Karriere nach der Schwangerschaft: Im Gespräch mit Britta Mues-Walter (Teil 1)
Britta Mues-Walter ist Gründerin von Mues-Walter Executive Search und Mitbegründerin von &ahead, wo sie Frauen hilft, nach längeren Unterbrechungen zurück in das Berufsleben zu kommen und ihre Karrieren fortzuführen.
Ich habe ein spannendes Gespräch mit ihr geführt über unsere Lebenswege, über Frauen in Führungspositionen und über die Herausforderung von Frauen, nach einer Schwangerschaft oder Erziehungspause, wieder in die Karriere zurückzufinden.
Im heutigen ersten Teil sprechen wir über unsere Lebenswege und persönliche Entscheidungen, mit kleinen Kindern wieder durchzustarten. Die Teile 2 und 3 gibt es in den beiden kommenden Wochen!
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**Britta:**Für mich bist Du als sozial engagierte Unternehmerin, Zukunftsstrategin, Professorin und Mentorin ein tolles Vorbild. Was waren bislang die wichtigsten Pfeiler Deiner beruflichen Entwicklung? Auf welche bist Du am meisten stolz?
**Anabel:**Prägende Jahre waren die Zeit im Business Development. Das Aufbauen neuer Märkte bedeutet auch, sich intensiv mit einer Kultur zu beschäftigen, rasch zu erfassen, was gleich und was ganz anders als in einem anderen Umfeld sein darf - vom Produktsortiment bis hin zur Auswahl der VerkaufsmitarbeiterInnen, was also ein Markt braucht, um erfolgreich aufgebaut zu werden. Das trainiert ungemein. Im Zusammenspiel mit HR Management, Trend- und Produktmanagement, Marketing und Vertriebsstrategien habe ich gelernt, Generalistin mit Expertinnenwissen zu sein. Ich bin durch diese Tätigkeiten zur agilen Führungskraft geworden, mit typischem New-Leadership-Profil. Stolz machte es mich, wenn ich meine Mitarbeiter top aufgebaut hatte, zu einer Mannschaft, die ihre Potentiale entfaltete, sich gegenseitig unterstützte und mit Engagement in der Sache das Unternehmen mit Top-Zahlen erfolgreich voranbrachte.
Britta: Würdest Du rückblickend heute etwas anders machen und wenn ja, was wäre das?
**Anabel:**Ich würde mir mehr zutrauen, damit vertrauensvoll auf einen Weg setzen, als Erstes auf mich und meine Ziele schauen und diesen Weg konzentriert mit Engagement gehen. Mir hat immer Vieles Spaß gemacht. Mir fehlten MentorInnen, Sparringpartner, die mich zu meinen Stärken objektiv hätten beraten können. Als ältestes Kind fühlte ich mich verantwortlich für meine jüngeren Geschwister und für meinen schwerkranken Vater. Obgleich ich Stipendien, Preise und Auszeichnungen bekam und mir bewusst war, dass ich intelligent bin, war ich mir oft nicht sicher, ob ich meine Ziele erreichen kann, denn ich fühlte mich durch die Verantwortung von zuhause unter Druck. Ich hatte das Gefühl, dass ich funktionieren muss und mich nicht frei entfalten kann.
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**Anabel:**Du hast in Unternehmen Karriere gemacht und Dich dann als Mutter von zwei Kindern selbständig gemacht. Das ist mit Kindern weder einfach noch so nebenbei zu machen, ich finde das sehr beeindruckend. Wie bist Du auf die Idee gekommen?
