Kreative Wege aus der Krise – von Wrongism bis Serendipity
Wie behauptet man sich gegen noch so große Widerstände? Eine Frau, die es wissen muss, bringt ihre Strategie folgendermaßen auf den Punkt: „I eat ‚No‘ for breakfast“, sagt Kamala Harris kampflustig in einem Interview, dessen Video auf Facebook Anfang 2021 viral ging. Frei übersetzt meint die frisch vereidigte Vizepräsidentin der USA und damit erste Frau und Hispanic in diesem Amt: „Geht nicht gibt’s nicht!“ Das ist schon mal eine gute Voraussetzung, um Neuland zu betreten. Genau das müssen seit Beginn der Corona-Krise auch unzählige Mitarbeiter, Führungskräfte und Unternehmen angesichts veränderter Strukturen, Prozesse, Verantwortlichkeiten und oft sogar Geschäftsmodelle. Was braucht es neben Mut und Entschlossenheit à la Kamala Harris jetzt, um weiterhin erfolgreich zu sein, Resilienz zu zeigen und neue Lösungen zu finden?
Serendipity: Potenzielle Mentoren erkennen
Bieten sich in einer Krise neue Möglichkeiten, heißt es zunächst, diese überhaupt zu erkennen und sie dann auch tatsächlich wahrzunehmen. Dieses Prinzip wird Serendipity genannt, deutsch: „Serendipidität“ oder „glücklicher Zufall“. Vieles in der außergewöhnlichen politischen Karriere von Kamela Harris war nicht planbar – so wie es einige Nummern kleiner für die meisten von uns auch gilt. Ein Beispiel: Immer wieder traf die Juristin Harris durch Zufall auf Menschen, in denen sie das Potenzial exzellenter Mentoren erkannte und nutzte, um beruflich voranzukommen. In einem Interview für das „Alta Journal“ spricht Harris im Zusammenhang mit ihrer Karriere selbst von „total serendipity – things just happen.“ Übrigens ist Harris umgekehrt auch Mentorin für zahlreiche andere Menschen – und Mentorenschaft gilt als ein wirkungsvoller Resilienzfaktor, also als Technik zur Steigerung der eigenen Widerstandsfähigkeit.
Das Unerwartete kann zu einem Verbündeten werden.Dr. Christian Busch, Autor „The Serendipity Mindset”
Was bedeutet das Serendipity-Prinzip mitten in der Krise? Dr. Christian Busch, Autor des Buches „The Serendipity Mindset“, formuliert es in dem Magazin „Forbes“ so: „Mit einem Serendipity-Mindset können wir die alte Illusion der Kontrolle aufgeben und das Unerwartete kann von etwas Bedrohlichem zu einem Verbündeten werden.“ So wie beispielsweise ein Betriebsrat im aktuellen Klima der Auflösung konventioneller Arbeitsstrukturen das Recht auf bis zu drei Tage Home-Office in seinem Unternehmen mit der Gunst des Momentes durchsetzt und dauerhaft festschreiben lässt. Weil man beim Serendipity-Prinzip den Zufall und sein Potenzial nutzt, wird es auch „active luck“ oder „smart luck“ genannt. Und wie Corona zeigt, kann selbst die übelste Krise als glücklicher Zufall dienen.
Das Prinzip-Serendipity spielt auch im Tagesgeschäft eine Rolle. In Zeiten des einst normalen Präsenzarbeitens im Büro traf man Kollegen zufällig mal im Flur oder in der Kaffeküche. Serendipity bedeutete hier: Man schnappt möglicherweise etwas Nützliches auf, vertieft Kontakte, nutzt den Moment, um einen Mitarbeiter für das neue Projekt zu begeistern.
Serendipity in der ZOOM-Kaffeeküche
Diese zufälligen Momente würden einer Firma helfen, "gut zu funktionierenen, weil ein informelles Gespräch Vertrauen und Verbindlichkeit zwischen den Angestellten schafft", so der britische Evolutionsbiologe Robin Dunbar von der Universität Oxford ("Süddeutsche Zeitung", 6./7. Februar). Weshalb sich ein Evolutionsbiologe für derlei interessiert? Weil der Mechanismus des Vertrauenschaffens durch beiläufige Begegnungen im Menschen seit Millionen Jahren angelegt ist. Affen kraulen einander zwischendurch – und das eben nicht allein zur Fellpflege. Fallen im Arbeitskontext diese zufälligen Treffen weg, schade das auch der Kreativität: "Menschen mit unterschiedlichen Interessen sehen Dinge aus anderen Perspektiven; so lassen sich Probleme lösen", sagt Dunbar.
Wie ließe sich die zufällige berufliche Begegnung ins Home-Office einbauen? Zum Beispiel indem eine virtuelle Kaffeeküche eingerichtet wird: ein regelmäßiger ZOOM- oder Teams-Termin, an dem teilnehmen kann, wer gerade Lust hat. Für den vertraulichen Plausch kann man die Unterhaltung dabei in den Chat verlegen und keiner merkt's.
