Kündigen in der Probezeit – Karrierekiller oder gutes Selbstmanagement?
Die Vorfreude war groß. Doch nun entpuppt sich der neue Job als Reinfall. Mit diesen Fragen weißt Du, ob es Zeit für einen zügigen, aber stilvollen Abschied ist.
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Frage der Woche:
Ich befinde mich noch in der Probezeit, habe aber festgestellt, dass ich nicht wirklich zufrieden bin. Worauf sollte ich achten, wenn ich jetzt kündige und keine verbrannte Erde hinterlassen will?Mia, XING Userin
Liebe Mia,
zunächst einmal ist die Probezeit für beide Parteien – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – eine Zeit, in der man sich kennenlernt und herausfindet, ob man wirklich zueinander passt. Dass es dabei trotz passend scheinender Startbedingungen nicht immer zu einem hundertprozentigen Match kommt, kann passieren. Manchmal stellt eine der beiden Parteien, in diesem Fall Du, im Laufe der Zeit fest, dass der Job nicht zur eigenen Persönlichkeit oder zur eigenen Vorstellung von einer erfüllenden Arbeit passt. Im Folgenden gebe ich Tipps, worauf man achten sollte, wenn man während der Probezeit kündigen will und welche Fragen man sich stellen sollte.
Kündigungsgründe beleuchten
Bevor Du vorschnell das Handtuch wirfst, empfehle ich, die Gründe für die Kündigung genau unter die Lupe zu nehmen. Dabei solltest Du klar unterscheiden und Dich fragen:
1. Was liegt tatsächlich am Job?
Inhalt und Aufgaben
Arbeitsanforderungen und Belastung
Unternehmenskultur
Arbeitsbeziehungen
2. Was liegt an den äußeren Bedingungen?
Arbeitsort oder -umgebung und Fahrtweg
Vergütung
Arbeitszeit und Arbeitsmittel
**3. Welche Gründe für meine Unzufriedenheit liegen vielleicht an anderer Stelle?**In meiner Sichtweise oder auch in meiner subjektiven Lebenssituation?
Hast Du wiederholt die Erfahrung gemacht, dass sich Jobs oder auch Beziehungen anders entwickeln als erhofft? BIst Du schnell enttäuscht oder brichst Du häufig Arbeitsverhältnisse oder generell Kontakte ab? Dann können tiefe innere Überzeugungen über andere Menschen, die Arbeitswelt oder das Leben im Allgemeinen dahinterliegen, die sich auch durch einen erneuten Jobwechsel nicht lösen werden.
Hier sollte man ehrlich zu sich selbst sein und auch Rat von außen hinzuziehen, beispielsweise von Freund•innen oder auch einem Coach oder Berater. Wenn Du in einem anderen Lebensbereich (zum Beispiel Gesundheit, Familie, Freundschaften, Freizeit) im Moment mehr Kraft verlierst als gewinnst, dann kann auch das in einer Art Erschöpfungsübertragung auf den Job zu Unzufriedenheit führen. Wirf also neben dem Blick auf deine berufliche Aktivität auch einen auf die restlichen Lebensbereiche.
Wenn es jedoch handfeste Gründe für eine Kündigung gibt, wie dauerhafte Überlastung, eine mangelnde Job-Person-Passung, keine Perspektive oder Konflikte zwischen den eigenen Werten und denen des Unternehmens, dann sollte man nicht zögern, sondern den Schritt in die Kündigung wagen.
In diesem Artikel beleuchte ich, welche guten Gründe für eine Kündigung sprechen und wie man herausfindet, welche Motivation hinter dem eigenen Kündigungswunsch stecken kann.
Vor der Kündigung: Job Crafting betreiben
Auch wenn Du bereits in der Probezeit feststellst, dass Du im neuen Job nicht wirklich zufrieden bist, ist die Kündigung nicht die einzige Option. Gerade wenn Du neu im Unternehmen bist, Dein Team, die Vorgesetzten und die Strukturen und Möglichkeiten noch gar nicht in der Gänze kennen kannst, lohnt sich der Versuch, den Job so zu verändern, dass er besser zu Deinen Vorstellungen und Bedürfnissen passt.
In der Arbeits- und Organisationspsychologie wird dieses Vorgehen unter dem Schlagwort „Job Crafting“ beschrieben: Wenn Du herausfindest, was genau Dich so unzufrieden macht, schaffst Du die Möglichkeit, die entsprechenden Bereiche des Jobs so zu verändern, dass Du auch in der aktuellen Position mehr Zufriedenheit und Erfüllung finden kannst.
Zehn Fragen, die Du Dir vor der Kündigung stellen und ehrlich beantworten solltest:
Was genau macht mich an dem aktuellen Job so unzufrieden?
Bei welchen Tätigkeiten des aktuellen Jobs fühle ich mich unwohl?
Bei welchen Tätigkeiten in der aktuellen Stelle fühle ich mich wohl?
Wie müsste die Aufgabe inhaltlich und strukturell konzipiert sein, damit ich meine Stärken einsetzen und Freude empfinden würde? Was müsste wegfallen, was hinzukommen und welche Teile müsste ich umgestalten?
Passen die Arbeitsstrukturen und Prozesse zu meinem präferierten methodischen Vorgehen? Wenn nicht, wie könnte ich die Arbeitsbedingungen verändern, um mehr in meiner Kraft zu sein?
Wie empfinde ich den Kontakt zu Kolleg•innen?
Wie fühle ich mich im Kontakt mit Vorgesetzten?
Wie müsste ich die Beziehungen gestalten, um authentisch interagieren zu können?
Was fehlt mir, um in meinem Job zufriedener zu werden?
