Navigation überspringen
article cover
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht zu fördern, ist geschäftsschädigend. - © Getty Images

Ich bin Vater und vermisse meine Kinder auf Geschäftsreisen – wie Job und Familie auch für Männer zusammenfinden

Roman Gaida ist Topmanager und Vater vierjähriger Zwillinge. Im Interview erklärt er, warum Unternehmen zukünftig die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen müssen, um Talente zu halten.

Ein Interview von Anna Weyer

XING News: Karriere machen und zugleich ein guter Vater sein – das halten viele für nicht machbar. Woran liegt das?

Roman Gaida: Viele Führungskräfte denken vermutlich immer noch, dass eine Karriere nur funktionieren kann, wenn man das Familienleben opfert. Schließlich haben Frauen und Männer mit dieser Denkweise ihr eigenes Ziel erreicht. Hinzu kommt: Es gibt auf der Führungsebene wenig Menschen, die einem eine Alternative aufzeigen.

Du bist Führungskraft in einem Fortune-500-Unternehmen und hast ein Buch über Vereinbarkeit geschrieben. An wem hast Du Dich auf Deinem Karriereweg orientiert?

Roman Gaida: Keiner in meine Familie hatte bisher studiert. Meine Definition von Karriere ist also mit mir historisch gewachsen. Ich habe mit 17 eine Ausbildung angefangen und dann in Schichtarbeit gearbeitet. Irgendwann holte ich mein Abitur am Wochenende nach, studierte und war selbstständig, um mir alles zu finanzieren.

Das klingt dennoch nach einer klassischen Aufstiegskarriere. Was hast Du also anders gemacht?

Roman Gaida: Natürlich möchte auch ich Tätigkeiten ausüben, die mir Spaß machen. Aber Karriere ist für mich nicht Selbstzweck, sondern Selbstwirksamkeit. Ich habe schnell gemerkt, wie viel mehr ich auf der Führungsebene verändern kann. Und das alles wollte ich nicht auf Kosten meiner Partnerin oder meiner Kinder tun.

Schaut man sich den aktuellen Väterreport des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an, wird man schnell auf den Boden der Tatsachen geholt: Im Jahr 2019 waren 92,2% der Väter mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren erwerbstätig, bei Frauen hingegen waren es nur 74,7%. Glaubt man also der Datenlage, sind wir bisher noch nicht viel weitergekommen.

Welchen Tipp kannst du Menschen geben, die Karriere machen und gleichzeitig ein Familienleben haben wollen?

Roman Gaida: Sie sollten sich erst mal überlegen, was sie wirklich gern machen und was Erfolg für sie bedeutet. Ein langfristiger Plan hilft zwar, am Ende sollte man sich aber sicher sein, dass diese Position auch wirklich das ist, was man erreichen möchte. Und wenn die Arbeit Spaß macht, dann ist es nicht so wichtig, ob das Ziel in fünf oder in zehn Jahren erreicht wird.

Bedeutet das nicht doch, zurückzustecken im Berufsleben?

Roman Gaida: Es kommt darauf an, was man als zurückstecken bezeichnet. Daher ist es so wichtig seine eigene Definition von Erfolg und Karriere zu finden. Auf die Zeit mit den Kindern für eine Karriere zu verzichten trifft es viel eher. Generell muss man vielleicht auf die schnelle Karriere verzichten und stattdessen langsame Schritte machen. Ich habe mehrere Entscheidungen gegen einen schnellen Aufstieg getroffen und dabei vermeintliche Chancen ausgeschlagen, um ein aktiver Vater zu sein.

Du bist als Führungskraft in Elternzeit gegangen. Wie hat Dein Arbeitsumfeld reagiert?

Roman Gaida: Ich habe schon zum Start kommuniziert, dass wir Zwillinge bekommen würden und ich mich sowohl beruflich als auch privat engagieren wollte, deswegen war niemand verwundert als ich in Elternzeit gegangen bin. Trotzdem habe ich das Gefühl, Menschen in Führungspositionen fordern das insgesamt seltener ein.

Für das Management war das kein Problem?

Roman Gaida: Ich hatte lange ein flaues Gefühl im Magen und habe auch anfänglich nicht getraut zu fragen, ob ich in Elternzeit gehen kann. Es ist leider häufig so, dass Führungskräfte nicht proaktiv auf Väter und Mütter zugehen, um ihnen die Möglichkeiten aufzuzeigen, die es gibt. Aber letztendlich hat mein Management sehr positiv reagiert. Ich habe damals direkt konkrete Pläne und Vorschläge mitgebracht, um die fehlende Zeit zu überbrücken.

Was hättest du getan, wenn die Reaktion negativ ausgefallen wäre?

Roman Gaida: Ich habe von Vätern in anderen Unternehmen gehört, die Antworten erhielten wie „Toll ist das nicht“ oder „Überleg dir das gut. Wir haben nächstes Jahr einen Talente-Programm, und ich weiß dann nicht, ob du noch dazugehörst“. Ich denke, in diesem Fall sollte man sich fragen, ob man in einem solchen Unternehmen arbeiten möchte.

Wie sieht Dein Arbeits- und Familienalltag aus?

