Navigation überspringen
article cover
(c) Shutterstock

Gefühlte Hierarchien: Warum sie den Erfolg verhindern und wie man das ändert

Im Zuge der zunehmenden Agilisierung müssen Hierarchien vielfach zurückgebaut werden. Denn sie machen ein Unternehmen schwerfällig und träge. Dies betrifft gleichermaßen die Hierarchien im Kopf. Krawatte weg und offene Türen? Da muss schon etwas mehr passieren! Sehen Sie selbst.

Eines gleich vorweg: Gemeinschaften brauchen Ordnungssysteme und damit auch Hierarchien. Aber sie brauchen keinen Wasserkopf. Wer versucht, Hierarchien komplett und mit Gewalt einzuebnen, sorgt für ein Vakuum, in dem sogleich wieder Hierarchien entstehen. Die Klärung der Rangordnung in Gruppen ist archaisch und hat eine hohe Priorität.

Treffen sich zwei Menschen, dann werden sie – das passiert völlig unbewusst - zunächst ihren Status sondieren: Ist der andere mächtiger, attraktiver, einflussreicher, intelligenter und wohlhabender oder dümmer und ärmer als ich? Wie hoch ist sein Ansehen? Bedroht er mein Territorium oder meinen Arbeitsplatz? Und woran erkenne ich, ob er über oder unter mir steht?

Leider ist das auch heute noch so: Hochstatus weist an, ohne zu fragen. Niederstatus hört zu, ohne etwas zu sagen. Und wenn „Niedere“ reden, dann sind deren Hinweise irrelevant. Obere benötigen kontinuierlich Zeichen der Macht - und genauso Zeichen der Ergebenheit, um sich ihrer Statushoheit jederzeit sicher zu sein.

Zeichen der Unterwerfung? Eine leise Stimme, ein ausweichender Blick, ein seitlich geneigter Kopf, ein Sich-klein-Machen, ein unterwürfiges Lächeln, eine zaghafte Entschuldigung, Anbiederei. Solche Zeichen sollten eigentlich nur eines bedeuten: Alarm! Denn von „erniedrigten“ Menschen wird man nichts Großes erwarten können.

Wie wird Hierarchie bei Ihnen gelebt?

Je schwerfälliger eine Organisation, desto anfälliger ist sie für Überholmanöver. Und je mehr Hierarchie, desto mehr Jasagertum gibt es auch. Beides ist heute lebensbedrohlich. Deshalb zunächst folgende Fragen:

  • Wie wird Hierarchie bei Ihnen gelebt? Oben Klasse, unten Masse?

  • Wie viele formelle Statussymbole, die sogenannten Krücken der Macht, gibt es?

  • Welche verbalen/nonverbalen Überlegenheitszeichen werden wie zelebriert?

  • Werden Unterwürfigkeitssignale zügig erkannt? Und wie reagiert man darauf?

Diejenigen, die Hierarchie zelebrieren, tun es geschickt, und sie wählen ihre Worte trefflich, denn sie sind ja seminarerfahren. Doch ihre Einstellung, die spürt man auch zwischen den Zeilen. Am Ende läuft alles auf eine Frage hinaus: Wie wird bei Ihnen mit Macht umgegangen?

Wer Machtansprüche rein durch Hierarchie sichern will, erzeugt blinden Gehorsam - bis hin zur Selbstaufgabe. Solch unreflektierte Ja-Sager sind für jedes Unternehmen gefährlich. Sie decken unlautere Machenschaften und bringen sogar entgleiste Moral nicht ans Licht. Deshalb sollte eine eiserne Regel dringend eingeführt werden: „Widersprechen Sie Ihrem Chef!“

Von der nachrückenden jungen Generation wird Autorität sowieso erst dann anerkannt, wenn sie durch Taten gerechtfertigt ist. Institutionalisierte Autorität „von Amts wegen“ wird sofort hinterfragt. Und die klassischen Statussymbole haben für sie viel von ihrer Strahlkraft verloren. Unternehmen, die hochhierarchisch agieren, sind für talentierte Millennials irrelevant.

Warum Hierarchie Innovationen verhindert

Das Denken gegen die Regel gehört zu den maßgeblichen Erfolgsfaktoren, um sich von Durchschnitt und Mittelmaß abzuheben. Denn Mittelmaß will niemand mehr kaufen. Mittelmaß wird nicht mal erinnert. Und Mittelmaß wird die Zukunft niemals erreichen. Bahnbrechendes hat in tradierten Organisationen allerdings sehr schlechte Karten.

Denn wie bitte soll Innovatives, Außergewöhnliches, ja geradezu Einzigartiges entstehen, wenn stromlinienförmige Mitarbeiter und eine maultote Meute von Mitläufern ein Unternehmen bevölkern - und alle immer nur abwartend nach oben schauen, anstatt nach draußen zum Markt?

Das Machtwort des Chefs lässt wertvolle Initiativen einfach versanden. Die guten Mitarbeiter mit hohem Potenzial lernen auf diese Weise, dass ihre Meinung nicht zählt. Unverkennbarer Machtanspruch schafft außerdem Distanz, obwohl Kollaboration dringend notwendig wäre. Das Machtgedöns in den Führungsetagen kostet darüber hinaus wertvolle Zeit.

