Feuer und Flamme: Das Feuerzeug als unterschätzte Innovation
Feuermacher der Geschichte
Das erste Feierzeug ist über 790.000 Jahre alt und bestand aus einem harten Feuerstein, der Eisensulfidkristalle enthielt, und einem getrockneten Baumstamm. Die Überreste eines solchen Ur-Feuerzeugs fanden Anthropologen am Ufer eines ausgetrockneten Sees im Jordantal. Der deutsche Chemiker Johann Wolfgang Döbereiner baute im 19. Jahrhundert ein auf Wasserstoff basierendes Tischfeuerzeug, das allerdings häufig explodierte und deshalb auch „Höllenmaschine“ genannt wurde. Feuerzeuge mit Benzin und Zündsteinen kamen in den Jahren ab 1920 auf. Der britische Tabakhändler Alfred Dunhill war einer der Vorreiter, der von zwei Ingenieuren das Patent zur Herstellung von Feuerzeugen erwarb. Ein großer Erfolg wurde das erste mit nur einer Hand zu bedienende Modell „Unique“ (Silber oder Gold), das Einsätze aus Krokodil- oder Straßenleder hatte. Seit 1970 werden vor allem Gasfeuerzeuge genutzt. Es ist überliefert, dass der französische Hersteller S.T. Dupont das erste Modell auf der Weltausstellung 1947 in Paris vorgestellt haben soll.
Sammler bevorzugen heute vor allem traditionelle Luxusmarken wie S.T. Dupont, Cartier, Hermès. Boucheron und Vand Cleef & Arpels. Besonders beliebt sind Benzinfeuerzeuge – Gasfeuerzeuge sind dagegen eher Gebrauchsgüter. Zippo ist nicht nur Kult – es sammelt sich in ihm das Feuer ganzer Generationen und der jeweiligen Gesellschaft, in der es „gebraucht“ wird. Leid und Leidenschaft sind dabei aufs engste miteinander verbunden, wie seine bewegte Geschichte zeigt: Als dem US-Unternehmer George Grant Blaisdell 1932 in seiner Heimatstadt Bradford, Pennsylvania, ein österreichisches Sturmfeuerzeug in die Hände fällt, missfällt ihm zunächst das klobige Design. So entwickelt und produziert er ein eigenes Modell, das aus nur 22 Teilen im Inneren einer Messinghülle besteht. Blaisdell stattet es mit einer lebenslangen Garantie aus: „It works or we fix it free“™. Im Tank befindet sich Watte, die das Benzin speichert. Durch sie hindurch verläuft der Docht in den Kamin, der so konstruiert ist, dass das Feuerzeug auch bei Wind funktioniert.
Da er das Wort zipper (engl. Reißverschluß) mag, nennt er das Feuerzeug „Zippo“. Amerikanische Soldaten wurden im Zweiten Weltkrieg alle damit ausgestattet. Bedeutende gesellschaftliche Ereignisse wie Präsidentenwechsel, Friedensverträge und Nationalfeiertage wurden ebenfalls auf Zippo- Feuerzeugen verewigt, die inzwischen einen international sehr aktiven Sammlermarkt haben. So werden für alte "Zippos" aus dem Jahr 1933 schon mal fünfstellige Beträge gezahlt. Heute gibt es weit über 30.000 unterschiedliche Designs und Zippo-Feuerzeuge, darunter beispielsweise "Karl Lagerfeld mit Hundegesicht". Die beliebtesten Motive stammen aus der Welt der Biker und Trucker. Auch Hollywood wurde mehrfach auf die Marke aufmerksam: In Filmen wie „Casablanca“, „Apocalypse Now“ und „Terminator 2“ spielten Zippo-Feuerzeuge nicht unbedeutende Nebenrollen. Die Modelle im Vierzigerjahre-Look waren auch für die „Moments Men“ mit George Clooney gefragt.
Musiker wie Eric Clapton und Sting nutzen die Feuerzeuge als Rhythmushilfe beim Komponieren und gelegentlich auch als Instrument. Auch in der Festivalsaison möchte die Marke die Herzen aller Fans von guter Rock-Musik entzünden – 2015 erstmalig auf dem legendären Rock am Ring Festival mit der Kampagne „Zippo Encore“. Sogar im Kontext des deutschen Krimibuchmarktes wird Zippo erwähnt: “Wenn Sie den Wald in Flammen setzen wollen, brauchen Sie ein anständiges Zippo-Feuerzeug und einen Kanister Benzin. Wenn Sie den Leser in Flammen versetzen wollen, brauchen Sie einen Konflikt – je härter, desto besser!” (Deutsche Welle, 30.8.2009)
In unangenehmer Erinnerung ist das Produkt allerdings im Zusammenhang mit dem Feuerzeug-Skandal beim Schalke-Spiel. Sie BILD-Zeitung titelte am 15. Dezember 2014: „Stellt der Zippo-Werfer sich freiwillig?“ Die Szene in der Nachspielzeit beim 1:2 gegen Köln schockte alle: „Als es nach einem harten Zusammenprall zwischen Schalke-Torwart Fährmann und Kölns Bröker zur Rudelbildung an den Trainerbänken kommt, wird Schalkes Co-Trainer Sven Hübscher (35) plötzlich von einem Metall-Feuerzeug (Marke „Zippo“, etwa 70 g) mit voller Wucht am Kopf getroffen.“ An solchen Beispielen zeigt sich, dass sich in einem Produkt eben auch gesellschaftliche Entwicklungen wiederspiegeln. Es wird zum Stellvertreter für Liebe und Hass.
Zippo ist und bleibt für die meisten vor allem ein Gegenstand der Liebe. Das Unternehmen mit Sitz in Bradford, Pennsylvania (USA) hat über 500 Millionen Sturmfeuerzeuge produziert und ist in mehr als 160 Ländern. Das Produktangebot umfasst Zubehör für Feuerzeuge, Stabfeuerzeuge mit Gas, Düfte für Herren und Damen sowie eine Reihe widerstandsfähiger Wärme- und Feuerprodukte für Outdoor-Liebhaber.
Geteilter Schmerz
Jedes nicht funktionierende Feuerzeug wird in der Zippo European Repair Clinic im rheinländischen Emmerich gratis repariert und wieder in Funktion gesetzt. Jährlich landen hier rund 34.000 Zippos – „oft begleitet von rührenden Briefen, in denen die Eigentümer klagen, ihr Schatz habe sich den ‚Halswirbel‘ gebrochen“ (Jens Bergmann, brand eins 12/2014). Auf der Website Sharethepain („Teile den Schmerz“) bietet das Unternehmen allen, die ihr Feuerzeug verloren haben, Trauerbegleitung an sowie die Möglichkeit, sich mit anderen „Betroffenen“ auszutauschen. Die Menschen lieben ihre Feuerzeuge mit all ihren Gebrauchsspuren – sie sind in gewisser Weise auch „Lebensanzünder“ und Aufbewahrungsort ihrer Geschichten. Ein Identitätssymbol. Ein solches Produkt besitzen zu wollen hat auch mit dem Wunsch nach Beständigkeit und Aufgehobensein zu tun, der sich auch in der „lebenslangen Garantie“ zeigt, die in einer Gesellschaft, die immer mehr zerfällt und Menschen das Gefühl von Instabilität gibt, umso mehr wiegt.
Weiterführende Informationen:
Interview mit Russell Bobbit, Chefrequisiteur von Marvel Entertainment, über die Marke Zippo
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Von Lebensdingen: Eine verantwortungsvolle Auswahl. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.