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Befördert zu werden bedeutet noch lange nicht, auch führen zu können. - Foto: imago images
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Fünf Fragen zeigen, ob Sie ein guter Chef wären

Nur wenige Angestellte erleben ein Arbeitsumfeld, das sie motiviert und zu Höchstleistungen anspornt. Was macht einen guten Manager aus? Fünf Fragen eines Coaches bieten Orientierung. Ein Artikel aus dem Handelsblatt.

„Schlechte Führung wird zum Risikofaktor für den Unternehmenserfolg“, sagt Marco Nink, Forschungsdirektor des Beratungsunternehmens Gallup. Die emotionale Bindung an den Arbeitgeber liegt nach jüngsten Daten der Experten auf einem extrem niedrigen Niveau. Nur 14 von 100 Beschäftigten erleben ein Arbeitsumfeld, das durch gute Führung geprägt ist und ihre Motivation stärkt. Der jüngste „Engagement Index“ von Gallup zeigt: Mehr als 7,3 Millionen Beschäftigte in Deutschland haben sogar innerlich gekündigt.

Dieser Missstand gibt zu denken. Wo liegen die Ursachen?

Befördert zu werden bedeutet noch lange nicht, auch führen zu können. Vielmehr ist „Führung ein Job, der erlernt und trainiert werden muss – wie jede andere professionelle Tätigkeit auch“, sagt Stefan Delano. Der Trainer, der in den vergangenen vier Jahren mehr als 230 Führungskräfte gecoacht hat – von Teamleitern bis zu Geschäftsführern –, hat fünf wichtige Punkte zusammengestellt.

Wer diese Fragen ehrlich beantwortet, erhält Hinweise darauf, ob er oder sie für eine Führungsposition geeignet ist – oder nicht. Alltagsbeispiele zeigen, warum Delanos Fragen entscheidend sind.

1. MÖGEN SIE MENSCHEN?

„Die Antwort auf diese Kernfrage sollte eindeutig Ja lauten“, sagt Coach Delano. Warum, begründet der Experte so: „Vorgesetzte haben die Aufgabe, andere dabei zu unterstützen, Höchstleistungen zu erzielen. Wer dagegen lieber allein fachlich vor sich hinarbeitet, der wird als Führungskraft kaum erfolgreich sein.“

Was schiefgehen kann, schildert Delano am Beispiel eines neuen Projekts: „Eine Führungskraft muss dafür sorgen, dass sich ihre Mitarbeiter umgehend mit Selbstvertrauen und motiviert der Herausforderung stellen und rasch produktiv werden.“ Wer sich als erfahrene Fachkraft lediglich mit einer Ansage an die Kollegen begnüge, was zu tun ist, und danach erwarte, dass alles reibungslos funktioniere, werde seiner oder ihrer Rolle nicht gerecht.

Delano sagt: „Häufig wird von Experten, denen man eine Beförderung auf eine Führungsposition anbietet, unterschätzt, wie intensiv die notwendige Kommunikation mit den Mitarbeitenden ist.“

Rückfragen, Versäumnisse, Konflikte – wer hier gereizt reagiere, Unterstützung verweigere oder mangelnden Einsatz unterstelle, vergraule Kolleginnen und Kollegen. Schlimmer noch: Wer sich nicht damit auseinandersetzen wolle, Aufgaben zu delegieren, Mitarbeiter zu schulen, zu ermuntern oder sich in irgendeiner anderen Form mit ihnen zu beschäftigen, drohe selbst in Arbeit zu ersticken, warnt der Coach.

Das zeige ein Beispiel aus seiner Beratungspraxis: Ein Abteilungsleiter aus einem Technikunternehmen sammelte drei Jahre lang jeweils mehr als 700 Überstunden an, weil er sämtliche Aufgaben lieber selbst erledigte, als auf seine Abteilungsmitglieder zuzugehen. Seine Mitarbeiter dagegen waren oft unausgelastet oder mit sinnlosen Aufgaben beschäftigt.

„Die Mitarbeiterfluktuation in seinem Team war schließlich doppelt so hoch wie im restlichen Unternehmen – ein Misserfolg, für den die Führungskraft sich bei ihrem Vorgesetzten wiederum verantworten musste“, sagt Delano.

