Investor Frank Thelen: „Gründen ist geil“
Als junger Mann hatte er Schulden und wäre fast pleitegegangen. Heute ist Frank Thelen Deutschlands bekanntester Tech-Investor. Ein Gespräch über Kritik und Gründermentalität.
Ein Interview von Kristina Appel und Anika Gottschalk
XING News: Du hast einmal in einem Gastbeitrag auf XING etwas salopp geschrieben: „Kinder sollten lernen, zu denken wie Jeff Bezos und Elon Musk“. Wie hast Du das gemeint?
Frank Thelen: Hinter diesem Satz stehe ich zu 100 Prozent. Denn im Kern sagt er aus, dass die heranwachsende Generation in unterschiedlichen und sehr komplexen Bereichen ein Grundverständnis haben sollte. Kinder sollten lernen, wie Google, Amazon, Apple und Tesla entstanden sind und was dahintersteckt. Das bedeutet nicht, dass sie denken oder sein sollten wie Jeff Bezos, Elon Musk und Marc Zuckerberg. Aber sie sollten ihre Denk- und Handlungsweisen verstehen und einordnen können. In der Schule, wie wir sie heute kennen, wird das leider nicht abgedeckt.
Warum hat es Dir Elon Musk so angetan?
Frank Thelen: Elon Musk ist ein Dekadenphänomen, ein Ausnahmetalent, an den nicht mal Steve Jobs heranreicht. Elon ist aktuell einer der wichtigsten Köpfe, um uns schnell und effektiv in eine nachhaltige Zukunft zu bringen. Das Beste ist, er inspiriert Tausende andere Köpfe, noch größer zu denken und mutiger zu handeln.
Elon Musk ist ein Dekadenphänomen, an den nicht mal Steve Jobs heranreicht.Frank Thelen
In der Aufzählung der aus Deiner Sicht visionären Vordenker, findet sich kein Europäer oder gar Deutscher. Fallen Dir hier Vorbilder ein?
Frank Thelen: Schwierig, so spontan. Daniel Wiegand, der Gründer von Lilium (Anm. der Red.: Frank Thelen ist Investor) ist ein sehr kluger Kopf. Ebenso Mate Rimac, dessen Elektro-Sportwagen es mit Porsche oder Tesla aufnehmen können. Oder Raycho Raychev von Endurosat, der aktuell ein europäisches Gigabit-Netzwerk im Weltall baut. Diese Köpfe kennt aber kaum jemand.
Bislang hast Du nur Männer genannt. Fallen Dir visionäre Frauen ein?
Frank Thelen: Tina Müller baut aktuell zum Beispiel sehr mutig und erfolgreich Douglas um. Wir bauen mit Monja Mühling das KI-Start-up Smartlane auf. Uns fehlen aber die Tech-Stars in Europa, und uns fehlen weltweit erfolgreiche Tech-Gründerinnen. Ich bin davon überzeugt, dass die Tech-Branche sehr davon profitieren würde, mehr Frauen in den ersten Reihen zu haben.
Warum sollten mehr Leute diese Personen kennen?
Frank Thelen: Damals, als wir Steffi Graf und Boris Becker für ihren Erfolg auf die Bühne gehoben haben, waren für Jahre die Tennisschulen voll. Leider sagen wir hier aber nicht „Wow, der hat eine Rakete gebaut“ oder „Wahnsinn, die hat einen Speicher für Energie entwickelt“. Uns fehlen die Stars, die Vorbilder in diesem Bereich. Und wenn wir welche haben, kennen und feiern wir sie in Europa nicht.
Heißt das, wir brauchen große Persönlichkeitsmarken?
Frank Thelen: Ja, unbedingt. Gute Kommunikation und Aufmerksamkeit nach außen haben echt viel Wert, wenn wir gesellschaftlich eine Mission umsetzen wollen. Wenn Elon Musk Themen auf Twitter platziert, hat das Gewicht – dann befassen sich viele wichtige Köpfe damit. So eine Reichweite zu haben, etwa als DAX-Vorstand, das hat Power, man braucht dafür aber auch ein dickes Fell.
Was fehlt in Deutschland, um langfristig technologisch mithalten zu können und Vorbilder in diesem Bereich hervorzubringen?
Frank Thelen: Wir sind leider 360 Grad schwach aufgestellt, weil wir in allem noch zu klein sind. Aber auf den Punkt gebracht: Exzellenz-Universitäten, mutige Investoren, erfahrene Gründer als Coach für die nächste Generation und als Motivatoren, sich an die großen Probleme zu trauen.
Deutschland ist leider 360 Grad schwach aufgestellt, weil wir in allem noch zu klein sind.Frank Thelen
Was heißt das konkret?
