Erste Schritte zu einer neuen Strategie: die Grundlagen strategischen Denkens
Der Begriff der Strategie findet sich überall. Nur: Was bedeutet Strategie für den Organisationserfolg, und wie entwickelt man sie entsprechend? Lernen Sie hier die Grundlagen strategischen Denkens kennen.
Strategie hat sehr viele Facetten und geht schon Jahrtausende zurück. Ihren Ursprung hat die Strategie in der Kriegsführung und findet sich im Buch „Die Kunst des Krieges“ von Sun Tsu, wo er über die besten Wege, einen Krieg zu gewinnen, reflektiert. Spoiler-Alert: Der beste Weg, einen Krieg zu gewinnen, ist nicht die Schlacht, sondern List und Täuschung.
Die meisten von uns müssen glücklicherweise keinen Krieg gewinnen, sondern wollen mit ihrer Organisation oder ihrem Team erfolgreich sein. In diesem, uns vertrauteren Kontext ist das Konzept „Strategie“ im Vergleich zu dessen Ursprung in China relativ jung. Wie wir später sehen werden, gehen die Urgesteine der Strategie im Wirtschaftsumfeld auf die 1960er-Jahre zurück.
Ein gemeinsamer Nenner des Strategiebegriffes ist jedoch über die vielen Jahrhunderte unverändert geblieben:
Strategie hat stets mit einem langfristigen Blick und einer langfristigen Planung zu tun.Christian Lundsgaard-Hansen
Wenn Taktik darüber entscheidet, wie man eine Schlacht gewinnt, gibt die Strategie vor, wie der Krieg gewonnen wird.
Einzigartigkeit: Tausend Nein für ein Ja
Ergänzend zur langfristigen Perspektive zielt die Strategie in der Welt von Unternehmen und anderen Organisationen auch darauf ab, dass man eine gewisse Einzigartigkeit entwickelt. Denn eine Strategie besteht zu einem grossen Teil auch daraus, sehr bewusste Entscheidungen zu fällen, was man sein und eben auch explizit nicht sein will. Der langjährige Chefdesigner von Apple, Jony Ive, sagte einmal: „Für jedes Ja brauchen wir tausend Nein.“
Eine Strategie zu haben heisst auch, sich darüber im Klaren zu sein, wie man sich durch seine bewussten Entscheidungen, Prioritäten und Aktivitäten von anderen unterscheidet oder sogar abhebt. Strategie ist also auch eine Aussage darüber, was der eigene und hoffentlich einzigartige Mix ist aus ebendiesen Entscheidungen, Prioritäten und Aktivitäten.
Eine gute Strategie macht Sie einzigartig.Christian Lundsgaard-Hansen
Oftmals hat dieser eigene Mix einen starken Bezug dazu, wer die Kunden sind, was man ihnen bietet (und was nicht) oder auch wie man mit ihnen umgeht. Und „Kunde“ ist hier breit gefasst: Es meint sowohl Kunden im herkömmlichen Sinne eines Geschäfts, das ein Produkt verkauft, wie auch beispielsweise die Kunden respektive die Zielgruppe einer Non-Profit-Organisation oder NGO.
Einzigartigkeit lässt sich unter anderem durch verschiedene Positionierungen erzielen. Drei kategorische Beispiele:
Man kann sich in erster Linie durch spezifische Produkte oder Dienstleistungen unterscheiden. (Beispiel: Spezialisierung auf die Produktion und den Vertrieb sehr spezifischer Werkzeugtypen, weil die Firma einzigartiges Know-how besitzt)
Man kann sich durch den Fokus auf eine sehr spezifische Kundengruppe und deren Bedürfnisse unterscheiden. (Beispiel: sehr vermögende Familien für Privatbanken oder junge Frauen in Entwicklungsländern als Zielgruppe einer NGO)
Man kann sich durch den Fokus auf eine spezifische Kundengruppe mit bestimmten Rahmenbedingungen unterscheiden. (Beispiel: Fokus auf Bevölkerung in ländlichen respektive nicht dicht besiedelten Gebieten)
Die Strategie im Möbelhaus. Ein Anschauungsbeispiel
Spielen wir die strategische Positionierung anhand eines bekannten Beispiels einmal durch. Das Möbelhaus IKEA zielt mit seiner Strategie primär auf junge Menschen mit geringem Budget – also eine spezifische Kundengruppe mit deren Bedürfnissen.
Aus diesem Kundensegment lassen sich ein paar beispielhafte Kunden skizzieren wie beispielsweise die junge Studentin, welche ihr erstes WG-Zimmer einrichtet, oder eine junge Familie, die wegen des frisch geborenen Nachwuchses in eine neue Wohnung zieht.