Gallup-Studienleiter Marco Nink bestätigt: „Kein Unternehmen kann es sich leisten, gute Arbeitskräfte durch schlechte Führung zu verlieren.“ Trotz schwieriger Wirtschaftslage sähen Deutschlands Beschäftigte für sich persönlich gute Chancen.

Jeder, wie er kann: Sieben Führungsstile

  1. Transformationale Führung: Der Chef gibt den charismatischen Führer, der die Arbeit visionär auflädt. So motiviert er die Mitarbeiter ohne materielle Anreize.

  2. Ethische Führung: Vorgesetzte bauen auf Moral und Transparenz, außerdem kümmern sie sich um die persönlichen Belange der Mitarbeiter.

  3. Strategische Führung: Chefs geben klare Ziele vor und unterstützen die Angestellten konstruktiv auf dem Weg dorthin, aber ohne Mikromanagement.

  4. Transaktionale Führung: Auch hier gibt es Ziele, dazu aber Konsequenzen. Bei Erfüllung gibt es Belohnungen etwa durch Boni, bei Verfehlung Bestrafungen.

  5. Laissez-faire-Führung: Erfordert Vertrauen und gute Nerven, denn Chefs geben weder detaillierte Vorgaben noch Feedback, sie lassen die Mitarbeiter machen.

  6. Direktive Führung: Chefs verteilen Aufgaben mit Anweisungen und erwarten, dass sie befolgt werden. Wie gemacht für Kontrollfreaks und Perfektionisten.

  7. Negative Führung: verwandelt das Büro in einen Truppenübungsplatz: Der Chef übt oft und gerne öffentlich harte Kritik an seinen Mitarbeitern.

Nink: „Auch wenn der zurzeit stattfindende Stellenabbau einiger Unternehmen zunehmend Schlagzeilen macht, ändert das grundsätzlich nichts daran, dass es schon jetzt zu wenig Arbeitskräfte gibt und diese durch die Verrentung der Babyboomer von Tag zu Tag weniger werden.“

2. SIND SIE „UNVERTRÄGLICH“ GENUG?

„Verträglichkeit“ ist einer der fünf Faktoren aus dem sogenannten Big-Five-Modell der Persönlichkeitspsychologie. Dieser wissenschaftliche Ansatz dient Personalberatern und -managern dazu, anhand nur weniger Charaktereigenschaften unterschiedliche Persönlichkeitstypen zu identifizieren.

Wie ausgeprägt der persönliche Grad von „Verträglichkeit“ sowie an „Offenheit“, „Gewissenhaftigkeit“, „Extraversion“, und „Neurotizismus“ oder, anders ausgedrückt, der Fähigkeit zur Emotionskontrolle ist, kann Hinweise darauf geben, wie erfolgreich eine Person in ihrem Job sein wird: Menschen mit einem hohen Maß an „Verträglichkeit“ gelten als mitfühlend, nett, hilfsbereit, oft harmoniebedürftig, und es ist ihnen wichtig, mit allen gut auszukommen.

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Coach Delano sagt dazu: „Gehören Sie zu diesen Menschen, dann sind Sie sicherlich ein großartiger Nachbar, werden sich aber in einer Führungsposition oft sehr unwohl fühlen. Denn Sie müssen Entscheidungen treffen, die auf Widerstand stoßen, schwierige Gespräche mit Mitarbeitern führen oder sind oftmals das Zentrum einer hitzigen Auseinandersetzung.“

Fachkräfte, die solche Situationen nicht mögen oder unbedingt vermeiden wollten, sollten es sich zweimal überlegen, eine Führungsposition anzunehmen.

3. WIE STRESSRESISTENT SIND SIE?

Stress gehört zu jedem Job dazu – bei Führungskräften jedoch ist er in der Regel häufiger und stärker spürbar. Die hohe Verantwortung, wichtige Entscheidungen sowie der steigende Erfolgs- und Zeitdruck setzten vielen Team-, Abteilungs- oder Bereichsleitern zu.

Zudem seien sie stets mit widerstreitenden Interessen konfrontiert – auf der einen Seite den Anforderungen der Vorgesetzten, auf der anderen den Wünschen des eigenen Teams. Man könne es nicht allen recht machen, und deshalb sei eine gewisse persönliche Robustheit ein wichtiges Element bei der Entscheidung für oder gegen eine Führungsrolle.