Frank Thelen: Wir brauchen ein Pendant zum MIT (Anm. d. Red.: Massachusetts Institute of Technology) in Deutschland. Wo Leute ausgebildet werden, die richtig Lust auf Technologie, Physik und Innovation haben, die schlau sind und ihre verrückten Ideen mutig vorantreiben wollen. Vielleicht wird das perspektivisch die Technische Universität in München oder für Energie-Themen das KIT (Karlsruher Institut für Technologie). Dann brauchen wir progressive Gründer, die Fusionsenergie und dergleichen entwickeln, und dann brauchen wir Leute, die diesen Gründern Geld geben.
Gibt es die nicht?
Frank Thelen: Nicht in dem Maße, wie wir sie brauchen. Als wir damals mit unserer App MyTaxi, heute free now, in Hamburg starteten, waren wir vor Uber auf dem Markt, hatte die bessere Technologie und mehr Fahrer. Dennoch ist daraus kein Weltkonzern geworden, weil nie richtig viel Geld investiert wurde – ich hatte damals auch noch nicht ausreichend Kapital, um einfach selbst weiterzufinanzieren. Uber hingegen bekam ein Startkapital über 100 Millionen Dollar – und ist heute eine Weltmarke.
Uns fehlt es also an Infrastruktur, Investment und Ideen. Könntest Du, ganz persönlich, daran etwas ändern?
Frank Thelen: Ich bin dabei, als ein Mikrobaustein eines komplexen Systems. Ich investiere in dem Maße, wie auch mein Vermögen wächst und gewachsen ist. Zuerst waren das 100.000 Euro, dann eine Million. Bald kann ich bei einem wichtigen Deal auch mal 10 Millionen investieren. Ich kenne viele vermögende Menschen in Deutschland und versuche, sie für Investitionen in gute Projekte zu begeistern. Aber viele potenzielle Investor·innen in Deutschland, das muss man so sagen, haben nicht die DNA, die es dafür braucht.
Viele potenzielle Investor·innen in Deutschland haben nicht die DNA, die es dafür braucht.Frank Thelen
Was, meinst Du, hindert diese Leute?
Frank Thelen: Es herrscht gerade im Tech-Bereich häufig die Angst, sich mit einer Fehlinvestition zu blamieren. Das macht mich wahnsinnig. Stattdessen wird Geld in Deutschland eher gespendet oder in Immobilien investiert.
Was rätst du stattdessen wohlhabenden Leuten, die etwas Geld überhaben?
Frank Thelen: Einfach mal machen. Statt noch mehr Immobilien oder Industrie-Anleihen zu kaufen, lieber in ein junges Unternehmen investieren. Mit 10.000 Euro starten, da mal bewusst reingehen und somit eine Kultur in Deutschland mitbegründen, die zeigt, es ist nicht nur cool in schicke Hotels zu fahren, sondern es ist noch cooler, innovative Start-ups zu unterstützen. Hinzu kommt, wenn beispielsweise jemand 100 Autohäuser in seinem Leben aufgebaut hat, kann er sein gesammeltes Wissen teilen und ist ein super Mentor. So etwas sollten wir viel mehr nutzen. Mit der nächsten Generation an großen Problemen zu arbeiten, sein Kapital und Erfahrung weiterzugeben, das ist wirklich erfüllend.
Engagierst du dich dahingehend politisch?
Frank Thelen: Ich bin frustriert von der Politik, obwohl ich einige führende Politiker persönlich schätze. Aber die können mit dem gegebenen Handlungsspielraum gar nichts umsetzen. Es gibt keine echte Entscheidungskraft – zu viele Gremien, zu viele Hindernisse. Ich glaube nicht, dass ich in der Politik wirklich wirksam sein könnte.
Wie willst du stattdessen in den kommenden Jahren wirken?
Frank Thelen: Ich frage mich immer, was kann ich aktuell tun. Ich versuche, disruptive Technologien zu erkennen und in sie zu investieren. Mittlerweile investieren wir mit Freigeist nur noch in Deep Tech, egal wie riskant es ist. Wir wollen Impact haben und zeigen, dass wir relevante Tech-Champions in Europa aufbauen können. Unsere Gründer arbeiten an einem revolutionären Krebsmedikament, an einem Energiespeicher, Roboter für den Mittelstand, KI für unsere Logistiker und vieles mehr.
Zehn bis zwanzig Jahre werde ich das noch so weitermachen. Wenn ich alt bin, möchte ich 95 Prozent meines Vermögens spenden – für Bildung und für den Planeten. Dann gibt es hoffentlich guten Impact in diesen Themen, und ich arbeite nur noch sechs Stunden am Tag (lacht).
Wenn ich alt bin, möchte ich 95 Prozent meines Vermögens spenden – für Bildung und für den Planeten.Frank Thelen
In dem TV-Format „Höhle der Löwen“ hast du Gründer·innen unter die Lupe genommen und deren Aussichten auf Erfolg beurteilt. Was sind deine Tipps aus der Praxis für junge Unternehmer·innen, die Investor·innen suchen?
