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© PhotoAlto/Eric Audras

Hotel Sacher: So überleben Traditionsunternehmen die Digitalisierung

Frische Ideen, Austausch mit Innovatoren und New Workern, die Neues probiert und aus Fehlern gelernt haben – das steht im Mittelpunkt der kommenden NEW WORK SESSIONS. Hotel Sacher Chef Matthias Winkler ist einer der zahreichen prominenten, mutigen und neugierigen Speaker, die am 6. November bei den NEW WORK SESSIONS in Wien sprechen.

Das war vor circa zwei Jahren, als eine besonders engagierte Mitarbeiterin des Hotels Sacher Salzburg, Frau Poschinger, die Position für HR übernahm. Wir haben ihr die Stelle gegeben, weil sie ein unglaublich interessierter Mensch ist. Sie hat sich auch sehr schnell in die Materie eingearbeitet. Und: Sie hat mich das erste Mal mit dem Begriff „New Work“ konfrontiert. Aber auch ohne diesen Begriff zu kennen, war die Praxis von New Work schon länger bei uns im Haus präsent, allerdings erst in seinen Anfängen: In Form von demokratisierten Mitarbeiterstrukturen, flachen Hierarchien, internen wie externen digitalen Lösungen sowie eines modernen und aufgeschlossenen Managementstils.

Anfangs ist die Art, wie ich an bestimmte Themen herangegangen bin, schon auf erstaunte Gesichter gestoßen. Viele meiner Herangehensweisen waren und sind wahrscheinlich nicht branchenüblich. Das hat dann auch Dinge infrage gestellt, die Jahre oder Jahrzehnte lang zuvor niemand infrage gestellt hat. Eine anstrengende Zeit für viele Beteiligte, für manche auch überraschend und für einige vielleicht auch erschreckend oder gar störend.

Vorgefunden habe ich das Unternehmen so, wie man es sich als Geschäftsführer wünscht – und so, wie man es selbst mit gutem Gewissen an die nächste Generation weitergeben möchte. Verändert haben wir dennoch viele Dinge. Die von uns angestoßenen Veränderungen lassen sich in drei Bereiche unterteilen:

Punkt eins: Wir haben uns der Digitalisierung geöffnet. Wir haben geschaut: Was ist in den letzten Jahren passiert und was passiert da noch in den nächsten Jahren? Dabei haben wir uns in anderen Branchen umgesehen, beispielsweise bei Medien- und Technologieunternehmen. So haben wir einen breiteren Blickwinkel auf Ideen, Herangehensweisen und Lösungen zur Digitalisierung bekommen, von denen wir einiges auf unsere Branche anwenden konnten.

Punkt zwei: Wir haben unsere Arbeitsprozesse verändert und Projektarbeit eingeführt. Im ersten Jahr sind wir damit kolossal gescheitert, haben aber sehr schnell daraus gelernt. Jetzt haben wir schlagkräftige Projektarbeitsprozesse umgesetzt und die Strukturen weitestgehend demokratisiert. Die Mitarbeiterbeteiligung ist wesentlich höher als zuvor.

Punkt drei: Wir haben eine Fehlerkultur etabliert, lassen also Scheitern als möglichen Ausgang von Herangehensweisen zu. Dieses strukturierte Scheitern führt dazu, dass wir schnell die Fehlerursachen analysieren können und daraus eine hohe Lernkurve entsteht. Das macht uns viel flexibler, agiler und damit auch kurzfristiger handlungsfähig. Die alte Schuldfrage weicht der Frage, wer macht es wie besser in Zukunft?

Ich musste als Verantwortlicher viel Überzeugungsarbeit leisten, was mich mehr Energie und Kraft gekostet hat, als ich anfangs dachte. Die erfolgreiche Implementierung von New-Work-Strukturen hängt vom Engagement der Führungsgremien ab. Wenn von der Firmenleitung keine Anstöße kommen, wird es schwer. Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen und überzeugen. Mit Zwang funktioniert das nicht. Und ja, auch jetzt scheitern wir ab und an immer noch. Weniger und stiller als vorher. Aber auch hier lernen wir wieder schnell aus den Gründen für das Scheitern.

Schöne Hotels sind heute kein ausreichender Grund mehr, um Gäste zu locken. Ein gutes Produkt ist die Grundvoraussetzung für die Marktteilnahme, reicht für den Erfolg aber nicht aus. „Schlafen, wohnen, essen, trinken“ sind die Basis. Aber letztlich geht es um ein Erlebnis, ein individuelles und persönliches. Und dieses Erlebnis kreieren weder die schönsten Vorhänge noch das Marmor-Bad – sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Hotel-Service. Die aktive Aufmerksamkeit und das ehrliche Interesse unserer Mitarbeiter machen den Unterschied.