Kandidaten warnt Coach Delano: „Wer bisher damit kämpft, unter Stress Leistung abzurufen, schlaflose Nächte deswegen hat oder dazu neigt, unter Druck unfreundlich zu werden, der wird es in einer Führungsposition sehr schwer haben.“ Zwar lasse sich Stressresistenz trainieren, aber ob ein Aspirant auf Dauer damit erfolgreich und glücklich werde, sei fraglich.

4. WIE GUT BEWAHREN SIE DEN ÜBERBLICK?

Menschen sind unterschiedlich gut darin, mehrere Dinge gleichzeitig im Blick zu haben. Gerade Führungskräfte müssen aber sowohl ihre eigene Arbeit als auch die ihrer Mitarbeiter und oft die anderer Teams im Auge behalten.

Ein konkretes Beispiel aus Delanos Beratung zeigt, warum hier die Gefahr der Überforderung lauert. „Ein IT-Abteilungsleiter hat zum einen selbst Programmieraufgaben, zum anderen trägt er die Verantwortung für mehrere System- und Produktentwicklungsprojekte in seinem Unternehmen“, sagt der Coach. Dazu müsse er sich regelmäßig mit den betreffenden Fachabteilungen abstimmen, priorisieren und konkrete Aufgaben für sein Team herunterbrechen.

Gleichzeitig gelte es, seine Mitarbeiter und die Qualität ihrer Arbeit im Auge zu behalten und sie gegebenenfalls zu unterstützen oder Konfliktpotenzial aufzulösen.

„Und als wenn das alles noch nicht reichen würde, soll er noch Techniktrends verfolgen, etwa die Entwicklung von KI und wie sich das auf die Branche auswirkt und welche Chancen sich dadurch für seinen Arbeitgeber ergeben“, sagt Delano. „Von Verwaltungstätigkeiten wie Berichte schreiben oder Urlaubsplanung für seine Abteilung ganz zu schweigen.“

Der Trainer konstatiert: „Ich habe oft Führungskräfte erlebt, die fachlich in einem Bereich ausgezeichnete Leistungen erbringen, aber von dieser Vielzahl an Anforderungen schlichtweg überfordert waren.“

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Um diese Gefahr des Scheiterns schon vor einem beruflichen Aufstieg festzustellen, rät der Experte, sich zu fragen, „wie intellektuell gefordert Sie sich bislang fühlen und wie gut es Ihnen gelingt, mehrere Dinge gleichzeitig zu jonglieren“. Komme man bereits jetzt an seine Grenzen, werde es eine Hierarchiestufe höher sicher nicht leichter werden.

5. KÖNNEN SIE MIT „GUT GENUG“ LEBEN?

„Die Dynamik der heutigen Wirtschaftswelt lässt uns zeitlich und ressourcentechnisch immer mehr an unsere Grenzen gehen“, sagt Führungscoach Delano. Das bedeute, dass sich Führungskräfte oft mit Lösungen zufriedengeben müssten, die zwar nicht perfekt seien, aber die Anforderungen grundsätzlich erfüllen beziehungsweise ein Problem lösen würden.

Allerdings gebe es zwei Typen von Menschen, denen dies nicht behage: Bei Idealisten widerspräche ein solches Verhalten oder eine derartige Entscheidung schnell den eigenen Moralvorstellungen, für Perfektionisten sei die Arbeit selten gut genug.

„Mitarbeiter solcher Führungskräfte sind gestresst und verschwenden viel Energie darauf, sich selbst zu kontrollieren, anstatt sich darauf zu konzentrieren, ihre Arbeit so produktiv wie möglich zu gestalten“, sagt Delano. Dies sei ein Handicap auf dem Weg zum Unternehmenserfolg.

Kandidaten für eine Vorgesetztenposition empfiehlt der Experte daher, sich selbst zu fragen, wie es um die persönliche „Gut genug“-Einstellung und die Orientierung am Machbaren steht. Er rät: „Widerspricht das Ihren Grundvorstellungen, sollten Sie sich gegen eine Führungsaufgabe entscheiden.“

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