Gift aus Pfannen und Membranen: Der Kampf um das PFAS-Verbot
Die USA werden Verbote der schädlichen „Ewigkeitschemikalien“ zurückdrehen – Europa muss auch hier die Rolle des technologischen Vorreiters übernehmen und um Regulierungen kämpfen.
Keine Überraschung: So, wie die USA unter Donald Trump nahezu alles einreißen, was zum Schutz von Klima und Umwelt jemals etabliert wurde, wird es auch mit Einschränkungen bei gefährlichen Chemikalien kommen. Der „Guardian“ skizziert bereits, wie die Trump-Regierung Verbote für „forever chemicals“ stoppen oder zurückdrehen wird.
Schäden für Leber, Gehirn, Hormonhaushalt
Seit Jahren häufen sich Berichte über die gesundheitsschädlichen Folgen der „Ewigkeitschemikalien“ der PFAS-Gruppe (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen), die so genannt werden, weil sie sich kaum abbauen. Weniger der Gebrauch, sondern vor allem Herstellung und Entsorgung der PFAS setzen Gifte frei, die in die Nahrungskette gelangen und ebenso „ewig“ schaden. Krebs, Leberschäden, hormonelle Störungen und die Gehirnentwicklung stehen im Fokus der Forschung.
Wie groß die nachgewiesene Belastung in Deutschland schon ist, lässt sich auf einer interaktiven Karte (siehe unten; www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/pfas-chemikalien-deutschland-101.html) bis auf die Ebene von Städten und Kreisen nachvollziehen. Die Europäische Union verhandelt schon länger über drastische Einschränkungen – ob die Entwicklungen in den USA auf das Verfahren indirekt Einfluss nehmen, dürfte spannend werden.
Denn Einschränkungen der unter Umständen giftigen Chemikalien betreffen Spitzentechnologie ebenso wie Bratpfannen (Markenname „Teflon“), Kosmetika und Kleidung; PFAS haben wegen ihrer herausragenden Eigenschaften das alltägliche Leben auf allen Ebenen durchzogen.
Markenartikler und die Irreführung
Die antihaftbeschichteten Kochgeräte sind nur das populärste Beispiel. Kürzlich hat die Verbraucherzentrale Hamburg einige besonders stark beworbene Pfannen untersucht und große Mengen organischen Fluors – eben PFAS – nachgewiesen. Deklariert wird das nicht; das ist, zur Empörung der Verbraucherschützer, auch nicht vorgeschrieben. Ärgerlich ist jedenfalls die Irreführung, mit der auch Markenhersteller zum Beispiel das Schild „frei von PFOA“ an ihre Antihaftprodukte heften – das ist eine von unzähligen Varianten der PFASs, die tatsächlich schon verboten ist und einfach durch chemisch nahe Verwandte ersetzt wird.
Nicht scharf anbraten? Dann ist es drin
Alternative Beschichtungen sind vorgestellt worden, im Markt aber noch nicht so recht angekommen. Vielmehr hegt die Hamburger Verbraucherzentrale den Verdacht, dass PFAS-haltige Pfannen bald in großem Stil mit hohen Rabatten abverkauft werden, um möglichen Verboten zuvorzukommen. Die Verbraucherzentrale hat übrigens einen guten Tipp, wie man diese Exemplare erkennt, auch wenn die Zusammensetzung verschleiert wird: Der Hinweis, man solle das Gerät nicht zu hoch erhitzen, ist ein sicheres Signal. Beim scharfen Anbraten bilden sich nämlich giftige Dämpfe. Das gilt auch für keramische Beschichtungen, die oft ebenfalls PFAS enthalten.
Meilenstein beim Spielzeug
Die Hersteller und auch das Bundesinstitut für Risikoabschätzung (BfR) berufen sich darauf, dass etwa Partikel aus zerkratzten Pfannen nicht gefährlich seien, weil das inerte (nicht reaktionsfähige) Material unverändert wieder ausgeschieden werde. Sich die „ewigen“ Chemikalien auf diesem Weg frohgemut einzuverleiben, ist wohl eine Frage des Temperaments.
Wie in anderen Politikfeldern hat die EU noch die Chance, einen eigenen Weg zu gehen und in der Forschung zu Ersatzstoffen die Führung zu übernehmen. Mitte März wurde immerhin schon einmal ein Verbot von PFAS und anderen Chemikalien im Kinderspielzeug beschlossen, Verbraucherschützer feiern das als Meilenstein.
Probleme für die Medizintechnik
Während Spielzeug und Kochgeschirr ohne PFAS sehr gut denkbar sind, ist der mögliche Verzicht in diversen hochtechnologischen Branchen mindestens heikel und steht in einem kaum lösbaren Konflikt mit anderen wichtigen Zielen. Da ist zum einen die Medizintechnik, wo zum Beispiel Stents und Implantate gerade von den speziellen Eigenschaften wie Dauerhaftigkeit und wenig Anhaftung profitieren. Branchenvertreter fordern Ausnahmeregelungen, auch mit dem Argument, nur einen kleinen Teil der gefährlichen Stoffe zu beanspruchen.
Energiewende in Gefahr?
Das Gleiche gilt für entscheidende Technologien der Energiewende. Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff benötigen Membrane mit sehr spezifischen elektrochemischen Eigenschaften, ebenso die technisch verwandten Brennstoffzellen. Auch Batterien und Akkus sind auf PFAS angewiesen, wenn sie durch Leistung und Haltbarkeit konkurrenzfähig sein sollen.
In einem großen Report der Fraunhofer-Gesellschaft werden zwar Ansätze aufgezeigt, doch „wir sind gerade erst an Anfang“, wie Taybet Bilkay-Troni, Leiterin der Abteilung Polymere und Elektronik am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung, einräumt. Auch deshalb richtet sich viel Forschungsenergie auf Methoden, PFAS wieder aus der Umwelt zu entfernen.
Ein internationaler Verbund von Experten und Journalisten hat seit Beginn des Jahres zunehmende Aktivitäten von Lobbyisten dokumentiert, die das Thema PFAS relativieren und durch Desinformation verwirren wollen. Wie es aussieht, haben diese Kreise jetzt die Regierung der USA auf ihrer Seite.