Great Expectations – welche realistischen Erwartungen Topmanager an Abfindungen haben sollten
Wenn Manager ihren Posten räumen sollen, beginnen regelmäßig Verhandlungen um Abfindungen. Anspruch und Wirklichkeit fallen allerdings bei kaum einem Thema mehr auseinander als bei Abfindungen für Manager. Die Erwartungshaltung von Managern ist groß, der Trennungsschmerz sitzt oft tief und eine hohe Abfindung soll Genugtuung verschaffen. Jeder Manager kennt mehrere Fälle, in denen Kollegen enorme Abfindung erhalten haben. Die Frage ist, ob diese enormen Abfindungen der Realität entsprechen und ob Manager mit rechtlichen Beschränkungen rechnen müssen, erklärt Dr. Stefan Röhrborn im folgendem Artikel.
Abfindungen für Manager – Erwartungen und Realität
Bei den Verhandlungen über Abfindungen erwarten Manager, dass der bestehende Geschäftsführeranstellungs- oder Vorstandsvertrag bis zum nächst möglichen Vertragsende vollständig ausbezahlt wird. Ebenfalls unter Einbeziehung der variablen Vergütung wie Boni, Tantieme oder Erfolgsbeteiligungen. Andere verlangen darüber hinaus eine Abfindung für den Verlust der Managementposition oder einen Schadensersatz für die Einschränkungen, die sie wirtschaftlich bei künftigen Positionen möglicherweise hinnehmen müssen. Eine andere Maßnahme ist die Abfindung anhand eines festen Faktors, der für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit angepasst wird. Als Messwert gelten häufig Abfindungen von Vorständen internationaler börsennotierter Unternehmen. Zur bloßen Abfindung kommt nicht selten die feste Erwartung hinzu, dass das Unternehmen die Kosten für Outplacement oder eine Rechtsberatung übernimmt.
Der Trennungsschmerz sitzt oft tief und eine hohe Abfindung soll Genugtuung verschaffen.
Die Realität zeigt allerdings, dass derartige Erwartungshaltungen von Topmanagern in aller Regel fern jeder Machbarkeit sind. Sowohl juristisch als auch wirtschaftlich. Die Zeiten, in denen ein Vertrag bis zum nächst möglichen ordentlichen Vertragsende bei vorzeitiger Trennung vollständig ausbezahlt wurde, sind lange vorbei. Der Grund hierfür liegt im Thema Compliance und in einer immer transparenteren Rechtsprechung zum Thema Vermögensbetreuungspflicht. Auch taktische Argumente wie § 615 BGB, spielen eine Rolle. Nach dieser Vorschrift muss sich der Manager während der Freistellung anderweitig erzielte Vergütung auf seine Gehaltsansprüche beim Unternehmen, aus dem er ausscheiden soll, anrechnen lassen.
Ein Blick auf die Rechtslage bei Abfindungen
Die Rechtslage bei Abfindungen ist dabei denkbar einfach: Einen Anspruch auf Abfindung hat weder ein Geschäftsführer noch ein Vorstand. Es sei denn ein Abfindungsanspruch ist konkret für den Fall vereinbart, dass der Manager auf Wunsch des Unternehmens vorzeitig ausscheiden soll. Nur in den allerwenigsten Dienstverträgen sind derartige Abfindungsansprüche für Manager vorgesehen. Abfindungen sind daher regelmäßig Gegenstand freier Verhandlungen zwischen dem Manager und dem Unternehmen. Hier ist jeder Fall rechtlich, wirtschaftlich und sozial individuell gelagert, so dass eine Verallgemeinerung von Abfindungsregelugen nicht möglich ist.
