Konzern oder Mittelstand oder Start-up? Welcher Kontext passt zu mir?
Ganz egal ob Sie vom Mittelstand in den Konzern oder vom Konzern in ein Start-up wechseln: Mit dem Start in einer neuen Unternehmensform sind meist große Hoffnungen verbunden. Allzu oft folgt die Ernüchterung aber auf dem Fuße.
Die glänzenden Aufstiegschancen im Konzern werden von undurchschaubaren Machtspielen ausgebremst. Im Mittelstand gehen Ihnen plötzlich die Karriereoptionen aus. Und das vermeintlich aussichtsreiche Start-up entpuppt sich als Rohrkrepierer. In meinem Führungskräfte-Coaching begegne ich seit 30 Jahren immer wieder Klienten, die angesichts ihrer Wahl desillusioniert sind.
Die gute Nachricht: Wenn Sie die Eigenheiten der drei Unternehmensformen kennen, können Sie fundiertere Entscheidungen treffen – auch wenn im Detail jedes Unternehmen seine eigenen Spielregeln hat. Konzern, Mittelstand oder Start-up: In diesem Beitrag finden Sie heraus, welcher Kontext am besten zu Ihnen passt.
Start-up – schnelles Wachstum
Start-ups nehmen unter den Unternehmensformen eine besondere Rolle ein. Während viele mittelständische Unternehmen und Konzerne über Jahrzehnte – teils sogar über Jahrhunderte – gewachsen sind, haben Start-ups erst wenige Jahre auf dem Buckel. Oder befinden sich gerade noch in der Gründungsphase. Das bringt einige spezifische Herausforderungen mit.
Zu existenziellen Unsicherheiten (schafft es das Unternehmen über die kritischen nächsten Jahre?) kommen mitunter unklare Verhältnisse hinzu – etwa was Kompetenzen, Hierarchien und Unternehmenskultur angeht. Letzte befinden sich oft noch in der Entwicklungsphase und müssen unter den Entscheidern (teils hitzig) verhandelt werden. Gut möglich, dass es in dieser Phase auch zu einem Bruch eines Gründers mit den Partnern kommt – und sich das junge Unternehmen in kürzester Zeit neu strukturieren muss. Bei schnell wachsenden Start-ups müssen typische Wachstumsschmerzen bewältigt und Investoren angezogen werden.
Auf der anderen Seite bieten Start-ups für C-Level auch enorme Vorteile. Hier haben Sie die Chance, ein Unternehmen nahezu von Stunde null mitzugestalten – und können Ihre Vorstellungen und Visionen dank schlanker Strukturen oftmals sehr gut umsetzen. Und wenn Sie frühzeitig an einem Unicorn (Bewertung über 1 Milliarde Euro vor dem Börsengang) beteiligt sind, warten auch in finanzieller Hinsicht glänzende Aussichten.
Wann Sie im Start-up gut aufgehoben sind
Ein Start-up ist grundsätzlich für Sie geeignet, wenn Sie
mit Unsicherheiten umgehen können,
viel bewegen und ein Unternehmen mit aufbauen möchten,
von Grund auf eine moderne Unternehmens- und Führungskultur entwickeln wollen,
schlanke Strukturen und wenig Bürokratie zu schätzen wissen,
Sie ein „gewisses Alter“ haben, was für viele Unternehmen abgetan wird mit „zu teuer“, von einem Start-up aber häufig sehr gewertschätzt wird, im Sinne von, da kaufen wir uns „kompetente Erfahrung“ ein,
die Energie junger Unternehmen mögen und
mit Unsicherheiten umgehen können.
Mittelstand – Konstanz und kurze Entscheidungswege
Mittelständische Unternehmen werden manchmal mit kleinen oder mittleren Unternehmen (KMU) gleichgesetzt. Streng genommen dürften Sie dann nur 500 Beschäftigte haben. In der Praxis wird die Definition aber meist deutlich breiter gefasst. Auch Familienunternehmen mit 2000, 6000 oder 10.000 Beschäftigen können sich selbst zum Mittelstand zählen. Entsprechend groß sind auch die Unterschiede zwischen den Unternehmen.
Meine Erfahrung zeigt: Das wesentliche Charakteristikum des Mittelstands ist dessen Unternehmenskultur. Meist ist man hier bodenständig und wertschätzend. Viele Mitarbeiter und Führungskräfte bringen eine gewisse Hands-on-Mentalität mit und identifizieren sich stark mit ihrem Unternehmen. Politik und Machtspiele findet man hier vergleichsweise selten.
Nicht verwunderlich also, dass interne Aufstiege im Mittelstand besonders verbreitet, schnell und früh möglich sind. Sind Sie lange genug im Unternehmen, verstehen sich mit Team und Chef und punkten durch Leistung, können Sie gerade bei kleineren Mittelständlern sogar noch aus dem Stand den Sprung an die Spitze schaffen. (Top-)Führungskraft werden ohne Erfahrung: Das geht nur hier. Und haben Sie es einmal nach oben geschafft, können Sie dank kurzer Entscheidungswege erstaunlich viel bewegen – und auch anspruchsvolle Transformationen wuppen.
