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Hybride Arbeitsmodelle: mehr Wunsch als Realität?

Am 24. November 2021 ist das neue Infektionsschutzgesetzt der Bundesregierung in Kraft getreten, was neben der 3G-Regelung am Arbeitsplatz auch die Homeofficepflicht betrifft. Konkret heißt das: Wenn möglich – etwa bei Büroarbeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten – müssen Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden das Arbeiten im Homeoffice anbieten, insofern zwingende betriebsbedingte Gründe dem nicht entgegenstehen.

Diese Regelung zur Heimarbeit gab es schon in der ersten Jahreshälfte 2021. Da könnte man meinen, dass Unternehmen hierzulande inzwischen längst die nötigen Voraussetzungen für hybride Arbeitsmodelle, die – wie in der jetzigen Krisensituation – schnell ein erneutes Umschalten in den Remote-Modus ermöglichen, geschaffen hätten. Die Realität sieht jedoch anders aus, wie eine aktuelle YouGov-Umfrage unter 508 ArbeitnehmerInnen ohne Führungsverantwortung in Deutschland zeigt.

Wer auf ein hybrides Arbeitsmodell setzt, kann in Krisensituationen schneller und flexibler reagieren

Ein hybrides Arbeitsmodell – sprich, ein geregelter Mix zwischen Office- und mobiler Arbeit – wurde bislang, laut Auskunft der Befragten, in nur 27 Prozent der Unternehmen verabschiedet. Mehr als ein Drittel (34 Prozent) gibt an, dass ein solches nicht existiert, und 36 Prozent der Befragten sagen, dass in ihrem Bereich ein hybrides Arbeiten grundsätzlich nicht möglich ist. Nicht möglich ist hybrides Arbeiten dabei typischerweise in Branchen wie dem Handel oder im produzierenden Gewerbe, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier genau da vor Ort sein müssen, wo auch die Leistung erbracht wird. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: In rund zwei Drittel der Unternehmen wäre ein hybrides Arbeiten, das auch eine Rückkehr ins bzw. ein verstärktes Arbeiten im Homeoffice ermöglicht, grundsätzlich umsetzbar. Aber in nur circa einem Viertel der Unternehmen ist ein solches Hybridmodell bereits fest im Arbeitsalltag verankert.

Nur 27 Prozent der Befragten sagen, dass in ihrem Unternehmen ein hybrides Arbeitsmodell verabschiedet wurde. - © HIRSCHTEC
Nur 27 Prozent der Befragten sagen, dass in ihrem Unternehmen ein hybrides Arbeitsmodell verabschiedet wurde. - © HIRSCHTEC

Schaut man sich die Ergebnisse noch einmal im Detail an, gerade mit Blick auf die Größe des Unternehmens, dann wird deutlich: Speziell in mittleren und größeren Unternehmen wurden mehr hybride Arbeitsmodelle als in kleineren eingeführt. Ein Grund dafür mag sein, dass kleinere Unternehmen oft vielleicht noch gar nicht die passende Infrastruktur besitzen, ihre Systeme noch nicht in der Cloud betreiben und generell noch nicht so digital organisiert sind, dass hybride Modelle unterstützt würden. Doch nicht nur die großen Unternehmen treiben unsere Wirtschaft voran, sondern vor allem auch die vielen kleineren.

Deshalb ist es in meinen Augen auch so wichtig, dass sich jedes Unternehmen mit diesem Thema beschäftigt. Denn wir werden nicht nur in Krisensituationen wie jetzt, sondern auch zukünftig, zu „normalen Zeiten“, in derlei Szenarien arbeiten. Mitarbeitende sind es durch die Pandemie schon gewöhnt, auch im hybriden Set-up ihre Leistungen zu erbringen, und fordern daher diese flexiblen Arbeitsmodelle auch bewusst von ihren Arbeitgebern ein. Das heißt, dass sich jedes Unternehmen mit diesen Konzepten vertraut machen und entsprechende Modelle einführen sollte, was bei den kleineren Unternehmen derzeit offensichtlich noch in geringerem Umfang passiert bzw. möglich ist.