Roman Gaida: Ich arbeite nicht weniger, sondern anders. Mein Arbeitstag ist kein typischer Nine-to-five-Job, er ist teilweise fragmentiert, aber effizient strukturiert und natürlich auch chaotisch wie in allen Familien. Wir alle machen in unserer digitalen Welt viel Unnötiges. Daher haben wir versucht, diesen Ballast zu streichen. Meetings dürfen bei uns beispielsweise nicht länger als 50 Minuten dauern, denn in der Zeit ist meistens alles Wichtige gesagt. So kann die Zeit einfach besser investiert werden.

Wie teilst Du die Zeit mit Deiner Partnerin auf?

Roman Gaida: So, wie es gerade passt. Wir drücken nicht die Zeituhr wie beim Schach, wenn es um die Kinderbetreuung geht, aber wir legen Wert darauf, dass es ausgeglichen ist. Ich bringe beispielsweise die Zwillinge in den Kindergarten und meine Partnerin Laura übernimmt den Nachmittag oder andersherum. Die Lösung für eine ausgeglichene Kinderbetreuung ist Kommunikation und Ehrlichkeit. Am besten bespricht man so was schon vor der Geburt der Kinder und versucht, Kompromisse zu finden.

**Du schreibst in deinem Buch „Working Dad“, es sei ein Problem, dass Teilzeittätigkeiten in vielen Unternehmen häufig nur funktionieren, wenn keine Karriereambitionen vorhanden sind.**Manche Firmen jedoch schreiben Führungspositionen in Teilzeit aus. Was hältst du davon?

Roman Gaida: Das finde ich großartig und ich wünsche mir diese Möglichkeit in viel mehr Unternehmen. Es gibt aber natürlich immer Berufe, wo so etwas schlicht nicht möglich ist, beispielsweise in der Produktion. In einem Softwareunternehmen, wo jeder autark arbeiten kann, ist es vermutlich einfacher zu regeln.

Wie können sich Männer und Frauen dennoch mehr Zeit für die Kinder nehmen?

Roman Gaida: Eine Möglichkeit wäre Jobsharing. Das funktioniert aber nur, wenn Zuständigkeitsbereiche untereinander sauber aufgeteilt sind. Natürlich muss so ein Angebot auch finanziell ins Leben passen, wenn man nur die Hälfte verdient. Für Unternehmen lohnt es sich vor allem, wenn die beiden Führungskräfte unterschiedliche Kompetenzen einbringen.

Welchen Tipp gibst Du Unternehmen, die Väter mit dem Wunsch nach Vereinbarkeit langfristig binden möchten?

Roman Gaida: Elternzeit sollte direkt in den Entwicklungsplan eingebaut werden, sodass Väter und auch Mütter nicht erst danach fragen müssen. So verwehren sich Unternehmen gegen viele motivierte Mitarbeitende. Gerade auf dem heutigen Arbeitsmarkt können sich die Menschen aussuchen, wo sie arbeiten möchten. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht zu fördern ist auf lange Sicht geschäftsschädigend.

Was sollte auf politischer Ebene passieren, um die Vereinbarkeit zu stärken?

Roman Gaida: Wie immer geht es um das Thema Finanzen. Das Ehegattensplitting beispielsweise verfestigt altherkömmliche Strukturen und führt dazu, dass immer noch viele Frauen zu Hause bleiben. Wäre das Einkommen in der Familie gerechter verteilt, würden Väter länger Elterngeld in Anspruch nehmen. Das würde die Karriere von Frauen fördern und gleichzeitig Vätern die Möglichkeit geben, ein aktiverer Part bei der Care-Arbeit zu sein.

Das neue Buch „Working Dad: Vereinbarkeit von aktiver Vaterrolle und Karriere leben“
Das neue Buch „Working Dad: Vereinbarkeit von aktiver Vaterrolle und Karriere leben“

____________________

Über den Interviewpartner:

Roman Gaida ist Head of Division des Geschäftsbereichs Mechatronics CNC Europe bei Mitsubishi Electric. - © Andi Werner
Roman Gaida ist Head of Division des Geschäftsbereichs Mechatronics CNC Europe bei Mitsubishi Electric. - © Andi Werner

Roman Gaida ist Vater von Zwillingen und Head of Division des Geschäftsbereichs Mechatronics CNC Europe bei Mitsubishi Electric. Er ist regelmäßiger Gast in Podcasts und Wirtschaftsmedien zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Karriere sowie im Bereich Leadership. Gaida ist ausgebilderter Zerspanungsmechaniker und Maschinenbautechniker sowie studierter Wirtschaftsingenieur. Erst kürzlich veröffentlichte er sein Buch „Working Dad: Vereinbarkeit von aktiver Vaterrolle und Karriere leben“.

Kommentare

Job & Karriere schreibt über Das Wichtigste zu den Themen Arbeit, Karriere & Kollegen

Täglich das Wichtigste zum Thema Job & Karriere. Folge dieser Seite und erhalte die wichtigsten Nachrichten zu Job- und Karriere-Themen in Deinem Stream. So sparst Du Dir die eigene Recherche und wirst stets kompakt an einer Stelle mit den wichtigsten Nachrichten versorgt. Du kannst Dir die Artikel zum späteren Lesen merken oder Deinen Kollegen per E-Mail oder XING Nachricht empfehlen. Die Auswahl der Online-Nachrichten wird auf Basis ihrer Popularität automatisch vorgenommen. XING ist für den Inhalt nicht verantwortlich und trifft mit dem Versand keine Bewertung oder Unterstützung für ggf. enthaltene Produkte, politische Parteien oder Firmen.

Artikelsammlung ansehen