Im Grundsatz gilt, dass der Manager seine Vergütung so lange verlangen kann, wie er für das Unternehmen arbeitet. Wird der Manager zum Beispiel nach Ausspruch einer Kündigung für die Dauer der Kündigungsfrist freigestellt, behält der Manager zwar seinen Vergütungsanspruch, muss sich jedoch inzwischen anderweitigen Verdienst anrechnen lassen. Nach Ablauf der Kündigungsfrist oder nach Ablauf der restlichen, fest vereinbarten Vertragslaufzeit hat der Manager keine weiteren Abfindungsansprüche. Der einzige Schutz, den der Geschäftsführer oder Vorstand in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht hat, ist die Dauer der Kündigungsfrist oder die vereinbarte Restlaufzeit des Vertrages.
Kündigung vor Ende der Vertragslaufzeit
Möchte das Unternehmen sich bei Vereinbarung einer festen Vertragslaufzeit vorzeitig vom Manager trennen, ist die Gestaltung eines Aufhebungsvertrags reine Verhandlungssache. Als Faustregel kann gelten: Je länger die Restlaufzeit des Vertrags noch ist, desto niedriger ist der Prozentsatz, zu dem die restliche Vergütung als Abfindung kapitalisiert wird. Bei einer Restlaufzeit von 18 bis 24 Monaten darf der Manager durchaus zufrieden sein, wenn er die Hälfte der restlichen Vergütung in einer Summe als Abfindung erhält.
Der Manager muss aber Folgendes berücksichtigen: der Aufsichtsrat einer AG oder einer großen GmbH unterliegt einer Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Unternehmen. Die Aufsichtsräte dürfen also keine Beträge an den Vorstand oder Geschäftsführer genehmigen und auszahlen, auf die nicht ein ganz konkreter Rechtsanspruch besteht. Die vollständige Auszahlung des restlichen Gehalts bis zum nächst möglichen Vertragsende kann schon einen Untreuetatbestand darstellen. Insbesondere wenn Sachverhalte vorliegen, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnten. Die Auszahlung der vollständigen Restvergütung ist für den Aufsichtsrat rechtlich unproblematisch, wenn die Restlaufzeit des Vertrags kurz ist und rechtmäßig gesehen kein Anlass für eine Trennung besteht.
Nach Ablauf der Kündigungsfrist hat der Manager keine weiteren Abfindungsansprüche.
Besondere Vereinbarung der Übernahme von Outplacement- oder Rechtsberatungskosten sind nicht unüblich, aber einen Anspruch hierauf gibt es nicht. Der Manager muss wissen, was nach seiner individuellen Situation zu priorisieren ist: Geld, Zeit, Outplacement, Kostenersatz.
Anspruch auf Abfindung beim regulären Vertragsende
Endet der Dienstvertrag des Geschäftsführers oder Vorstands regulär mit Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Vertragslaufzeit, gibt es rechtlich gesehen keinen Ansatz eine Abfindung zu fordern. Es ist für den Aufsichtsrat in einer solchen Situation juristisch sehr gefährlich, gleichsam als „Abschiedsgeschenk“ eine Abfindung zu gewähren. Die Gewährung einer Abfindung ohne Rechtsanspruch kann für den Aufsichtsrat einen Untreuetatbestand darstellen, verbunden mit zivilrechtlicher Haftung. Die Handlungsspielräume für Aufsichtsräte, ausscheidenden Managern Abfindungen über die restliche Vergütung bis zum Vertragsende hinaus zu bezahlen, sind also äußerst gering.
Was kann der Manager daraus lernen? Am Anfang muss verhandelt werden, nicht am Ende: Es ist sinnvoll, eine Exit-Regelung schon im Anstellungsvertrag zu regeln. Eine solche Exit-Regelung kann eine Abfindung beinhalten aber auch andere Sicherungsmechanismen. Ein späteres Nachverhandeln ist rechtlich kaum möglich.
Über den Autor:
Dr. Stefan Röhrborn ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei Vangard in Düsseldorf. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Beratung und Vertretung von Geschäftsführern, Vorständen und leitenden Mitarbeitern in arbeitsrechtlichen Anliegen.
Die Erstveröffentlichung des Artikels finden Sie auf topmanager-blog.de