In mittleren und großen Unternehmen kommt ein hybrides Arbeitsmodell doppelt so häufig zum Einsatz wie in kleineren. - © HIRSCHTEC
In mittleren und großen Unternehmen kommt ein hybrides Arbeitsmodell doppelt so häufig zum Einsatz wie in kleineren. - © HIRSCHTEC

Mitarbeitende werden oft noch nicht umfassend bei der Entwicklung hybrider Arbeitsmodelle miteinbezogen

Was uns im Zuge der YouGov-Umfrage – und mit Blick auf die Unternehmen, in denen ein hybrides Arbeitsmodell bereits verabschiedet wurde – natürlich ebenfalls interessiert hat: Inwiefern wurden bzw. werden die Mitarbeitenden bei der Gestaltung dieses hybriden Arbeitsmodells eigentlich miteinbezogen? Hier zeigen die Ergebnisse: Nur 30 Prozent der Befragten, in deren Organisation ein hybrides Arbeitsmodell existiert, geben an, dass sie bei dessen Entwicklung auch umfassend teilhaben konnten. Ein Viertel wurde gar nicht miteinbezogen und 39 Prozent zumindest etwas.

Dass nur ein Drittel der Befragten intensiv an der Gestaltung des Arbeitsmodells in ihrem Unternehmen mitgearbeitet hat, ist meiner Meinung nach deutlich zu wenig. Ich kann Arbeitgebern deshalb nur raten, ganz konkret gemeinsam mit den Betroffenen ein Arbeitsmodell zu erarbeiten, das tatsächlich bezogen auf die jeweilige Arbeitssituation ist, und dieses Modell dann auch einzuführen. Nur so wird es auch wirklich akzeptiert und von der Belegschaft gestützt. Konkret geht es darum, neue Formate und Zeiten für die physische Zusammenarbeit zu vereinbaren und für die Treffen im Office auch einen nachvollziehbaren Zweck zu formulieren. Nur „Kommt bitte wieder ins Büro“ wird nicht auf Gegenliebe stoßen. „Kommt bitte ins Büro für den persönlichen Wissenstransfer, da wir sonst keine innovativen neuen Lösungen finden können“ ist da schon nachvollziehbarer.

Nicht einmal ein Drittel der Befragten wurde umfassend in die Entwicklung des hybriden Arbeitsmodells miteinbezogen. - © HIRSCHTEC
Nicht einmal ein Drittel der Befragten wurde umfassend in die Entwicklung des hybriden Arbeitsmodells miteinbezogen. - © HIRSCHTEC

Bei HIRSCHTEC sind wir zum Beispiel wie folgt vorgegangen: Die Teams haben Vorschläge erarbeitet, wie ein solches neues Arbeitsmodell aussehen kann und wie es sich gut in den Arbeitsalltag integrieren lässt. Als Digitalagentur sind wir da natürlich in dem Sinne privilegiert, dass wir unsere Systeme schon immer auf das ortsunabhängige Arbeiten abgestimmt und stark auf die Cloud gesetzt haben. Trotzdem war aber auch für uns wichtig, sich genau zu überlegen, wie ein hybrides Arbeitsmodell zu unseren Agenturabläufen passen kann. Das heißt: Bei uns haben die Teams entschieden, dass gewisse Formate wie Team-Meetings, Retrospektiven oder Stand-ups wöchentlich im Büro stattfinden und Schulungen bzw. Workshops, in denen die Mitarbeitende mehr Ruhe brauchen, von zu Hause aus durchgeführt werden können. Diese Mischung wurde von den Teams analysiert und dann gemeinsam mit der Geschäftsführung verabschiedet.

