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Chat GPT kann beliebig Texte generieren – und genau das sind die Ergebnisse

Jobsuche 2023: Warum eine Bewerbung per ChatGPT noch keine gute Idee ist

Künstliche Intelligenz ist gerade dabei, unsere Arbeitswelt zu erobern. Mit Chat GPT kann man bereits Texte automatisiert erstellen lassen, also auch Bewerbungsanschreiben und Co. Eine gute Idee, oder eher nicht?

In den vergangenen Wochen war Chat GPT eines der Hypethemen in Sachen Digitalisierung. Das vortrainierte System (GPT steht für „Generative Pre-trained Transformer“) wird mit Daten aus dem Internet gefüttert und lernt durch Dialoge mit Anwenderinnen und Anwendern stetig dazu. Wenngleich das System derzeit noch mit Trainingsdaten bis 2021 arbeitet und mit einigen Kinderkrankheiten und Restriktionen versehen ist, wird die Bedeutung der Einführung dieses KI-Systems bisweilen mit dem ersten Smartphone, der Einführung von Amazon oder gar dem Buchdruck verglichen (!).

Alleskönner Chat GPT

Das für alle seit Kurzem kostenfrei zugängliche Chat GPT kann nämlich vieles: Statistiken aufbereiten, Gedichte verfassen, Computercodes programmieren, Blogbeiträge oder individuelle Bewerbungsanschreiben erstellen und demnächst gar Auditberichte und Managementreviews für Unternehmen anfertigen. Künstliche Intelligenz wird damit in nächster Zeit im Alltag vieler Menschen ankommen. Kurz gesagt: Am Thema KI kommt spätestens jetzt keiner mehr vorbei.

In diesem Beitrag möchte ich deshalb dem aktuellen Hype um Künstliche-Intelligenz-Systeme auf den Grund gehen und erforschen, welche Chancen und Risiken Künstliche Intelligenz aktuell für das Thema Bewerbung und Jobsuche birgt.

EDIT 22.03.2023: Die Entwicklung von KI-Plattformen und der Umgang damit ist rasant. ChatGPT lernt durch die Anwender:innen und wir lernen mit ChatGPT. So haben wir in den zwei Monaten seit Veröffentlichung dieses Beitrags recherchiert, diskutiert und dazugelernt. ChatGPT kann mittlerweile ziemlich brauchbare Texte formulieren, wenn man es richtig „füttert“, wer gute Fragen stellt, erhält gute Ergebnisse, sogar bei Bewerbungsanschreiben. Der grundlegende Tenor meines Textes aber bleibt: Vorsicht ist geboten bei allzu unreflektierter Verwendung von ChatGPT-Ergebnissen, bisweilen produziert die Plattform nach wie vor Nonsens, Aktualität kann sie bisher (noch) nicht und manchmal sind die Texte immer noch aalglatt bis seelenlos. Als hilfreiches Tool der Findung, Strukturierung und Erstellung von Themen und Texten nutzen wir es mittlerweile selbst, wie der Beitrag von Martin Salwiczek zur Berufsorientierung per ChatGPT hier bei XING belegt.

Bewerbung mithilfe Künstlicher Intelligenz?

Was machen eigentlich KI-Systeme wie Chat GPT und Co.? Welche Konsequenzen hat dies für die Arbeit – in unserem Fall für die Arbeit von Bewerberinnen und Bewerbern? Chat GPT beantwortet Fragen von Nutzenden, wurde aber – anders als seine unsäglichen Chatbot-Urahnen, die bisweilen sehr eingeschränkte Antwortmöglichkeiten zur Verfügung hatten – mithilfe maschineller Lernverfahren auf eine riesige Datenmenge (mehrere Milliarden Wörter) trainiert, um menschenähnliche Texte zu generieren. Dadurch ist Chat GPT in der Lage, auf eine Vielzahl von Themen und Anfragen zu antworten und sich wie ein menschlicher Gesprächspartner zu verhalten. 

Es liegt nahe, dass Menschen mit dem Gedanken spielen, aufwendig und mühsam zu erstellende Texte wie Arbeitsproben, Power-Point-Präsentationen oder Hausarbeiten künftig von KI-Systemen verfassen zu lassen. Für viele Bewerberinnen und Bewerber steht dabei das klassische Anschreiben der Bewerbung an vorderster Stelle: Nicht jeder ist schließlich geborener Verfasser von professionellen Texten und Motivationsschreiben. Chat GPT könnte dies spielend übernehmen, indem der KI einfach der Jobtitel, die Position und die zu besetzende Stelle genannt und das System aufgefordert wird „Verfasse mir ein Anschreiben …“. Daraus ergibt sich die Frage: Ist die KI somit ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Automatisierung des Bewerbungsprozesses?