Besteht im aktuellen Arbeitsverhältnis die Chance, an einigen Stellschrauben zu drehen (Tätigkeitsbereiche, Aufgabenverteilung, Inhalte oder äußere Bedingungen) und dadurch den Job dahingehend zu verändern, dass er meiner Vorstellung einer erfüllenden Arbeit näherkommt?
So kündigst Du richtig
Eine Kündigung vollzieht man nicht im Affekt, sondern wohlüberlegt, wenn man sich selbst bereits innerlich sortiert hat. Hast Du mithilfe der Fragen herausgefunden, dass die Gründe für den Kündigungswunsch mit dem Unternehmen zusammenhängen und dass sich auch nichts an der aktuellen Position verändern lässt? Dann solltest Du möglichst zeitnah das Gespräch mit den betreffenden Personen suchen und sie über Deinen Entschluss in Kenntnis setzen.
Wenn Du im ersten Schritt nicht direkt die schriftliche Kündigung einreichst, sondern einen Termin für ein persönliches Gespräch vereinbarst, in welchem Du Deine Argumente erläuterst, schaffst Du die besten Voraussetzungen dafür, Missverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Im besten Fall gelingt es allen Beteiligten durch diesen offenen Dialog, die Sachebene von der persönlichen Ebene zu trennen, also die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht als persönliche Absage an das Team oder die Vorgesetzten zu verstehen.
Nach der Kündigung
Ich rate dringend dazu, sich sowohl nach der Kündigung als auch nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen gegenüber Team und Arbeitgebenden so fair und loyal zu verhalten, als wollte man noch lange zusammenarbeiten.
Ähnlich wie sich nach einer privaten Trennung oftmals der wahre Charakter der Partner offenbart, sagt auch der Umgang mit einer Kündigung viel über die Persönlichkeit der Beteiligten aus. Wem es gelingt, sich hier respektvoll zu verhalten – das gilt für denjenigen, der kündigt, ebenso wie für denjenigen, dem gekündigt wird –, der kann erhobenen Hauptes das Unternehmen verlassen beziehungsweise den Mitarbeitenden ziehen lassen und braucht keine Sorge zu haben, den eigenen Ruf zu schädigen oder ein unangenehmes Wiedersehen mit ehemaligen Kollegen zu fürchten.
Im besten Fall verabschiedet man sich mit einem wertschätzenden Gespräch oder einer Geste und bedankt sich für die Erfahrungen, die man in dieser Anstellung sammeln konnte.
Apropos Ruf: Selbst, wenn die Arbeitsbeziehung unglücklich enden sollte, rate ich dazu, sich nicht negativ über ehemalige Arbeitgeber zu äußern – letztendlich fällt auch das auf einen selbst zurück und schadet der eigenen Reputation.
Vor der nächsten Anstellung
Einmal während der Probezeit die Segel zu streichen, ist nicht schlimm und lässt sich in jedem weiteren Bewerbungsgespräch gut begründen. Aber zu häufig sollten solch kurze Arbeitsperioden im Lebenslauf nicht auftauchen.
Um vor der nächsten Vertragsunterzeichnung zu prüfen, ob das Unternehmen hält, was es verspricht und ob man selbst zu dem beschriebenen Job und zum Team passt, bieten sich Probetage an, in denen man Unternehmen und zukünftige Kolleg•innen kennenlernen kann. Bei dieser Gelegenheit lassen sich viele Eindrücke sammeln, die Auskunft über die Job-Person-Passung geben. Sollte dieses Vorgehen in dem von Dir anvisierten Unternehmen nicht üblich sein, kannst Du den Vorschlag dennoch vorbringen und die Chancen für alle Beteiligten erläutern.
Ist ein näheres persönliches Kennenlernen nicht möglich, lohnt es sich, in Onlineportalen wie Kununu zu recherchieren, wie die Unternehmen von (ehemaligen) Mitarbeitenden bewertet wurden. Auch hier lässt sich zumindest die ein oder andere hilfreiche Information finden, die den eigenen ersten Eindruck erweitern kann. Solltest Du direkte Kontakte zu Mitarbeitenden haben, nutze Dein Netzwerk, um Informationen einzuholen und mehr über den potenziellen neuen Arbeitgeber zu erfahren.
Offene Kommunikation
Im Kontakt mit zukünftigen Arbeitgeber•innen empfehle ich, offen und ehrlich zu kommunizieren, wieso ein Jobwechsel angestrebt wird. Gerade in der Probezeit lässt sich eine Kündigung gut erklären, schließlich dienen diese ersten gemeinsamen Monate der Zusammenarbeit auch dazu herauszufinden, ob Stelle und Bewerber•in tatsächlich zusammenpassen.
Viele Menschen treibt die Sorge um, möglicherweise eine Lücke im Lebenslauf rechtfertigen zu müssen, falls die Jobsuche nach der Kündigung länger dauern sollte. Hier kann ich Entwarnung geben: Heutzutage ist das für die meisten Unternehmer•innen kein Thema mehr. Schließlich war die Arbeitswelt noch nie so unbeständig wie heute, weshalb eine gewisse Flexibilität von Vorteil für den eigenen Berufsweg und auch das neue Unternehmen sein kann. Wer authentisch bleibt und seine Gründe für den Wechsel gut erklärt, kann damit sogar Mut und Tatkraft unter Beweis stellen und sich positiv von Mitbewerber•innen abheben.
Hast Du schon in der Probezeit gekündigt? Teile Deine Erfahrungen in den Kommentaren!
Wer spricht hier?
Ragnhild Struss ist Inhaberin von Struss & Claussen Personal Development und berät in Sachen Job- und Lebensplanung. Sie hilft Menschen dabei, ihre innere Stimme zur Autorität zu machen und ein langfristig erfülltes (Berufs-)Leben zu führen.