Beide skizzierten Kundenprofile haben in der Tendenz das Bedürfnis, ein ganzes Zimmer oder gar grosse Teile eines Haushaltes auf einmal auszustatten – und das zu geringen Kosten. Aus diesem Grund ist es naheliegend, die Verkaufsfläche von IKEA nicht nach Produktkategorie zu organisieren (z.B. eine Sofa-Abteilung, eine Matratzen-Abteilung etc.), sondern im Geschäft mehrere fertig eingerichtete Zimmer in verschiedenen Stilen darzustellen. Dadurch unterscheidet sich IKEA stark von anderen Möbelhäusern, die beispielsweise das auf eine ältere, wohlhabendere Kundschaft fokussieren, die meist nur noch einzelne Produkte (zum Beispiel ein Designersofa) kaufen will.
Trauen Sie sich, strategisch wertvolle Trade-offs einzugehen.Christian Lundsgaard-Hansen
Die Strategie, in erster Linie junge Menschen mit geringem Budget zu bedienen, bedingt gewisse Trade-offs respektive Abwägungen, Priorisierungen und Entscheidungen. So gewichtet IKEA den tiefen Preis der Produkte beispielsweise höher als Kundenservice. Entsprechend sucht man die persönliche, eingehende Beratung vergebens und muss die Möbel in der Lagerhalle selbst suchen und zuhause zusammenbauen. Dies ist eines von vielen Beispielen, das zeigt, wie wichtig es ist, strategisch sinnvolle Trade-offs respektive Priorisierungen und Entscheidungen vorzunehmen. Allen Kunden alles anbieten zu wollen, wird als Strategie nie funktionieren. Entscheidungen sind nötig – und zwar möglichst viele.
Schützen Sie sich vor Copy-Cats
Je mehr Entscheidungen und Priorisierung für eine Strategie vorgenommen werden, desto einzigartiger und schwerer ist eine Strategie zu kopieren.Wichtig bei diesem Mix aus verschiedenen Entscheidungen, Priorisierungen und Aktivitäten ist, dass die daraus entstehende Strategie mehr ergibt als die Summe ihrer Teile. Alle Elemente müssen gut zusammenpassen und ein sich verstärkendes System aus verschiedenen Entscheidungen und Aktivitäten ergeben. Das heisst, die verschiedenen Priorisierungen und Aktivitäten sollten mindestens zueinander konsistent sein und so zu einem sinnvollen Aktivitätssystem zusammengeflochten werden.
Bauen Sie ein synergetisches System aus strategischen Entscheidungen, das sich gegenseitig verstärkt.Christian Lundsgaard-Hansen
Im Idealfall haben die verschiedenen Komponenten eines Aktivitätssystems respektive verschiedene Systeme innerhalb von grösseren Organisationen sogar eine gegenseitig positiv verstärkende Wirkung und machen den Gesamtbetrieb effizienter und effektiver.
Das Aktivitätssystem unseres Beispiels IKEA ist unten bildhaft dargestellt. Diese Analyse geht auf einen der grossen Geschäftsstrategen Michael Porter zurück, von dem wir in diesem Text noch einige Male lesen werden.
In Organisationen mit mehreren Hierarchiestufen und Aktivitätssystemen, die alle auf ein Ziel hinarbeiten müssen, empfiehlt es sich, diese Systeme in der Hierarchie von unten nach oben miteinander zu integrieren.
Wenn z.B. mehrere Bereiche mit ihren jeweiligen Systemen durch gemeinsame Aktivitäten voneinander profitieren könnten, kann eine Hierarchiestufe oberhalb geschaffen werden mit einem eigenen Aktivitätssystem, das den Subgruppen dient. Zum Beispiel: IKEA verkauft sowohl fixfertige Produkte wie Kerzen oder Geschirr, hat aber auch unzählige modulare Möbel wie Bücherregale oder Bürotische im Angebot, welche der Kunde selbst zusammenbaut. In diesem Beispiel macht es Sinn, alle modularen Möbel mit den verschiedenen Subgruppen (Bücherregale, Bürotische etc.) in einem höhergelagerten Aktivitätssystem miteinander zu integrieren. Dieser höher gelegene, integrierte Bereich kann nun nämlich alle Subgruppen mit einer gemeinsamen Produktion unterstützen. Die gemeinsame Produktion kauft Rohstoffe für alle Subgruppen zu günstigeren Konditionen ein, als wenn alle Subgruppen für sich (ohne Integration von unten nach oben) den Einkauf bewerkstelligen müssten. Die Produktion kann auch die Herstellung aller modularen Möbel übernehmen, anstatt dass alle Subgruppen eine eigene Herstellung finanzieren müssten. So profitieren alle Subgruppen und für die Gesamtfirma werden Kosten gespart und Wettbewerbsvorteile ausgebaut.