Versuch: Das Bewerbungsanschreiben per Chat GPT

Weil Menschen bequem sind und sich mühsame Arbeitsprozesse gern abnehmen lassen, wird das KI-System ab sofort garantiert auch für das Erstellen von Anschreiben, Arbeitsproben oder Ähnliches genutzt werden. Doch ist das bereits risikofrei möglich? Ich habe das selbst mal ausprobiert und mich per Chat GPT auf die aktuell bei uns ausgeschriebene Stelle für Online-Kommunikation beworben. Ganze 50 Sekunden hat Chat GPT benötigt, mir das Anschreiben zu verfassen. Das Ergebnis lässt sich auf den ersten Blick durchaus sehen:

Lars Hahn: „Schreibe eine außergewöhnliche Bewerbung für einen 57-jährigen Bewerber als ,digitaler Thermomix‘ bei der LVQ Weiterbildung und Beratung GmbH für eine Stelle als Online-Marketing- und Social-Media-Manager.“Chat GPT: Sehr geehrte xxx, mein Name ist [Name] und ich bewerbe mich auf die Stelle des Online-Marketing- und Social-Media-Managers. Mit 57 Jahren bringe ich eine Menge Lebenserfahrung und Know-how in diesem Bereich mit und bin überzeugt, dass ich genau der richtige Kandidat für Ihr Unternehmen bin. Als "digitaler Thermomix" bin ich in der Lage, unterschiedliche Aufgaben und Herausforderungen im Online-Marketing und in den sozialen Medien zu meistern. Meine Flexibilität und mein Verständnis für neue Trends und Entwicklungen im digitalen Bereich sind meine Stärken und ich bin immer bereit, neue Herausforderungen anzunehmen und meine Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Neben meiner langjährigen Erfahrung in der Online-Welt habe ich auch ein abgeschlossenes Studium in Marketing und Kommunikation, was mir das nötige Rüstzeug für diese anspruchsvolle Stelle gibt. Ich bin überzeugt, dass ich ein wertvoller Teil Ihres Teams sein werde, und freue mich auf die Möglichkeit, mich Ihnen persönlich vorzustellen. Mit freundlichen Grüßen

Dieses Anschreiben von Chat GPT ist klar strukturiert, es nimmt einige Stichworte auf – und doch fehlt irgendetwas: Es gibt keinen wirklichen Unternehmens- und Branchenbezug, ein wirkliches Motiv für die Bewerbung ist neben dem üblichen „Bewerbersprech“ schwer zu erkennen. Und genau das ist der Punkt: Das Anschreiben wirkt beliebig, als eines von vielen, es fehlt Persönlichkeit, Charakter oder „klare Kante“, wie XING Insider und Karrierecoach Bernd Slaghuis es für ein Anschreiben empfehlen würde.

Chat GPT ist um Antworten nicht verlegen
Chat GPT ist um Antworten nicht verlegen

Vorsicht bei der Bewerbung per Chat GPT!

Chat GPT weist überdies – zumindest derzeit – noch andere Schwächen auf, weswegen ich aktuell noch dazu rate, das System mit Vorsicht zu genießen:

  • Die ausgespielten Ergebnisse von durch Chat GPT erstellten Bewerbungsanschreiben wirken arg glatt, beliebig und unpersönlich. Insbesondere die Vorteile eines Anschreibens für Bewerberinnen und Bewerber mit besonderen Motiven und speziellen Lebensläufen wie zum Beispiel bei Quereinstiegen et cetera kann eine künstliche Intelligenz nicht ausspielen. Ein Test, wie oben zur ausgeschriebenen Stelle, mag Inspiration für die Struktur des Anschreibens geben und für ein gutes formelles Gerüst hilfreich sein. Spätestens die kreative Bezugnahme auf das Unternehmen und seine Kultur oder die Erklärung von individuellen Motiven und besonderen Hintergründen erfordern jedoch mehr als künstliche Intelligenz: nämlich den menschlichen Faktor.

  • Spätestens wenn Chat GPT auf Informationen des Unternehmens Bezug nimmt, sollten die genannten Fakten überprüft werden. In der aktuellen Phase des KI-Projektes „zaubert“ das System nämlich auch wahr klingende Falschinformationen zu allerlei Anfragen. Der Ex-Bundeskanzlerin Merkel dichtete Chat GPT eine Mitgliedschaft bei den Grünen an. Die Stadt Bochum erhielt durch die KI einen nicht existenten Flughafen. Überdies sind die Ergebnisse auch aus rechtlichen Gründen mit Vorsicht zu genießen: Wo kommen die Informationen eigentlich her, die das System hervorkramt? Klaue ich beispielsweise mit meiner durch Chat GPT erstellten Hausarbeit gerade geistiges Eigentum anderer Urheberinnen und Urheber?