Das Resultat: Ein Modell, in dem die Mitarbeitenden zwei bis drei Tage pro Woche (die Tage können flexibel vereinbart werden) im Büro arbeiten und den Rest von zu Hause aus bzw. mobil. Aufgrund der aktuellen Coronasituation sind wir inzwischen jedoch auch dazu übergegangen, die Präsenzzeiten im Office wieder zurückzufahren. Sobald sich die Lage bessert, hoffen wir, wieder in unser gemeinsam erarbeitetes Hybridmodell zurückkehren zu können.

Was den Mitarbeitenden im Homeoffice am meisten fehlt? Der informelle Austausch mit KollegInnen

Denn wir haben noch eine weitere wichtige Erkenntnis aufgrund der YouGov-Ergebnisse gewinnen können. Eine rein digitale Zusammenarbeit scheint – mit Blick in die Zukunft – nicht die Lösung zu sein. Vielmehr braucht es die richtige Mischung aus Office- und mobiler Arbeit. Denn was den Befragten bei einer rein digitalen Zusammenarbeit im Homeoffice am meisten fehlt (48 Prozent), ist der informelle Austausch mit ihren Kolleginnen und Kollegen. Für Arbeitgeber und Führungskräfte heißt das: Auch im hybriden Modell müssen Formate gefunden werden, in denen informeller Austausch stattfindet. Führungskräfte sollten genau diesen bewusst fördern und dafür sorgen, dass die Teams wirklich zusammenkommen und sich austauschen können. Die Lösung kann daher in meinen Augen nicht sein, dass jeder Mitarbeitende einfach für sich selbst entscheidet, wann er ins Büro kommt, weil so schlimmstenfalls wieder kein persönlicher Austausch in den Teams stattfindet, da die Mitarbeitenden nur sehr punktuell und vereinzelt vor Ort sind. Anlässe für Austausch und Wissenstransfer kreieren – ob vor Ort im Büro oder bei der digitalen Zusammenarbeit – das ist es, worauf es ankommt.

Fast die Hälfte der Befragten vermisst am häufigsten den informellen Austausch mit KollegInnen. - © HIRSCHTEC
Fast die Hälfte der Befragten vermisst am häufigsten den informellen Austausch mit KollegInnen. - © HIRSCHTEC

Was die Studienergebnisse ebenfalls verdeutlichen: Nur zwölf Prozent der Befragten vermissen den Zugang zu Informationen, die für die korrekte Durchführung ihrer Arbeitsaufgaben nötig sind. Und nur sieben Prozent fehlt eine Befähigung im Umgang mit neuen digitalen Arbeitstools. Das zeigt: Digitale Tools können von den Mitarbeitenden bereits effizient und effektiv im Arbeitsalltag eingesetzt werden. Bei den digitalen Plattformen für die interne Kommunikation und Zusammenarbeit gibt es folglich kein Vermittlungs- oder Nutzungsproblem mehr. Sie wurden nicht nur eingeführt, sondern auch von den Mitarbeitenden verstanden. Das, was wirklich fehlt, ist der Wissenstransfer, der meiner Erfahrung nach auch nur schwer über digitale Medien abzubilden ist. Ganz einfach gesagt: Ich kann in einer Plattform ein Dokument, eine Information ablegen. Aber Wissen zwischen mehreren Menschen zu vermitteln, das geht überwiegend über den persönlichen Kontakt. Bei der Entwicklung hybrider Arbeitsmodelle ist es zukünftig deshalb umso wichtiger, da eine gesunde Mischung hinzubekommen.

Und wie sieht es bei Ihnen im Unternehmen aus? Ich bin gespannt, welche Erfahrungen Sie bei der Entwicklung hybrider Arbeitsmodelle gemacht haben oder aktuell machen, und freue mich über Ihr Feedback hier unter Kommentare.

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Lutz Hirsch schreibt über Interne Digitalisierung

Seit 2005 begleite ich mit HIRSCHTEC Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer internen Kommunikation und Zusammenarbeit. Themen, die mich dabei tagtäglich beschäftigen: Mitarbeiter in Unternehmen für den digitalen Arbeitsplatz begeistern, Change Management, Kulturwandel, IK- und Plattformtrends.

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