Britta: Gute Frage! Genau genommen habe ich mich zwischen Kind eins und zwei selbständig gemacht. Ich habe also den Wiedereinstieg einmal in die Unternehmenswelt vollzogen, hatte hier ein sehr gutes Set-up und Vertrauensvorschuss, weil ich das Partner Team hier sehr gut kannte und sie mir auch Flexibilität eingeräumt haben, was meine Arbeitszeiten anbelangten. Meine Zahlen waren immer gut und übererfüllt – das hilft. Positionierung ist hier wichtig. Ich habe mich früh um eine Tagesmutter gekümmert, und hatte hier einen Glücksgriff, so dass ich immer beruhigt war, das war für mich das A und O. Erst als klar war, das wir ein zweites Kind wollten und ich eine, wenn auch frühe, Fehlgeburt hatte, wurde mir bewusst, dass zwei, die voll arbeiten und ihr Budget erfüllen müssen, für die Familie nicht hilfreich sind. Das war sehr stressig und mit vielen Reisen verbunden. Das hat mich dazu bewogen zu sagen, mein eigenes Executive Search Business aufzubauen. So habe ich mehr Freiraum und Flexibilität, da ich meine eigene Frau bin. Das hat mich beruhigt – die Arbeitsbelastung war ja da, sogar ausgeprägter, aber unter meinen Bedingungen.
Anabel: Das ist ja nicht über Nacht gemacht – Du hast Dir das zugetraut, an Dich geglaubt – wie waren da die Anfänge, war das einfach, wer hat an Dich geglaubt und wie hast Du es geschafft, erfolgreich zu werden mit dieser Mehrfachbelastung als Unternehmerin und Mutter?
Britta: Ich denke, ich habe das Unternehmerinnen-Gen wohl in mir. Nach 10 Jahren Erfahrung und einem eigenen Kundenstamm war ich überzeugt, dass ich für Unternehmen, gerade in bestimmten Nischen auf Honorarbasis, einen Mehrwert liefern kann und ein interessantes Angebot habe. Es war mir dabei wichtig, das meine Expertise als Beratung als Mehrwert von meinen Kunden von Projektanfang bis Projektende gesehen wird. Das ist es, was ich durch meinen strukturierten Prozess, mein Netzwerk und mein Talent, Menschen zu öffnen und für eine neue Möglichkeit begeistern, tatsächlich bieten kann. Im Grunde habe ich von allen Zuspruch bekommen, meiner Familie, meinen Freunden, die an mich geglaubt haben und zuletzt hatte ich dann schnell meinen ersten Kunden GE Medical – das fühlte sich großartig an. Ich werde den Moment, als das erste Honorar auf meinem eigenen Geschäftskonto war, nie vergessen, so wertig habe ich mich damals gefühlt. Dennoch muss ich zugeben, ich bin das Ganze auch etwas blauäugig angegangen, da würde ich das ein oder andere heute anders machen.
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**Britta:**Als Mutter kommt immer noch ein weiteres „Start-up“ dazu, das ganz schön viel Zeit beansprucht. Das ist schön, aber schlecht kalkulierbar und zieht oft ganz schön an unseren Kräften. Und wenn „Not am Mann“ sind es doch meist die Mütter, die da sind, nicht die Väter. Du bist auch Mutter, wie hat sich Dein Blick auf Deine eigene Karriere und Deinen beruflichen Werdegang seitdem verändert?
**Anabel:**Als Mutter veränderte sich mein Bewusstsein für Verantwortung, die ich trage. Plötzlich ist da ein kleiner Mensch, der Dich braucht, Deine Liebe, Deine Verantwortung und Deine Zeit. Ich teile seitdem meine Zeit bewusster ein, selektiere meine Freunde stärker und überlege gut, welche Termine wichtig sind – vor allem Termine zu Zeiten, die ich sonst mit meinem Kind verbringen kann. Das Kind hat schon eine sehr hohe Priorität. Dazu stehe ich. Auch wenn ich im Beruf darauf angesprochen werde. Und ich weiß dabei, dass Kind und Job wirklich gut miteinander funktionieren können – wenn man gut organisiert ist und sich trotz der vielen Rollen auch immer Zeit für sich selbst nimmt, aus der man Kraft schöpft.
Britta: Siehst Du Dich im Berufsalltag auch als Mutter oder blendest Du das da aus? Geht das überhaupt? Wie beobachtest Du andere Frauen im Umgang mit Familie und Karriere?
