Gleicher Lohn für alle Mitarbeitenden – wie geht das?
Schon seit seiner Gründung 1988 gilt beim Schweizer Architektur-Verlag Hochparterre Lohngleichheit. Du denkst jetzt vielleicht: Wie kann das funktionieren? Und wie setzt man das konkret um? Lilia Glanzmann, Mitglied der dreiköpfigen Geschäftsleitung, lüftet für uns das Geheimnis um ihre Lohnkultur und erklärt, weshalb sich dies wie eine «angestellte Selbständigkeit» anfühlt.
Frau Glanzmann, bei Hochparterre gilt seit der Gründung 1988: Gleicher Lohn für alle. Können Sie unseren Lesern erklären, wie die Umsetzung konkret funktioniert?
Wer 100 Prozent bei Hochparterre arbeitet, bekommt 13 Mal 6'400 Franken. Unser Verlag Hochparterre ist profitorientiert. Der Gewinn geht zu einem kleinen, vertraglich fixierten Teil an die dreizehn Aktionärinnen und Aktionäre, die alle bei Hochparterre arbeiten, und zu einem grossen Teil als sogenanntes «Bärenfell» an alle. Dieses machte in den letzten 15 Jahren einen Jahreslohn für 100 Prozent um die 110’000 Franken aus.
Auch die Aktien gehören den Mitarbeitenden. Wie werden diese aufgeteilt?
Einsteigen kann, wer möchte. Die Mehrheit liegt noch bei unserem Gründer und Verwaltungsratspräsident Köbi Gantenbein. Wir organisieren aktuell die Übergabe seiner Aktien – diese sollen auch weiterhin den Mitarbeitenden gehören.
«Es gibt keinen Grund, warum ein Chef mehr verdienen soll als die anderen.»Lilia Glanzmann, Co-Geschäftsleiterin von Hochparterre
Wie kam es zu dieser doch noch unüblichen Lohnpolitik bei Hochparterre?
Aus Überzeugung: Es gibt keinen Grund, warum ein Chef mehr verdienen soll als die anderen. Die Werte liberté, égalité et solidarité trugen Hochparterre zu Beginn und bleiben auch heute zentral. Im Jubiläumsfilm zu unserem 30. Geburtstag erzählen die beiden Gründer Beno Loderer und Köbi Gantenbein, wie es dazu kam.
Führt diese Art der Lohnkultur auch zu Konflikten?
Die allseits bekannten Konflikte um den Lohn entstehen gar nicht erst. Wer bei Hochparterre arbeitet, vertraut auf dieses System und unsere Werte. Natürlich bedarf unser Lohnmodus jeweils etwas Erklärung, etwa wenn wir eine Stelle neu besetzen. Aber auch hier: Wer sich nicht darauf einlassen will, bewirbt sich nicht.
Welche Vorteile bringt Ihre Art der Lohnkultur gegenüber anders aufgestellten Firmen? Was machen Sie besser als andere Unternehmen?
Jede und jeder «Hochparterri» denkt auch unternehmerisch. Wir wissen alle, wofür wir arbeiten – machen wir unsere Sache gut, zahlt sich das aus: Wir verdienen alle gleich viel, bleibt am Ende des Jahres etwas übrig, teilen wir es auf. Die egalitäre Beteiligung am Gewinn motiviert alle, zusammen Hervorragendes zu leisten, um den eigenen Jahreslohn aufzustocken. Bei Hochparterre zu arbeiten fühlt sich an wie eine «angestellte Selbständigkeit».
Hochparterre bietet seinen Mitarbeitenden auch zwei Monate bezahlten Bildungsurlaub, das alle vier Jahre. Was versprechen Sie sich von diesem Zückerli?
Hochparterre will eine gesunde Firma sein. Darum pflegen wir den Bildungsurlaub, dank dessen jede und jeder alle vier Jahre zwei Monate bezahlten Urlaub hat, zusätzlich zu den fünf Wochen Ferien. Auch bietet der Bildungsurlaub für manche eine Kompensation für einen höheren Lohn, den sie anderswo erreichen könnten.
Bei Ihnen wird Mitbestimmung gross geschrieben. Da stellt sich die Frage: Wenn immer alle mitentscheiden müssen, ist das nicht auch sehr langwierig?
Was Entscheidungen angeht, sind wir breit aufgestellt. Hier ist Vertrauen wichtig. Vieles im Tagesgeschäft wird bereits in Grüppchen entschieden: Diese formieren sich zu einem bestimmten Thema und bearbeiten es. Die Zuständigkeiten sind letztlich klar geregelt, Hochparterre ist in einer Matrix organisiert. Das ist ganz banal eine Tabelle, in der aufgelistet ist, wer welche Kompetenzen hat und für was verantwortlich ist.