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(Foto: Linde AG)
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Linde hat das größte Erwärmungspotenzial: So klimaschädlich sind die Dax-Konzerne

Eine Studie zeigt, wie stark die 40 Firmen aus dem deutschen Leitindex zur Erderwärmung beitragen. Für Anleger wird diese Kennzahl immer wichtiger bei ihren Investitionsentscheidungen.

Frankfurt. Private und sogar professionelle Investoren in Deutschland tun es noch immer: Einen sehr großen Teil ihres Aktienkapitals legen sie in ihrer Heimat an. Doch abgesehen davon, dass sie ihr Kapital damit regional schlecht verteilen, gehen sie so auch beim Thema Nachhaltigkeit teilweise höhere Risiken ein, als ihnen womöglich lieb ist.

Unter den Unternehmen des deutschen Leitindex Dax finden sich echte Klimaerhitzer, wie eine Studie des Schweizer Vermögensverwalters Globalance Invest feststellt, die dem Handelsblatt vorliegt. Sie können die Aktienbesitzer teuer zu stehen kommen, wenn die Unternehmen deswegen Probleme bekommen oder investieren müssen, um sauberer zu werden.

„Anleger sollten sich bewusst machen, in was sie investieren“, mahnt Werner Hedrich, Studienautor und Geschäftsführer Deutschland bei Globalance Invest. Manche Firmen aus dem Dax seien längst nicht so ökologisch „sauber“, wie sie von vielen wahrgenommen würden.

In der Vergangenheit hätten Analysten und Investoren allein auf Kern-Kennziffern wie die freie Liquidität (Cash Flow), das Kurs-Gewinn- und das Kurs-Buchwert-Verhältnis geschaut, sagt Hedrich. Da die Weltgemeinschaft sich aber nun auf eine Erderwärmung von unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit geeinigt habe, „reicht das nicht mehr aus“. Branchen mit einem hohen Ausstoß des maßgeblich zur Erderwärmung beitragenden Kohlendioxids stünden vor großen und teuren Veränderungen.

Investoren beziehen solche Erwartungen immer stärker in die Bewertung von Aktien ein. Bei den Auto-Konzernen im Dax beispielsweise ist der Schwenk hin zu Elektro-Autos mit hohen Investitionen verbunden.

Das gilt als ein Grund, warum deren Aktien relativ niedrig bewertet sind: Die Papiere kosten jeweils rund das Sechsfache ihres erwarteten Gewinns für das kommende Jahr, wie Analysten im Durchschnitt schätzen. Im Mittel liegt dieses Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) im Dax aktuell bei rund 15.

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Autobauer an der Spitze

Hier setzt die Studie an: Vor allem die Autobauer VW und Daimler mit ihrem breiten Fahrzeugangebot zählen im Dax zu den Firmen mit starken Klimaerwärmungspotenzial von 7,5 und 7,2 Grad Celsius. Dort belastet vor allem die Produktion von Verbrennermotoren für Autos und LKWs, letztere mit langen Laufleistungen und relativ hohem Schadstoffausstoß.

Wie der Dax auf die Klimaerwärmung einwirkt

Noch „dreckiger“ ist der Studie zufolge nur noch der Industriegase-Hersteller Linde, für den ein Erhitzungspotenzial von über acht Grad berechnet wurde. Zwar weist der Konzern mit seiner Wasserstoffsparte eine fortschrittliche Technologie vor. Doch für Hedrich wiegt die energieintensive Produktion bei der Herstellung von Gasen schwerer, weil sie zu zu hohem Ausstoß von Treibhausgasen führt.

Dagegen gehört das Software-Haus SAP, das „effizienten Ressourceneinsatz unterstützt“, mit einem Erwärmungspotenzial von 1,3 Grad zu den „saubersten“ Unternehmen. Interessant: Siemens Energy schneidet mit seinem Produktmix aus konventionellen Kraftwerken und Windrädern gut ab. Dies auch dank technischer Dienstleistungen der Tochter Siemens Gamesa für die Dekarbonisierung, also die Reduzierung des CO2-Ausstoßes.

Eon und Infineon punkten ebenfalls: der Versorger als Händler und Betreiber von Netzen, der Halbleiter-Hersteller mit effizienzsteigernden Vorprodukten. Im Schnitt liegt das Erwärmungspotenzial im Dax bei vier Grad Celsius.

Globalance wendet bei seiner Berechnung ein mehrstufiges Verfahren an. In einem ersten Schritt wird der Treibhausgas-Ausstoß von 37 der 40 Dax-Unternehmen im Produktionsprozess wie auch bei der Nutzung der Produkte ermittelt und ins Verhältnis zum Umsatz gesetzt.

So entsteht bei der Produktion von Autos und deren Vorprodukten zunächst wenig überraschend ein hohes Maß an Treibhausgasen. Beim Gebrauch der Verbrennermotoren werden Abgase in die Atmosphäre geblasen.

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Siemens Energy führt Ranking der größten Kohlenstoff-Emittenten an

Die Firma Siemens Energy, die neben Windrädern und alternativen Energietechnologien maßgebliches Geschäft mit Kohle- und Gaskraftwerken macht, stößt den meisten Kohlenstoff unter den Dax-Konzernen aus. Auch Heidelberg Cement gehört zu den CO2-Schleudern: Seine Zementwerke betreibt der Baustoffriese vor allem mit konventioneller Energie, bei der Umwandlung von Klinker in Zement wird CO2 freigesetzt.

