Navigation überspringen
article cover
Jochen Steier (r.), Projektmanager Facility Management, mit Marcell Klumpp (Auszubildender) und Bertram Boos (CC) - Mader GmbH & Co. KG

Investieren statt kompensieren: Wie Unternehmen mit energiesparenden Technologien ihre Klimaziele erreichen

Druckluft spielt in automatisierten Produktionsprozessen eine wichtige Rolle und ist eine der teuersten Energien: Sie wird zum Antrieb von Maschinen und Anlagen verwendet, zum Aus- und Abblasen von Teilen oder zur Betätigung von Druckluftwerkzeugen. Leckagen sind ein zentrales Problem in Druckluftsystemen: An diesen Stellen verpufft nicht nur kostbare Druckluftenergie, auch die Umwelt wird durch den unnötigen CO2-Ausstoß erheblich belastet. Dabei können durch die Beseitigung von Druckluft-Leckagen bis zu 30 % Energie eingespart werden. Hohe Kosten werden beispielsweise durch den schlechten Wirkungsgrad der Kompressoren sowie durch Verluste auf dem Weg zum Verbraucher verursacht. Wenn der wirkliche Druckluftverbrauch sichtbar ist, ergeben sich völlig neue Ansätze zur Reduktion des Druckluftverbrauchs.

Vorteile von Druckluft als Energieträger:

  • Flexible Einsetzbarkeit

  • Relativ problemlose Erzeugung

  • Geschwindigkeit

  • Einfache Handhabung und Sauberkeit

  • Fast gefahrlose Nutzung im Vergleich zu anderen Antriebssystemen

  • Präzision

  • Ungefährlichkeit.

Die HOMAG Group ist ein weltweit führender Anbieter integrierter Lösungen für die Produktion in der holzbearbeitenden Industrie und dem Handwerk. Auch das Druckluft-Leckagemanagement spielt dabei eine wichtige Rolle. Das Team - bestehend aus Jochen Steier, Projektmanager im Bereich Facility Management, und einigen Auszubildenden – wurde am Standort in Schopfloch durch die „AirXperten“ des Druckluft- und Pneumatikspezialisten Mader unterstützt. Ziel des Mittelständlers ist es, die maximale Versorgungssicherheit und (Energie-)Effizienz für ihre Kunden zu erreichen – dazu wird der gesamten Druckluftprozess betrachtet. Durch die Ortung und Beseitigung von Druckluftleckagen hat das Unternehmen seit Beginn der Zusammenarbeit im Jahr 2020 bereits über 213.000 Kilowattstunden Strom und damit 113,5 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen können. Am Standort wurde das Thema durch Jochen Steier weiter forciert. „2020 haben wir eine Druckluft-Leckageortung durchgeführt, die insgesamt 237 Druckluftleckagen zutage brachte und ein Einsparpotenzial von mehr als 46.000 Euro pro Jahr aufwies“, erinnert sich Marina Griesinger, Leiterin des Bereichs Energieeffizienzmanagement bei Mader. Steiers Idee geht über die Beauftragung eines externen Leckage-Dienstleisters wie Mader hinaus.

„Grundsätzlich bieten wir neben unseren verschiedenen Leckage-Paketen mit Vor-Ort-Service auch ein Do-it-yourself-Paket an, das die gesamte Hard- und Software zur Leckageortung, Erfassung und Dokumentation beinhaltet. Wir liefern auch das Zubehör und schulen zur Anwendung des Messgeräts und der App“, sagt Griesinger. Das Unternehmen möchte einen Beitrag dazu leisten, das Bewusstsein für die Energieeinsparpotenziale im gesamten Druckluftprozess zu erhöhen. Eine besondere Zukunftschance sieht das Unternehmen in der Verbindung von Digitalisierung und Energieeffizienzmaßnahmen: Dank digitaler Technik werden wird die Wirksamkeit von Energieeffizienzmaßnahmen transparent gemacht: Die Leckage-App und das dazugehörige Online-Portal sind das Kernstück des digitalen Leckagemanagements, das Mader bereits seit 2015 selbst umsetzt und seinen Kunden zur Verfügung stellt. Weiterentwickelt wird es im digitalen Spin-off des Unternehmens, der LOOXR GmbH.

Ende 2024 findet eine Schulung bei HOMAG vor Ort statt, in der Marina Griesinger die Grundlagen der Leckageortung erläutert und das Handling von Messgerät und App geübt wird. Mit dabei sind u.a. die Auszubildenden Simon Schäfer und Marcel Klumpp, beide angehende Industriemechaniker. In einem Vor-Ort-Termin in Schopfloch erläutern die beiden ihre Vorgehensweise: „Mit dem Messgerät untersuchen wir alle Bereiche mit Druckluft auf Leckagen. Das Gerät funktioniert nach dem Ultraschallprinzip. Es erfasst für uns nicht hörbare Geräusche, an Stellen, an denen Druckluft austritt. Mit Hilfe des Geräts wird auch die Größe der Druckluftleckage festgestellt und damit auch die Menge der entweichenden Druckluft. Geortete Leckagen kennzeichnen wir mit einem Etikett und hinterlegen die Messergebnisse in der Leckage-App“, so Simon Schäfer. Um sicherzustellen, dass die Instandhalter, die für die Beseitigung der Leckagen verantwortlich sind, die Leckagestellen auch wiederfinden, wird der Fundort zusätzlich in der App beschrieben und fotografisch festgehalten. „Damit das alles leicht von der Hand geht, sind wir immer zu zweit unterwegs“, sagt Marcel Klumpp. Etwa die Hälfte der Hallen haben sie bereits geschafft.

