Navigation überspringen
article cover
Pixabay

Heimatträume: Warum Wohnen, Glück und Heimat zusammengehören

In Zeiten rasanter Veränderungen und Krisen brauchen Menschen Orte, wo sie Beziehungen eingehen und Bindungen pflegen können. Was heute unter Heimat verstanden wird, hat deshalb vor allem mit Zugehörigkeit und Wohlergehen zu tun.

Die Sehnsucht nach den eigenen vier Wänden ist auch ein Bedürfnis danach. Vor allem in der Corona-Pandemie haben viele Menschen den Wert des eigenen Zuhauses besonders schätzen gelernt. „Der Traum von Heimat braucht einen Raum von Heimat“, schreibt der Jurist und Politikwissenschaftler Daniel Dettling in seinem aktuellen Buch „Eine bessere Zukunft ist möglich“, in dem er Ideen für die Welt von morgen und aktuelle Entwicklungen vorstellt. Dazu gehören:

  • Rückbesinnung auf Orte und Gegenden, Kommunen und Regionen

  • Stärkung des lokalen Handels und Zusammenhalt

  • Agile Anpassung an Veränderungen

  • Wachsende Chancen auf soziale und wirtschaftliche Teilhabe in den ländlichen Regionen

  • Co-Living: „Individualität in Gemeinschaft leben“

  • Resiliente Gemeinschaften, in denen sich Menschen für ihre Nachbarn und ihre Umwelt verantwortlich fühlen.

Das Gemeinschaftswohnen erhielt durch Corona einen Schub. Die Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern prägte dafür den Begriff „Co-Immunity“ („Community plus Immunität.“) Gemeint ist damit eine Renaissance des Räumlichen und der Nachbarschaft. Wohnen ist für ihn aber nicht nur eine soziale und kulturelle Frage – es beeinflusst auch unser Glücksempfinden. Ein wesentlicher Glücksfaktor ist auch Wohneigentum. Dieses Glück findet sich vor allem in den mittleren und kleinen Städten, wo die Mehrheit der Deutschen wohnt. Aufgrund der Erfahrung in der der Corona-Zeit werden es in Zukunft mehr sein.

Es vollzog sich nicht nur ein Wandel der Familienverhältnisse, sondern auch ein Wandel des Verhältnisses von Häuslichkeit und Arbeit. Privathäuser zeichneten sich über Jahrhunderte hinweg vor allem dadurch aus, dass in ihnen nicht gearbeitet wurde. Inzwischen haben sich die Arbeits- und Lebensgewohnheiten geändert. Trennungen zwischen Wohnzimmer und Hobbyraum, Esszimmer und Küche gibt es kaum noch, spezifische Raumfunktionen wurden vielfach zugunsten offener Nutzungskonzepte aufgegeben. Es lässt sich aber auch belegen, dass Glück und Nachhaltigkeit im Kontext von Bauen und Wohnen zusammengehören.

Der Deutsch-Amerikaner Karsten Harries bemerkte in diesem Zusammenhang einmal, dass ein Gebäude nicht nur auf seinen Zweck und seine Ästhetik hin betrachtet werden sollte, sondern vor allem daraufhin, ob es „wirkliches Wohnen“ erlaubt – ob es für seine Bewohner einen Ort mit Sinn ausstattet und ihnen bei der Verwirklichung eines guten Lebens hilft. Bei einer ganzheitlichen Ausrichtung steht der Mensch im Mittelpunkt: „Zuallererst der Nutzer, der in einem gesunden Umfeld leben und arbeiten möchte, dann die direkte Umgebung und Nachbarschaft und damit die Einbindung in vorhandene städtebauliche und lokale Strukturen, aber auch alle, die an der Errichtung und Herstellung des Bauwerkes und deren Materialien involviert sind“, sagt der Architekt Matthias Schäpers, der bei K+S für die Themen Nachhaltigkeit und Wohngesundes Bauen verantwortlich ist. Die Nachfrage nach ganzheitlichem Bauen ist in den letzten Jahren auch vor dem Hintergrund gestiegen, dass der gesetzliche und gesellschaftliche Druck zunimmt. Schließlich ist die Baubranche verantwortlich für:

  • 30 % der CO2 Emissionen

  • 60 % des Abfallaufkommens in Deutschland

  • 40 % des Energie- und Ressourcenverbrauchs

  • 70 % der Flächenversiegelung

  • 90% der Biodiversitätsverluste.