Anschließend ermittelt Globalance die Kohlenstoffintensität der Dax-Firmen, indem der Ausstoß mit dem Umsatz gewichtet wird. Den höchsten CO2-Ausstoß in Tonnen je Millionen-Dollar-Umsatz haben ebenfalls die Industrieriesen im Dax: Versorger, Auto- und Chemiehersteller. Diese Sektoren stellen gut ein Fünftel der Kapitalisierung im Leitindex.

Dann nutzt der Vermögensverwalter das Klimamodell von Carbon Delta, einer Tochter des Indexanbieters MSCI, um für die berechnete Kohlenstoffintensität bezogen auf die jeweilige Branche die Folgen fürs Weltklima zu schätzen. Anstrengungen zu Verringerung des CO2-Ausstoßes wie Selbstverpflichtungen und Patente zum Thema werden dabei berücksichtigt. Danach wird für jede Firma ausgerechnet, wie stark sich die Erde erhitzen würde, wenn alle Firmen genauso wirtschaften würden.

Anleger mit Interesse am Thema Nachhaltigkeit können sich mit solchen Auswertungen Klimarisiken Risiken bewusst machen. Dann sollten sie nach Aktien mit passenden Bewertungen schauen oder Fonds oder Indizes suchen, die ihren Nachhaltigkeitsanspruch am ehesten abbilden.

Durch die zahlreichen Nachhaltigkeitsansätze durchzusteigen, ist aufwändig

Das macht allerdings Mühe. Nachhaltigkeitskriterien gibt es sehr viele: von einfachen Ansätzen – etwa den saubersten Anbieter einer Kategorie zu wählen – bis hin zu komplizierten Ausschlusskriterien. Und Aktienexperten kritisieren bereits, dass viele Investoren zu sehr auf Klimarisiken schauten und damit die Preise für bestimmte Aktien verzerrten.

Einig sind sich aber die allermeisten Großanleger, dass das Thema Klimarisiko ein Kern-Bewertungskriterium für Aktien ist. „Es geht beim Thema Nachhaltigkeit nicht darum, das Handbuch des Investierens neu zu schreiben, sondern darum, grundlegende Risiken zu managen“, sagt Paul Schofield, verantwortlich für nachhaltiges Investieren beim niederländischen Fondsanbieter NN Investment Partners (NN IP), der künftig zu Goldman Sachs gehört.

Wie viele Investoren wendet NN IP ein internes Scoring an, schließt einige Branchen wie Tabak, Kriegswaffen und Ölsandabbau aus den Portfolios aus, berücksichtigt, wie effizient ein Unternehmen mit Nachhaltigkeitsrisiken umgeht, und begleitet es. „Klimarisiken sind ein wichtiges Kriterium für die Bewertung der Attraktivität einer Aktie“, sagt Schofield, „aber eben nur eines“.

Je nach eigener Ausrichtung und nach dem Wunsch großer Kunden gehen Investoren unterschiedlich mit dem Thema Nachhaltigkeit um. Passive wie die Blackrock-Tochter IShares bilden Börsenindizes nach, müssen so auch in „Dreckschleudern“ investieren. Diese Investoren drängen Firmen, auf Nachhaltigkeitsrisiken zu achten, die ihre Fähigkeit langfristige Erträge zu erzielen, beeinflussen, heißt es bei Blackrock.

Große aktive Investoren wollen sich in der Regel ebenfalls engagieren. Klimarisiken werden dabei immer wichtiger. Der Leiter Nachhaltigkeit bei der Sparkassenfondstochter Deka, Ingo Speich sagt: „Die wirtschaftliche Bedeutung des Klimawandels wird massiv zunehmen, daher haben wir unsere Abstimmungsrichtlinie und Analyse um ökologische und soziale Aspekte weiter geschärft. Zudem werden diese Inhalte noch stärker in den Unternehmensdialog und in der nächsten Hauptversammlungssaison Einzug finden.“

Globalance schließt in den Portfolios bestimmte Firmen aus den Sparten Basischemie, Versorger, Bergbau, aus, wenn das Anlagerisiko zu wenig einschätzbar ist: „Wir wollen keine Stranded Assets im Portfolio haben“, sagt Hedrich. Damit sind Firmen oder Anlagen gemeint, die kaum noch Chancen haben.

Produkteinstufungen für Fonds und ETF geplant

Für Anleger sieht das sehr unübersichtlich aus: Zur Orientierung soll es im kommenden Jahr für Fonds und ETF Produkteinstufungen geben, die dann in der Anlageberatung angesprochen werden müssen. Unklar ist noch, wie streng die Anforderungen werden.

Bisher müssen Fonds ihre Produkte insgesamt nach einer EU-Klassifizierung in Nachhaltigkeitsgrade einsortieren. Vorwürfe wegen übertrieben grün ausgewiesenen Fonds haben eine breite Diskussion über solches sogenanntes Greenwashing ausgelöst, zumal die Fondsbranche das Thema Nachhaltigkeit in als Verkaufsargument nutzen möchte. Interessierten Anlegern bleibt nur, sich zu informieren.

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