Führungskräfte täten also gut daran, ihr Hierarchiegehabe auf ein Minimum zu reduzieren und den gefühlten sozialen Abstand zwischen sich und ihren Leuten zu mäßigen. Da kann es schon helfen, die Mitarbeiter regelmäßig besuchen zu gehen, statt sie im eigenen Büro antanzen zu lassen. Dies ist ein winziger Baustein von vielen, um das Ungleichgewicht so klein wie möglich zu halten.

So geht gefühlter Hierarchieabbau im Büro

Wer auf Augenhöhe mit seinen Leuten agieren will, dem sei zunächst geraten, jenseits offizieller Anlässe seine Management-Verkleidung abzulegen, damit die Leute ihre Scheu verlieren. So sieht, bei genauer Betrachtung, eine Krawatte aus wie ein Schwert. Und eine Weste unter dem Jackett sieht aus wie ein Panzer. Unser Unterbewusstsein decodiert solche Symbole wie Signale.

Interessanterweise wird, sobald es ernst wird und geschäftlich um einiges geht, eine Krawatte angelegt. Ist das Klären der Vertragsbestandteile vorbei und der Sieg eingefahren, macht man sich sogleich wieder locker, der Griff geht zum Krawattenknoten. Und ebenfalls interessant: Frauen tragen solche Signale der Kriegsführung nicht. Nichtsdestotrotz ist auch die Befreiung vom Schlipszwang höchstens ein ganz kleiner Schritt.

Machen Sie sich als nächstes an die Bürogestaltung. Lassen Sie Farbe in die Bude, damit sich das uniformierende Einheitsgrau endlich verflüchtigt. Und verzichten Sie auf Vorstandsetagen im obersten Stock. Wir suchen unsere Mitmenschen am liebsten auf gleicher Ebene auf, das ist ein Relikt aus unserer Ära als Savannenmensch. In jungen Unternehmend sind offene und in die Breite gehende Zusammenarbeitsflächen längst selbstverständlich.

Gefühlter Hierarchieabbau im Organigramm

In den üblichen Organigrammen, den Schaubildern einer Unternehmensorganisation, sieht es fast überall noch immer aus wie anno dazumal. Der Chef thront ganz oben, darunter, in Kästchen eingesperrt, seine brave Gefolgsmannschaft. Die Mitarbeiter kommen darin nicht einmal vor. Sie werden wie Fußvolk verwaltet, als Humankapital ökonomisiert und in unvernetzt nebeneinander her agierenden Silos organisiert.

Pyramidale Top-down-Organigramme sind ein reines Selbstverherrlichungsprogramm der Führungsspitze. Sie konzentrieren sich auf Macht und nicht auf den Markt. Solche Organigramme haben militärische Wurzeln. Sie zementieren Hierarchiedenke, Starrheit und Konformität. Doch von Soldaten, die in Reih und Glied marschieren, bekommt man nichts, was aus der Reihe tanzt.

Solche Ordnungssysteme haben im digitalen Sturm nicht den Hauch einer Chance. Denn wenn man Menschen in Kästchen sperrt, macht man sie bewegungsunfähig. Wenn man sie in ein Korsett presst, fallen sie in Ohnmacht. Und wenn man sie nach einem starren Regelwerk tanzen lässt, werden sie zu Marionetten.

Wie sich ein Redesign Ihrer Organisation in Angriff nehmen lässt? Das habe ich in meinem neuen Bestseller „Fit für die Zukunft“ ausführlich beschrieben. http://www.anneschueller.de/fit-fuer-die-next-economy.html

Vielleicht in diesem Kontekt auch interessant: 3 Führungsstile, um fit für die Arbeitswelt der Zukunft zu sein https://www.xing.com/news/insiders/articles/3-fuhrungsstile-um-fit-fur-die-arbeitswelt-der-zukunft-zu-sein-1001492?te=c88c75713c8ffb36.eyJ0YXJnZXRfaWQiOjEwMDE0OTIsInRhcmdldF90eXBlIjoiYXJ0aWNsZSIsInRhcmdldF91cm4iOiJ1cm46eC14aW5nOmNvbnRlbnQ6aW5zaWRlcl9hcnRpY2xlOjEwMDE0OTIiLCJzaXRlX3NlY3Rpb24iOiJpbnNpZGVyX3BhZ2UiLCJhY3Rvcl91cm4iOiJ1cm46eC14aW5nOmNvbnRlbnQ6aW5zaWRlcjo1Nzk2MyIsInZlcnNpb24iOiIyLjEuMCJ9&xng_share_origin=web

Oder dies: Und wie fühlt man sich so bei Ihnen? Über „vergiftete“ und „lachende“ Unternehmen https://www.xing.com/news/insiders/articles/und-wie-fuhlt-man-sich-so-bei-ihnen-uber-vergiftete-und-lachende-unternehmen-928510?te=a67537d23bc7a5da.eyJ0YXJnZXRfaWQiOjkyODUxMCwidGFyZ2V0X3R5cGUiOiJhcnRpY2xlIiwidGFyZ2V0X3VybiI6InVybjp4LXhpbmc6Y29udGVudDppbnNpZGVyX2FydGljbGU6OTI4NTEwIiwic2l0ZV9zZWN0aW9uIjoiaW5zaWRlcl9wYWdlIiwiYWN0b3JfdXJuIjoidXJuOngteGluZzpjb250ZW50Omluc2lkZXI6NTc5NjMiLCJ2ZXJzaW9uIjoiMi4xLjAifQ&xng_share_origin=web

Kommentare

Anne M. Schüller schreibt über Touchpoint Management, Unternehmensführung, Kundenorientierung

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft.

Artikelsammlung ansehen