Der Architekt Matthias Schäpers plädiert für einen ganzheitlichen Ansatz: „Denn nur wenn ein Rädchen in das andere greift, werden wir das natürliche Gleichgewicht und einen ausbalancierten Kreislauf erhalten.“ Gebäude sollen sich in die Umgebung einpassen und deren Besonderheiten aufnehmen. Zudem sollte ein guter Architekt auf zukünftige Herausforderungen eingehen: „Das heißt, er nimmt vor allem die Lebensphase und Lebensdauer des Bauwerks in den Fokus. Denn in der Planungsphase werden die Weichen für den Energieverbrauch des zukünftigen Gebäudes gestellt. Auch entscheidet der Entwurf darüber, wie groß der Aufwand einer Umnutzung und wie langlebig das Bauwerk sein wird und damit ein effizienter Ressourcenverbrauch.“ Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, zeitnah eine Lebenszyklus-basierende Wirtschaft in der Baubranche zu standardisieren. Um Unternehmen Anreize für den Umstieg zu schaffen, ist es wichtig, dass Städte und Kommunen auch ihre Beschaffungen nach Nachhaltigkeitsaspekten umgestalten - das führt wiederum zu einer wachsenden Nachfrage nach kreislauffähigen Rohstoffen bei Unternehmen. Cradle to Cradle NGO baut deshalb ihr Referat Städte und Kommunen (SUK) weiter aus und beschäftigt sich mit der Frage, wie die Bauwirtschaft komplett kreislauffähig gestaltet werden kann. Anstatt weniger Materialien einzusetzen, die nach ihrer Nutzung zu Müll werden, müssten Baustoffe verwendet werden, die von Beginn an für Kreislaufführung und Rückbaubarkeit konzipiert seien. Unter der Prämisse, dass im Sinne von Cradle to Cradle nur erneuerbare Energien verwendet werden, kann anschließend die Effizienz des Gebäudes betrachtet werden.

Die Bauwirtschaft muss erkennen, dass sich eventuelle Mehrkosten für einen kreislauffähigen Bau nach Cradle to Cradle künftig auszahlen werden. Nach Nora Sophie Griefahn, geschäftsführende Vorständin C2C NGO, sollten Gebäude mehr leisten „als nur ein Dach über dem Kopf. Sie können zum Beispiel einen positiven Einfluss auf Wasser und Luft haben, einen Lebensraum für Tiere und Pflanzen bieten und Flächen effizient nutzen.“ Dachbegrünung hilft beispielsweise, die durch den Bau entstandene Versiegelung von Flächen zu kompensieren. Die Vegetation von Gründächern ist jedoch begrenzt, zumal die meisten Flächen extensiv angelegt werden. Andererseits ist die Rückhaltefähigkeit von Niederschlagswasser ein weiterer Vorteil – „vor allem im Hinblick auf häufiger auftretende Starkregenereignisse in den letzten Jahren und damit verbundenen Überlastungen des öffentlichen Abwassersystems.“ Interessant wird es für ihn, wenn auch Fassaden und Öffnungen an den Gebäuden zur Begrünung genutzt werden, denn gerade in Ballungsräumen wird die Überhitzung im Sommer ein relevantes Problem: „Hier können Begrünungen das Mikroklima positiv beeinflussen. Pflanzen filtern zudem Schadstoffe. So werden spezielle Fassaden entwickelt, die in der Lage sind, nicht nur CO2 sondern auch andere Schadstoffe aus der Luft zu filtern und zu binden. Die Flächen kompensieren damit teilweise die Emissionen, die durch Herstellung und Nutzung des Gebäudes entstanden sind oder entstehen. Zusätzlich fördern sie eine gesunde Luftqualität im städtischen Raum.“

Denn die Städte müssen klimaresistenter und resilienter werden. Dazu gehören für Dettling Strom aus erneuerbaren Energiequellen, Grünflächen, regionale Landwirtschaft und nachhaltiges Bauen. Leider ist es beim Bauen allerdings oft so, dass nicht früh genug geplant wird. Bei K+S werden bei der Entwicklung von Wohnraum ökologische und sozialgesellschaftliche Aspekte schon sehr früh in die Planungsphase mit einbezogen, „um sowohl für die späteren Bewohner als auch für die unmittelbare Umgebung einen Mehrwert zu stiften“, so Matthias Schäpers. Der Architekt wünscht sich, dass C2C auch branchenübergreifend im Bau künftig eine größere Rolle spielen wird, denn beim Bauen damit werden auch mehr Kriterien berücksichtigt – zum Beispiel neben Materialgesundheit auch die Gesundheit der Bewohner:innen und der Umgebung: Schließlich ist die Gesundheit, so Schäpers, „das wichtigste Gut. Die Grundvoraussetzung dafür ist eine gesunde Umgebung.“

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

Artikelsammlung ansehen