Anabel: Ich habe mehrere Rollen und alle lebe ich. Da stülpe ich mir nicht verschiedene Ichs über und bin je nachdem eine ganz andere. Ich bin zu jeder Zeit natürlich auch Mutter. Aber wenn mein Kind in der der Kita ist und ich es dort gut aufgehoben weiß, dann kann ich mich im Berufsalltag gut auf meine Aufgaben konzentrieren. Im Homeoffice ist das noch einmal eine ganz besondere Herausforderung, wenn man für ein Kind sichtbar in der Nähe und greifbar ist, aber mit seinen beruflichen Aufgaben beschäftigt. Das ist für beide Seiten nicht ganz einfach. Aber auch das lässt sich organisieren und üben. Das hat viel mit Konsequenz, Klarheit und Transparenz zu tun. Bei anderen Müttern erlebe ich oft, dass sie sehr viel wollen, vor allem perfekt sein. Aber mit Kindern bringt das nur Hektik, Unzufriedenheit und das Gefühl, es einfach nicht hinzubekommen. Eine Portion Lockerheit tut da gut. Es gibt viele berufstätige Mütter, die zu verstecken versuchen, dass sie auch Mutter sind, weil sie meinen, dass man sie dann in der Karriere benachteiligt. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass es darauf ankommt, wie man mit der Tatsache umgeht, Mutter zu sein. Ich finde, dass der Chef und die Kollegen absolut wissen dürfen, dass man Mutter ist. Wenn man seine Aufgaben dabei organisiert bekommt und seine Rollen souverän miteinander kombiniert, sollte das kein Problem sein. Ich jedenfalls habe das nie als solches erfahren.
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**Anabel:**Wenn sich eine Frau entscheidet, wegen der Kinder eine längere Karrierepause einzulegen, sollte sie sich vorab überlegen, was für einen Einstieg sie später wieder haben möchte und wie sie sich darauf vorbereiten muss. Tut sie das nicht, kann das sehr herausfordernd und ernüchternd sein. Diese Frau sollte sich überlegen, welche Weiterbildungen sie in der Zwischenzeit absolviert, welche Kontakte sie aufrechterhalten und neu knüpfen kann. Worauf sollte diese Frau am meisten achten, die wieder zurück in den Beruf kommen will?
Britta: Gute Planung, Organisation und Ziele setzen. Die Karriere einer Frau und Mutter ist ein Marathon, da mit der Familienplanung häufig Unterbrechungen dazukommen. Innerhalb des Marathons hat man aber so manche Sprints, zum Beispiel ganz am Anfang der Karriere, vor und nach Beförderungen, und auch nach nach der Pause, wenn man hochmotiviert und voller Energie wieder beruflich angekommen ist. Zwischendurch muss man auch immer wieder durchhalten, wenn man kürzere Nächte als Kollegen hat oder sich abends, nachdem die Kinder im Bett sind, noch ein bis zwei Stunden an den Schreibtisch setzt. Das schafft man nur, wenn man ein Ziel vor Augen hat, seinen Job auch mit Begeisterung ausübt und einen Sinn darin sieht. Das halte ich für sehr wichtig. Wenn dann die Kinder älter oder auch langsam aus dem Haus sind, kommt nochmals ein Energieschub – das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Ich habe durch unser Start-up &ahead und unser Team in den letzten 2 Jahren so viel dazu gelernt und bin auch mit 50 nochmals enorm gewachsen. Ich würde deshalb sagen, für Unternehmen, als Personalberaterin oder als Executive Coach aktueller und wertvoller zu sein als je zuvor. Zudem halte ich für sehr wichtig mit dem Partner frühzeitig offen zu sprechen, über die weiteren Karrierewünsche, Absprachen zu treffen, wer gegebenfalls in welchem Zeitraum mehr arbeitet und wie es sich finanziell gestaltet. Denn man zahlt ja dann einige Zeit nicht in die Pension ein und zwar mit Anfang oder Mitte 30 häufig genau auf dem aufsteigendem Ast der Karriere – wie wird das ausgeglichen? Und dann halte ich es für sehr wichtig, eine Reflexion vorzunehmen: was habe ich bislang gemacht, wo war ich erfolgreich, was hat mir Spaß gemacht, wo würde ich gerne noch hinschauen mich erweitern? Was kann ich in der Zwischenzeit neu dazulernen? Die Karrierepause als einen Zeitraum betrachten, in dem man als Person weiter wächst und sich auch weiterbildet – das kommt einem selbst und dann später auch dem Arbeitgeber wieder zu Gute.