Erich V., Geschäftsführer eines großen mittelständischen Unternehmens mit mehr als 10.000 Mitarbeitern, sagte mal: „Ich stelle fest, dass die Leute, die aus dem Konzern zu uns kommen, ganz überrascht sind.“ Denn Sie würden merken, dass hier „wirklich noch Entscheidungen getroffen werden, anstatt immer wieder neue Konzepte zu schreiben“ und „weniger Politik“ herrscht. Diese Aussage trifft den Nagel auf den Kopf.
Gerade wenn Sie Wert auf Konstanz legen und die Ausrichtung von Unternehmen über lange Zeiträume prägen wollen, sind Sie im Mittelstand richtig. So bleiben KMU-Manager durchschnittlich fast 15 Jahre im Amt.
Aber, wo Licht ist, ist auch Schatten. Denn auch wenn die Aufstiegsmöglichkeiten in mittelständischen Unternehmen oft besser sind als viele Führungskräfte auf den ersten Blick vermuten. Irgendwann stößt man an seine Grenzen – etwa wenn der Wunsch nach internationalem Einfluss wächst, das Unternehmen aber nur in Deutschland aktiv ist.
Wann Sie im Mittelstand gut aufgehoben sind
Mittelständische Unternehmen kommen prinzipiell für Sie in Betracht, wenn Sie
dank kurzer Entscheidungswege im Sinne des Unternehmens so richtig etwas bewegen wollen,
Ihre eigenen Vorstellungen einbringen möchten,
wenig Politik zu schätzen wissen,
Machtspiele im Unternehmen nicht leiden können,
Wert auf Konstanz legen und
sich nicht daran stören, dass Ihnen weniger Karriereoptionen als im Konzern offenstehen.
Konzern – vielseitige Karriereoptionen
Für die Arbeit als C-Level im Konzern spricht – neben dem meist großzügigen Gehalt – zunächst mal, dass Ihnen hier viele Möglichkeiten offenstehen. Sie können sich auf Ihren Kernbereich fokussieren. Oder Sie können Ihren Karriereweg um ganz neue Positionen ergänzen. Wächst beispielsweise der Wunsch nach schlankeren Strukturen oder möchten Sie etwas aufbauen und sichtbar mehr bewegen, ist oftmals ein Wechsel in eine Tochterfirma möglich, die mittelstandsähnlich funktioniert – und das, ohne den Anschluss zum Headquarter zu verlieren. Und auch wenn Sie nach internationalem Einfluss streben, neue Länder und (Arbeits-)Kulturen kennenlernen möchten, sind Konzerne (mit Auslandsdependancen) eine gute Wahl.
Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen Klienten Gerhard T., der sich in den Kopf gesetzt hatte, einen MBA zu machen – und deshalb mit seinem Arbeitgeber im Streit lag. Im Laufe unserer Gespräche kristallisierte sich allerdings heraus: Es ging im Kern nie um den MBA und die damit (vermeintlich) verbundene Anerkennung. Vielmehr hatte Gerhard den Wunsch, etwas Bedeutsames aufzubauen. Und dazu ergab sich im Unternehmen auch prompt eine Gelegenheit: Als Manager für den Aufbau des Südamerika-Geschäfts.
Die vielseitigen Karriereoptionen und das verlockende Gehalt haben allerdings einen Preis. So müssen Sie sich im Konzern-Management auf lange Entscheidungswege einstellen. Und gerade an der Unternehmensspitze läuft nichts ohne Politik. Machtspiele, doppelbödige und indirekte Kommunikation sowie Hidden Agendas sind hier leider – trotz Lippenbekenntnissen zu moderner Führung – oft an der Tagesordnung. Eine Klientin, die vom Mittelstand in einen Konzern wechselte, sprach in diesem Zusammenhang mal von einem „Haifischbecken“. Ein drastisches Bild, das ich aber für gar nicht mal so überzeichnet halte.
Wann Sie im Konzern gut aufgehoben sind
Die Arbeit in der Führungsetage eines Konzerns sollten Sie insbesondere dann ins Auge fassen, wenn Sie
Wert auf ein großzügiges Gehalt legen,
sich vielseitige Karriereoptionen offenhalten möchten,
sich sicher auf politischem Parkett bewegen können,
mit Machtspielen und doppelbödiger Kommunikation umgehen können und
Ihnen kürzere Halbwertszeiten von Top-Positionen nichts ausmachen (manche Chef-Sessel sind regelrechte Schleudersitze).
Konzern vs. Mittelstand vs. Start-up – ein Überblick
Konzern oder Mittelstand? Oder doch lieber Start-up? Abschließend habe ich Ihnen die wichtigsten Unterscheidungskriterien noch einmal übersichtlich zusammengefasst.
Wichtig: Die Tabelle zeigt eine ganz grundlegende Einordung – und kann Ihnen daher nur als grundlegende Richtungsentscheidung dienen. Für sich betrachtet hat jedes Unternehmen seine eigenen Regeln und Eigenheiten. Es gibt Konzerne, in denen moderne Führung tatsächlich gelebt wird. Ebenso wie mittelständische Unternehmen, die unglaublich bürokratisch organisiert sind und lange Entscheidungsprozesse haben. Vor Ihrer Bewerbung als C-Level sollten Sie die in Frage kommenden Unternehmen daher genauestens unter die Lupe nehmen.
Herzliche Grüße
Gudrun Happich
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