„Sie haben bereits 40 Leckagen gefunden und das an vier Nachmittagen. Damit hat sich der Invest in das Messgerät bereits gerechnet“, bemerkt Steier, der auch auf den „Leckage-Wagen“ verweist, den die Auszubildenden für die Leckageortungen mit eigenen Händen gebaut haben: „Ganz nachhaltig aus alten Schränken.“ Im Wagen befindet sich das gesamte Material, das für die Leckageortung benötigt wird. „Auch das Smartphone zur digitalen Erfassung der georteten Leckagen. Das haben die Auszubildenden dem Tablet vorgezogen, das wir alternativ zur Auswahl gestellt haben.“ Trotz der bisherigen Erfolge sieht Jochen Steier allerdings noch nicht das Optimum erreicht: „Perfekt wäre es, wenn die Leckageortung Teil des Ausbildungsplans wäre und die Auszubildenden auch an die Beseitigung der Leckagen herangeführt werden würden. So könnte sich der ein oder andere sicher auch für das Thema Instandhaltung begeistern lassen.“ Sein bisheriges Fazit: „Jeder, der sich nicht mit dem Thema Druckluftleckagen auseinandersetzt und aktiv wird, ist selbst schuld. Die Erfolge sind mit wenig Aufwand sehr schnell erkennbar und vor allem messbar.“ Von Druckluftleckagen bekomme man keine nassen Füße, also würden viele auch nichts dagegen tun. „Je mehr Energieeffizienz und Nachhaltigkeit Teil der Unternehmensziele werden, umso größer wird die Relevanz für solche Maßnahmen“, ist er sich sicher. Durch die EU-Taxonomie und die damit verbundenen Regulierungen sind Unternehmen gezwungen, sich mehr um Energie- und damit CO2-Einsparungen zu kümmern.

Bis 2030 will der Maschinen- und Anlagenbauer die von ihm verursachten Emissionen von Treibhausgasen um 70 % senken und damit zum Erreichen des 1,5-Grad Ziels aus dem Pariser Klimaabkommen beitragen. Neben den eigenen Emissionen hat der im MDax notierte Konzern auch den Klimaeffekt aus der vorgelagerten Lieferkette und der Nutzung seiner Produkte im Fokus. Das Leitmotiv der Klimastrategie heißt: „Investieren statt kompensieren“. Investiert wird in klimafreundliche Technologien, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu minimieren. Das Unternehmen ist bereits seit den 1960er Jahren in der Umwelttechnik aktiv. In der Innovationsarbeit des Konzerns bildet die Energieeffizienz der Produkte einen Schwerpunkt. Bei Investitionsentscheidungen achten Kunden verstärkt darauf, wie stark neues Produktionsequipment zur Erreichung ihrer Klimaziele beiträgt. Deshalb wird die Entwicklung energiesparender Technologien und die Nutzung regenerativer Energien im Rahmen der Klimastrategie noch stärker in den Fokus gerückt.

Die HOMAG plante ein Investitionspaket von knapp 100 Mio. €: Dafür wird eine hocheffiziente Produktion im globalen Wertschöpfungsverbund benötigt. Dabei spielt auch der nachhaltige Umgang mit Druckluft eine entscheidende Rolle. Aus Sicht von Jochen Steier, Projektmanager Facility Management, gibt es nicht „den einen Hebel“, um die Unternehmensziele zu erreichen, sondern mehrere kleine, die gefunden werden müssen. Sich selbst bezeichnet er als „nicht besonders öko, aber wenn es darum geht, Verschwendung zu vermeiden, bin ich dabei.“ Es müsse „was bringen“. Dabei ist es wichtig, das Thema energieeffiziente Druckluft auch als wichtigen Teil der Klimastrategie – deren Ziele von der Science Based Targets initiative (SBTi) wissenschaftlich validiert werden - zu betrachten und den ganzheitlichen Ansatz nicht aus dem Blick zu verlieren. Dazu gehören:

  • Einbindung der Beschäftigten (Vorschläge aus der Belegschaft, die zur ökologischen Transformation des Unternehmens beitragen)

  • Stärkung der Eigenverantwortung und Kompetenzen der Mitarbeitenden

  • Verschlankung der Geschäftsprozesse

  • Logistik: Verlegung von mehr Warentransporten von der Straße auf die Schiene und (soweit möglich) Vermeidung von Transporte per Luftfracht, Berücksichtigung der CO2-Bilanz von Logistikpartnern bei der Auftragsvergabe

  • Entwicklung eines Programms, das finanzielle Anreize für Lieferanten mit klimafreundlichen Prozessen bietet.

  • Energie sparen und Druckluft effizienter erzeugen: Was Unternehmen tun

  • Ulrike Böhm: Die Macht der kleinen Schritte. Wie man als mittelständisches Unternehmen zum Klimaretter wird. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.

  • CSR und Digitalisierung. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2. Auflage 2021.

  • CSR und Energiewirtschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2. Auflage 2020.

  • Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

Artikelsammlung ansehen