**Anabel:**Wie wichtig schätzt Du ein Netzwerk, Karrieresponsoren wie Coaches oder Mentoren oder auch einen geschützten Raum, den Ihr als &ahead bietet, ein, in dem man die Schritte zurück in den Beruf nach einer Pause begleitet, strukturiert, zielgerichtet und bestärkt wieder neu angehen kann?
**Britta:**Das ist elementar wichtig und fehlt in Deutschland. Wir sind die erste Plattform, die diesen besonderen Service für berufliche Wiedereinsteiger bietet – das wissen wir vom Feedback unserer Teilnehmer, Coachees und unseres Netzwerks. Es ist uns gelungen, in den letzen anderthalb Jahren über 1000 Menschen nicht nur einen geschützten Raum, sondern auch durch spezifische Coachings, Workshops und Tools bei ihrem beruflichen Wiedereinstieg und den ersten Schritten professionell und vertrauensvoll zu begleiten. In unserem Netzwerk haben wir auch tolle Mentoren, die wir den Wiedereinsteigern an die Seite stellen, und einige davon bringen wir auch mit potentiellen Arbeitgebern zusammen. Das tun wir digital oder im persönlichen Austausch. Und genau dafür setzen wir uns ein und sind wir angetreten. Mit &ahead - one career is not enough bieten wir vor allem denjenigen, die eine längere Karrierepause genommen haben – und das sind häufig Mütter – eine Plattform, um wieder beruflich anzuknüpfen. Wir bieten ihnen einen geschützten Raum, in dem sie ein Netzwerk finden, ihre Themen offen besprechen können und sich Schritt für Schritt beruflich wieder fit machen und fühlen und bewusst zu positionieren. Die meisten Frauen waren ja auf dem aufsteigenden Ast ihrer Karriere, als dann die Familienplanung einsetzte. Im Grunde denkbar ungünstig, aber das ist biologisch nun mal einfach so. Das war bei mir ähnlich. Wenn sie zurückkommen, fehlt ihnen häufig das Selbstbewusstsein und sie steigen deshalb oftmals in weniger niedrigeren und schlechter bezahlten Positionen ein. Hier setzen wir an: Aufbau von Selbstbewusstsein, Bestärkung durch die Community ("Du bist nicht allein"), Coaching, Mentoring und unsere Workshops, wo sie durch unsere Partnerunternehmen und Mentor*innen über bestimmte Themen, Fragestellungen und mögliche berufliche Perspektiven offen sprechen können. Unsere Vision ist, mit &ahead die digitale Plattform für den beruflichen Wiedereinstieg zu werden. Unsere Methodologie sind die 3Cs: Clarify, Create, Connect. Sie stellen die Grundlage unseres (E-)Coachings dar. Dazu kommen Aspekte wie Future of Work & Digitalisierung sowie Resilience und weitere E-Learning Angebote, um sich (digital) wieder fit zu machen oder weiterzubilden. Es gibt heute so viele e-learning Angebote – und durch gezielte Fragestellungen können wir die relevanten dann digital über unsere Plattform filtern und unseren Mitgliedern zusammenstellen. Für Unternehmen bieten wir mit der &ahead-Plattform unterschiedliche Möglichkeiten, um unsere versteckten Talente mit im Durchschnitt 5-12 jähriger Berufserfahrung kennenzulernen. Das kann über Foren oder Workshops, über unser Karriereportal, ein sogenanntes berufliches Wiedereinstiegsprogramm oder auch durch Sponsoring einiger unserer Mitglieder erfolgen. Mit dem gelungenen Wiedereinstieg gewinnt das Unternehmen dann nicht nur ein zufriedenes und hoch motiviertes Talent, sondern es entsteht auch ein social impact. Menschen, die unseren Kreislauf durchlaufen, werden Mentoren und bleiben damit im Netzwerk und in der Gemeinschaft. Das ist uns sehr wichtig!