Integration schafft Synergien
Jede Hierarchiestufe hat nur seine Daseinsberechtigung, wenn sie einen Mehrwert bietet. Neben dem Bündeln gemeinsamer Aktivitäten, von denen alle Subgruppen profitieren, könnte etwa auch Mehrwert durch den Transfer von Kompetenzen und Wissen zwischen den Subgruppen geschaffen werden. Also: Synergien schaffen durch gute Entscheidungen und Integrationen.
Organisationen bestehen also aus einem oder mehreren Aktivitätssystemen, die allesamt auf (anspruchsvollen) Entscheidungen, Abwägungen und Priorisierungen basieren.
Als Gedankenspiel können Sie sich das nächste Mal, wenn Sie in einem Geschäft sind, die Frage stellen, welche Abwägungen hier wohl gemacht wurden, wie diese zu einer Differenzierung beitragen und welche Rückschlüsse sich auf die Strategie daraus ergeben.
Die zwei häufigsten Strategietypen
Auch wenn jede Organisation im Detail eine eigenständige, auf sich zugeschnittene Strategie entwickeln sollte, gibt es dennoch gemeinsame Nenner und praktisch alle Strategien lassen sich in zwei Arten aufteilen:
Es gibt die Strategie der Kostenführerschaft und jene der Differenzierung.Christian Lundsgaard-Hansen
Diese beiden Strategie-Arten gehen ebenfalls auf Michael Porter zurück, der mit „What Is Strategy?“ einen Klassiker geschaffen hat und dessen Inhalt in diesem Text an verschiedenen Stellen einfliesst. Kostenführerschaft bedeutet, dass man sich primär über den Preis definiert (zum Beispiel tieferer Preis bei gleicher Qualität wie die Konkurrenz) und die Differenzierungsstrategie meint, dass man sich abheben und differenzieren will über eine gewisse Einzigartigkeit oder ein besonderes Erlebnis. Während IKEA einer Strategie der Kostenführerschaft zugewiesen werden kann, ist die Differenzierungsstrategie per Definition die vorherrschende Strategie bei Luxusmarken, wobei sie auch bei normalen Konsumgütern vorkommen kann. Man denke beispielsweise an Apple mit seinem Ökosystem bestehend aus äusserst nutzerfreundlichen und hochwertig designten Produkten, die deutlich teurerer sind im Vergleich zur Konkurrenz.
Beide Strategien können zum Erfolg führen und welche am besten passt, muss jede Organisation für sich selbst herausfinden. Die richtige Strategie hängt davon ab, wie der Markt aussieht und was er vorgibt – allesamt externe Faktoren – sowie welche eigenen Stärken und Ressourcen man hat – die internen Faktoren. Um die richtige Strategie zu finden, lohnt es sich, sowohl die externen als auch die internen Faktoren zu beachten und in einem iterativen Prozess miteinander zu harmonisieren.
Auch Nachfrage bestimmt die Strategie
Im Zweifelsfall ist es wichtiger zu wissen, was der Markt nachfragt, und sich danach zu fragen, wie man mit den internen Faktoren am besten diese Bedürfnisse bedienen und sich vielleicht sogar noch differenzieren kann. Denn letztlich will man anbieten, was der Markt nachfragt und was man basierend auf den eigenen Stärken auf hervorragendem Niveau dank einem möglichst einzigartigen System aus verschiedenen Aktivitäten quasi konkurrenzlos abliefern kann.
Die meisten Organisationen probieren, eine Differenzierungsstrategie zu verfolgen, weil man dort einzigartiger ist und entsprechend höhere Preise verlangen kann. In der Realität gelingt das aber nicht allen. Und dann ist ein Strategiewechsel nötig, weil die beiden Strategie-Typen nicht vermischt werden sollten. Hier gilt: entweder Kostenführerschaft oder Differenzierung.
Ihr Strategieprozess: effektive Methoden und die vier wichtigsten Schritte
Dieser Beitrag zu den Grundlagen des strategischen Denkens bildet den Auftakt zu einer Serie zum Thema Strategieentwicklung. In Teil 2 werden wir sieben effektive Methoden für den Strategieprozess kennenlernen und in Teil 3 die vier wichtigsten Schritte, wie Ihr Strategieprozess zum Erfolg wird. Folgen Sie mir und verpassen sie die Anschlussbeiträge nicht.
Das Strategie Handbuch
Das Strategie Handbuch bietet nützliche Grundlagen, Methoden und Leitfragen für den Strategieprozess. Das Buch ist kostenlos als PDF-Download verfügbar und komprimiert die Kernaussagen diverser Strategieklassiker, Erfahrungswerte zahlreicher Strategieexperten und eigene Erfahrungen von Sparkr auf 35 Seiten und bietet auch einige nützliche Illustrationen und Grafiken.
Gerne können Sie sich das komplette Strategie Handbuch kostenlos herunterladen.Christian Lundsgaard-Hansen
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