Trotz traditionellem Hotelbetrieb setzt Matthias Winkler auf Digitalisierung. - © Jakob Gsellpointner
Trotz traditionellem Hotelbetrieb setzt Matthias Winkler auf Digitalisierung. - © Jakob Gsellpointner

Ein Hochzeitspaar hat Flitterwochen in einem unserer Hotels gemacht. Anstatt ein Taxi zum Abendessen zu ordern, hat der verantwortliche Mitarbeiter eine Kutsche bestellt. Unsere Mitarbeiter kennen auch die Lieblingsgetränke und -speisen vieler Gäste – in speziellen Fällen personalisieren wir schon die Minibar auf dem Zimmer nach deren Gusto. Diese kleinen Gesten sind zeit- und manchmal auch kostenaufwändig, machen aber das Sacher-Erlebnis perfekt. Da kann es noch so viel Technologie auf der Welt geben, Mitarbeiter machen immer den Unterschied.

Momentan programmieren wir eine Sacher-App für Hotelgäste, die Mitte 2020 ausgerollt werden soll. Intern haben wir dieses Jahr „Hotel-Kit“ eingeführt, eine Art Arbeits-Facebook für unsere Kolleginnen und Kollegen. Das ist ein Arbeitstool, über das Mitarbeiter live kommunizieren können. Wenn in einem Gang eine Lampe defekt ist, kann das sofort fotografiert und in die Community geladen werden. Im Hintergrund arbeitet dann ein Team, das alle Vorkommnisse priorisiert und löst. Es finden auch Ideenwettbewerbe statt oder Lob und Beschwerden werden dokumentiert und abgearbeitet.

Wir haben einen Zugang gewählt, der jede Herangehensweise möglich macht: „Sowohl als auch“, statt „Entweder-Oder“! Unsere Gäste müssen beispielsweise die neue App nicht nutzen, sie können auch per Telefon oder direkt mit unseren Mitarbeitenden kommunizieren. Wir zwingen niemanden zur Technologie. Dennoch glaube ich, dass digitale Lösungen wie eine Hotel-App in Zukunft relevanter werden. Also ist es wichtig für uns, da schon jetzt mit dabei zu sein.

Ich kann nur von unseren Hotels sprechen. Und da muss ich ganz klar sagen: Digitalisierung ersetzt keine Menschen. Das Gegenteil ist der Fall. Mit dem Digitalisierungsgrad steigt die Wichtigkeit unserer Mitarbeitenden. Denn alles, was wir im Hotel digitalisieren, nimmt den Mitarbeitern Zeit und Belastung ab. Zeit, die unsere Sacherianer dann für den Gästekontakt nutzten können, um ein noch schöneres Erlebnis für sie zu gewährleisten. Die Mitarbeiter werden also wichtiger. Bei uns ist jeder Mitarbeiter Sacher-Botschafter, jeder ist Gastgeber!

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Event-Info: Unternehmerische Sinnhaftigkeit und individuelle Ansprüche ans Arbeitsleben rücken immer stärker in den Fokus und werden so zum Antreiber der kulturellen Transformation. Frische Ideen, Austausch mit Innovatoren und New Workern, die Neues probiert und aus Fehlern gelernt haben – das steht im Mittelpunkt der NEW WORK SESSIONS, einem Event der ein Event der NEW WORK SE (früher XING SE), die am 6. November in Wien stattfinden. Gemeinsam mit den Partnern DNA Das Neue Arbeiten, kununu und Bene lädt XING Österreich dazu ein zu diskutieren und Impulse mitzunehmen. Mehr Informationen und Tickets finden Sie unter diesem Link.

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NWX – New Work News schreibt über Alles zur Zukunft der Arbeit

Alles zur Zukunft der Arbeit: Auf dieser News-Seite finden alle New Work-Interessierten multimedialen Content rund um das Thema. Neben Experten-Interviews, Debatten, Studien, Tipps und Best Practices, erwarten die Leser auch Video- und Podcastformate. Und natürlich ein Überblick unserer gesamten New Work Events, die mehrmals im Jahr im gesamten deutschsprachigen Raum stattfinden. Weitere spannende Inhalte zum Thema New Work finden Sie auf: nwx.new-work.se

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