Es ist richtig, falsch zu liegen
Die Corona-Krise stellt in Unternehmen vieles infrage, was selbstverständlich schien. Wo Altes nicht mehr funktioniert, wird nun Neues gebraucht. Doch der Weg dorthin ist in aller Regel mit falschen Annahmen gepflastert. Und niemand umarmt diese so sehr wie Kathryn Schulz, amerikanische Journalistin, Autorin, TEDEd-Speakerin und weltweit führender „Wrongologist“, wie sie sich selbst bezeichnet. Für die meisten Menschen fühlen sich Fehleinschätzungen schlichtweg sehr unangenehm an, zumindest sofern man sie bemerkt. Deshalb wähnten wir uns lieber auf der richtigen Seite, so Schulz. Doch das habe mit der Realität eben oft nichts zu tun. In Krisen kann diese Haltung des unbedingten „Ich habe recht“ sogar fatal sein: Es verstellt nicht nur den Blick für wirkliche Lösungen, sondern man paktiert möglichkerweise mit jenen Kollegen und Partnern, die Angst reduzierend wirken, indem sie der eigenen Einschätztung oder Prognose zustimmen. Mit anderen Worten: Die Angst davor falsch zu liegen, beschleunigt die Katastrophe.
St. Augustinus: „Ich irre, also bin ich“
In ihrem TEDEd-Vortrag zitiert Schulz den Kirchenlehrer St. Augustinus: „Fallor ergo sum – Ich irre, also bin ich“. Hier steht, anders als Descartes‘ „Ich denke, also bin ich“, das Irren im Zentrum des Menschlichen. „Wrongism“ könnte man entsprechend als eine radikal positive innere Kultur der Irrungen beschreiben.
Sagen Sie doch mal: Wow, ich habe keine Ahnung, vielleicht irre ich mich.Kathryn Schulz, Autorin und TEDEd-Speakerin
So schließt Schulz ihren TEDEd-Talk mit der Empfehlung und Hoffnung: „Verlassen sie diesen kleinen, engen Raum des Rechthabens und schauen Sie in die Weite und das Mysterium des Universums. Ich wünsche Ihnen, dass Sie dann sagen können ‚Wow, ich habe keine Ahnung, vielleicht irre ich mich…‘.“ Und was sonst wäre in einer Zeit der globalen, exzessiven Disruption angebrachter, um die Entwicklung neuer Lösungen zu erleichtern?
All diese Haltungen verdichten sich in einem kreativen Umgang mit neuen Herausforderungen. Dies mag ein Grund dafür sein, dass Unternehmen Mitarbeitertrainings in Kreativität schätzen. Doch viel zu selten wird dabei das am Naheliegendste gewählt: Kunst als Trainingsmethode. Denn in der Kunst wird immer wieder verworfen und neugestaltet, aus Zufälligem entstehen neue Perspektiven und der künstlerischen Kontrolle steht die Eigendynamik des künstlerischen Prozesses gegenüber.
Kreativtrainings mit Kunst
Mit genau dieser Art von Trainings versorgt die Hamburger Künsterin Odile Lueken mitten in der Pandemie Konzerne, dabei sogar einige Global Player. Wer selbst Trainer ist, weiß aber: Die meisten Mitarbeiter schreien „Ich kann nicht malen!““, wenn es um eine entsprechende Übung geht. Deshalb setzt Lueken in ihren „Kreativtrainings mit Kunst“ Siebdruck als Technik für Collagen ein. Das kann nämlich jeder.
Wer kreativ wird, fühlt sich wie ein Kind auf Zucker.Odile Lueken, Künstlerin
Dabei machen Mitarbeiter das im Tagesgeschäft möglicherweise seltene Erlebnis eines kreativen Flows. „Ein Teilnehmer meinte, er fühle sich dabei wie ein Kind auf Zucker“, sagt Lueken. Entsteht hierbei mehr Vertrauen in die eigene Kreativität, profitiert davon auch das Unternehme. Die Trainings finden oft zu speziellen Themen des jeweiligen Unternehmens statt. Geht es beispielsweise um „Markenstärke“, wird in kleinen Boxen Collagen-Material zu genau diesem Thema für jeden Mitarbeiter bereitgestellt – natürlich auch für das Home-Office mit virtueller Anleitung via ZOOM.
So wird gerade in Krisenzeiten im wahrsten Sinne des Wortes „Out of the Box“-Denken und damit die Widerstands- und Innovationsfähigkeit des jeweiligen Unternehmens gefördert. Kreativtrainings, Wrongism und Serendipity – eine starke Trias im Kampf der Unternehmen gegen Corona und andere Krisen.
Du möchtest mehr zu Themen wie diesem erfahren? Dann sei dabei in meinem nächsten offenen Training für mehr seelische Widerstandskraft (Resilienz) für Mitarbeiter und Führungskräfte vom 22.4.2024 – 23.4.2024 im Beach Motel St. Peter Ording. Für Infos zu diesem und weiteren Trainings zu den Themen „Stressmanagement“, „Resilienzorientierte Führung“ oder „Mehr Gelassenheit entwickeln“ sende mir gern hier eine Nachricht oder eine Mail an drkaikaufmann@icloud.com oder besuche meine Homepage mit meinem Blog.
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