Frank Thelen: Erstens, erkläre in 90 Sekunden dein Unternehmen. Dafür braucht es keine verrückten Vergleiche wie „Wir sind der Airbnb für Nacktkatzen“, sondern harte Denkarbeit für eine klare, überzeugende Beschreibung. Zweitens, verdeutliche, warum ausgerechnet dein Unternehmen, dein idealerweise diverses Team die Dinge besser macht als andere in dem Markt. Und drittens, beschreibe, warum deine Idee, dein Produkt, deine Dienstleistung groß werden kann. Welchen großen Markt kannst du adressieren, und welches bedeutende Problem löst Du?
Welchen Fehler machen viele Gründer·innen?
Frank Thelen: Man sollte nicht unterschätzen, wie hart Gründertum ist. Kein Urlaub, keine Freizeit. Du hast acht Stunden Schlaf für dich, aber der Rest deiner Zeit gehört zunächst dem Unternehmen. Man muss sich gut überlegen: Bin ich wirklich der Typ dafür? Es ist total geil und intensiv, aber auch total aufreibend und anstrengend. Das ist auch der Grund dafür, warum ich heute vor allem aus dem Hintergrund agiere. Ich habe diesem Druck in der ersten Reihe lange genug standgehalten.
Welche Fehler musstest Du selbst machen, um erfolgreicher Gründer zu werden?
Frank Thelen: Ich habe viele Fehler gemacht und bin trotzdem erfolgreich geworden. Niederlagen gehören dazu, wenn man die Komfortzone verlässt. Ich denke, so sehen das viele Gründer, die mit ihren Firmen krasse Nahtoderfahrungen gemacht haben und heute super dastehen. Ich selbst war von der Privatinsolvenz bedroht, hatte viele Schulden. Das war nicht lustig. Mein Vater sagte damals – im Guten: „Du bist nicht mehr mein Sohn.“ Ich habe mich eingesperrt. Nasenbluten bekommen. In mir die Überzeugung: Ich habe alle enttäuscht.
Wer oder was hat Dich da wieder rausgeholt?
Frank Thelen: Größter Treiber war rückblickend mein unglaubliches Interesse für Technologie. Wer ein Start-up gründet, weil er oder sie reich werden will, wird scheitern, wenn ihm oder ihr die Passion fehlt. Denn genau die speist den Willen, nicht aufzugeben, sobald es Probleme gibt.
Du stehst immer wieder in der Kritik. Momentan gerade mit Deinem Fonds 10XDNA, denn viele Anleger haben Geld verloren und waren von der Perfomance mehr als enttäuscht. Kannst Du die Kritik nachvollziehen?
Frank Thelen: Das hat zwei Seiten. Zum einen hilft Kritik, zu reflektieren. Geht die Kritik aber in jedes kleinste Detail, dann wird es zunehmend schwer, noch offen zu sprechen. Der 10xDNA-Fonds ist ein 100 Prozent ehrliches Produkt. Da stecken 10 Millionen Euro von meiner Familie und mir drin. Ich habe gesagt, ich investiere und erwarte, dass sich das gut entwickelt. Ich habe auch gesagt, dass 10xDNA nichts für den schnellen Win ist. Wir sind erst vor einem Jahr gestartet. Der Fonds ist auf mindestens fünf Jahre ausgelegt. Ich kann die Enttäuschungen über den Tech-Selloff verstehen, aber Geduld und Ausdauer gehört zu Tech-Investments.
Lässt Dich öffentliche Meinung mittlerweile kalt?
Frank Thelen: Nein, aber man bekommt automatisch ein dickes Fell und kann einordnen, was man lesen und reflektieren sollte. Frank Thelen „klickt sich gut“, das hat Vor- und Nachteile.
Je bekannter man ist, desto weniger ehrlich wird das Umfeld.Frank Thelen
Wer ist dein Korrektiv?
Frank Thelen: Meine Frau und mein direktes Team. Dort bin ich nicht Franky, der Superstar, sondern werde kritisch hinterfragt. Meine Gründungsmitglieder von Freigeist kennen mich schon lange – wir sind gemeinsam durch wirklich harte Zeiten gegangen. Ich habe mir über die Jahre Menschen gesucht, die keinen Bullshit erzählen. Je bekannter man ist, desto weniger ehrlich wird das Umfeld. Mit meinen Kollegen Ralf Dümmel und Judith Williams aus „Höhle der Löwen“ habe ich ein sehr offenes und ehrliches Verhältnis. Und ich lerne nach wie vor viel von Elon Musk.
Über die Person
Frank Thelen baut seit knapp 30 Jahren technologie- und designgetriebene Unternehmen auf. Mit Freigeist Capital investiert er in frühphasige Deep-Tech-Unternehmen wie Lilium Aviation. Seit 2021 ist er zudem CEO von 10xDNA Capital Partners. 10xDNA bietet Investoren Fonds mit technologiekonzentrierten Portfolios. Bekannt wurde Thelen auch als Investor aus der TV-Show „Die Höhle der Löwen“.
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