  • Die eigene, händische Recherche über Google oder die Webseite sind indessen also (noch) wesentlich sicherer und verlässlicher. Erst zukünftig mag die Stärke eines KI-Systems darin liegen, genau die Informationen auf eine Frage zusammenzusammeln, die zutreffen (eben Big Data). Sobald es so weit ist, erspart uns die KI dann die mühsame Recherche auf Unternehmenswebseiten, bei XING und LinkedIn. Aktuell würde ich jedoch aufgrund der oben beschriebenen Unschärfen und Fehler lieber auf „good old“ Google oder die Businessnetzwerke zurückgreifen, die ich gern liebevoll „Big-Data für Bewerber“ nenne.

  • Und hier schließt sich der Kreis: Künstliche Intelligenz und Automatisierung verleiten dazu, möglichst wenig menschliche Energie in Prozesse zu investieren. Bereits die Jobbörsen mit ihren automatisierten und vermeintlichen Alerts suggerieren eine effizient optimierte Jobsuche, die zu den Gedanken verleitet: „Da muss ich ja gar nicht selber suchen“. Künstliche Intelligenz wie Chat GPT könnte diesem blinden Automatisierungsglauben jetzt noch einmal Vorschub leisten.

  • Dabei lebt eine wirklich intelligente Jobsuche von vielfältiger, teils intuitiver Recherche in vielen Kanälen. Sie profitiert von zwischenmenschlichen Kontakten in den Businessnetzwerken und Gesprächen im realen Leben, von persönlichen Erkenntnisprozessen und menschlichen Lernerfahrungen, dem, was ich gern „Systematisch Kaffee trinken“ nenne.

All das kann künstliche Intelligenz nicht leisten. Zumindest noch nicht.

Fazit: KI mit gesunder Kritik und neugieriger Lernbereitschaft begegnen

Die aktuelle Diskussion um Chat GPT und ähnliche Systeme offenbart, was dem digitalen Wandel generell zu eigen ist. Die Veränderungen kommen mit einer hohen Dynamik. Man weiß nie, was wirklich das „nächste große Ding“ ist. Umso wichtiger ist einerseits, gerade für Bewerberinnen und Bewerber, nicht blind auf neue Trends zu vertrauen und unreflektiert neue Systeme und Tools zu nutzen, weil es „cool“ und bequem ist.

Andererseits ist es eben auch entscheidend, am Puls der Zeit zu bleiben und sich über aktuelle Trends zu informieren. Dazu sind auch Weiterbildungen hilfreich, die sich mit der Digitalisierung und den aktuellen Entwicklungen befassen.

Es lohnt sich aber auch, mit den neuen Tools und Trends zu spielen. Die Grenzen von Chat GPT auszutesten, macht hierfür sogar Spaß. Kritisches Verfolgen und Recherche von neuen Entwicklungen komplettieren den Lernmix. Ich handhabe das so: Für diesen Beitrag, aber auch zu anderen Themen informiere ich mich über zwei, drei journalistische Quellen, ich folge Vordenkern, Bloggern oder Trendschnüfflern bei LinkedIn und Twitter (ja! Immer noch.) und komme allein dadurch auch stets mit Fachbeiträgen zum Thema in Berührung. Probieren auch Sie das gern aus.

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Wer schreibt hier? Lars Hahn ist Diplom-Pädagoge und Geschäftsführer der LVQ Weiterbildung und Beratung GmbH, die Weiterbildungsangebote u.a. zu Digital- und Online-Themen durchführt, die größenteils auch durch den Bildungsgutschein der Agenturen für Arbeit finanziert werden. Er engagiert sich in verschiedenen Netzwerken unter anderem bei Weiterbildung im Revier e.V., im Weiterbildungsforum Oberhausen-Mülheim und im Netzwerk Weiterbildung und schreibt hier bei XING als Insider für Weiterbildung. 👉 Lars Hahn jetzt folgen und keine Inhalte mehr verpassen!

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Lars Hahn schreibt über Weiterbildung, Digitalisierung, Arbeitsmarkt

Als Trendschnüffler, Karriereberater und Leiter der LVQ Weiterbildung gGmbH schreibe ich über die Veränderung unserer Arbeitswelt durch die Digitalisierung und darüber, wie Sie sich per Weiterbildung und andere Wege fit für Ihre berufliche Zukunft machen.

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