann an der Kasse. Beide sind morgens zwischen vier und fünf Uhr raus und haben den ganzen Tag gearbeitet, um sich den unteren Mittelstand leisten zu können. Mein Vater hat sogar Herztabletten genommen und hätte es sich natürlich leichter machen können, wenn er einfach den Job gekündigt hätte und stattdessen staatliche Hilfe, sprich: Hartz IV in Anspruch genommen. Aber so ticken meine Eltern nicht, da wären die im Leben nicht draufgekommen. Sie wollten arbeiten. Und das hat vor allem etwas mit der eigenen Haltung und der positiven Einstellung zum Leben zu tun.

Natürlich hat das Geld meiner Eltern damit maximal für Kurz-Urlaube in türkischen 3-Sterne-Hotels gereicht, aber trotzdem waren wir als Familie glücklich. Unsere Maxime war immer: Hauptsache sauber und nett, dann wird alles andere auch gut. Und damit wären wir wieder beim Anfang meines Textes: jeder bestimmt selbst, welche Momente am Ende des Lebens in seinem Museum hängen.

Und genau deshalb gibt es Menschen wie meine Eltern, den geschwätzigen Kneipenbesitzer oder den charmanten Blumenverkäufer um die Ecke, die alle nicht viel verdienen, aber zutiefst zufrieden sind mit ihrem Leben. Weil sie den Alltag mit Humor nehmen, sich nicht mit anderen vergleichen und wirtschaftlicher Erfolg oder Status eben nicht alles ist. Natürlich gibt es CEOs großer Konzerne oder Menschen, die auf anderen Ebenen große Erfolge verzeichnen, und gleichzeitig glücklich sind, und die sollten uns alle als Vorbild dienen. Wir müssen nur endlich aufhören, Erfolg mit Glück gleichzusetzen. Strebt lieber danach, glücklich zu sein. Dann kommt der Erfolg von ganz allein.

Kommentare

Marcell Jansen schreibt über Sport, Lifestyle, Health Management

Marcell Jansen war zwölf Jahre Bundesliga- und Nationalspieler, bis er seine Karriere mit 29 Jahren beendete. Parallel zu seiner Laufbahn als Profi-Fußballer gründete er mit 21 Jahren seine erste Firma. Inzwischen hält er Beteiligungen an mindestens fünf Unternehmen im Sport- und Lifestyle-Bereich.

Artikelsammlung ansehen