Mehr als nur Großkonzerne: Warum KMU der Geheimtipp für Deinen Berufseinstieg sind
Renommierte Konzerne und Großunternehmen gelten häufig als erste Anlaufstelle für Berufseinsteiger*innen. Warum kleine und mittlere Unternehmen manchmal die bessere Wahl sind, erfahrt Ihr in diesem Artikel.
KMU und Großunternehmen – ein Zahlenspiel
In Deutschland verteilen sich (Stand 2020) 29,4 Millionen Beschäftigte auf rund 2,5 Millionen Betriebe (Quelle: Statistisches Bundesamt). In der folgenden Abbildung sehen wir, dass 45 Prozent der Beschäftigten bei großen Unternehmen (250 Beschäftigte und mehr) und 55 Prozent bei Kleinstunternehmen (weniger als 10 Beschäftigte), kleinen (weniger als 50 Beschäftigte) und mittleren (weniger als 250 Beschäftigte) Unternehmen tätig sind.
Viel spannender ist jedoch die anteilige Anzahl der Arbeitgeber in Deutschland. Demnach sind von den 2,5 Millionen Betrieben in Deutschland 99,4 Prozent (!) der Arbeitgeber kleine und mittlere Betriebe (KMU) und gerade mal 0,6 Prozent Großunternehmen.
0,6 Prozent der deutschen Betriebe prägt also unsere Wahrnehmung des Arbeitsmarktes und steuert unbewusst unsere Bewerbungsaktivitäten während der Jobsuche. Gerade Hochschulabsolvent:innen konzentrieren sich bei ihrer Jobsuche auf die öffentlich ausgeschriebenen Stellen von Konzernen und Großunternehmen und begeben sich somit in die größtmögliche Konkurrenzsituation mit anderen Bewerber:innen, die sich ebenfalls bei diesen 0,6 Prozent bewerben.
„Früher hatten wir 800 Bewerber auf eine Stelle, heute nur noch 300. Das ist für uns Fachkräftemangel“, sagte mir kürzlich ein Konzern-Personalverantwortlicher auf einer Karrieremesse. Auch wenn es mittlerweile weniger Bewerber:innen für Stellen in Großunternehmen gibt, bedeutet es in dem Beispiel, dass sich ein:e Bewerber:in immer noch gegen 299 Konkurrenten durchsetzen muss. Doch sind Großunternehmen wirklich die beste Wahl für Deinen Berufseinstieg?
KMU vs. Konzern – Vor- und Nachteile
„Willst Du Karriere machen, musst Du bei einem Großunternehmen oder Konzern einsteigen.“ Diese Grundannahme hält sich immer noch in den Köpfen vieler Berufseinsteiger:innen. Dabei impliziert diese Annahme eine überholte Vorstellung des Karriere-Begriffs: Früher war „Karriere“ gleichzusetzen mit der Optimierung von Gehalt und Titel. Dies hat sich durch gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Entwicklungen verändert. Heute bedeutet „Karriere“ vielmehr, den zur eigenen Lebenssituation passenden Job zu finden. Gerade Berufseinsteiger*innen streben nach Unternehmen, die zu ihren Wertevorstellungen passen, nach ethischem Verhalten statt mehr Geld, mehr Work-Life-Balance und mehr selbstbestimmtem Arbeiten. Die Wahl des passenden Arbeitgebers hängt also von vielen individuellen Faktoren ab:
Welche Ziele habe ich?
Welche persönlichen Werte sind mir wichtig?
Welcher Arbeitgeber passt zu meiner persönlichen Lebenssituation?
Mit welcher Philosophie und mit welchem Image eines Arbeitgebers kann ich mich identifizieren?
Was brauche ich in beruflicher Hinsicht, um mich wohlzufühlen?
Für Konzerne sprechen tendenziell Aspekte wie Gehalt und geldwerte Vorteile, professionelle Einstiegsprogramme, Internationalität und Image/Prestige. Auch finden sich in Konzernen eher klar abgegrenzte Aufgabengebiete und Zuständigkeitsbereiche.
KMU können hingegen mit flachen Hierarchien, familiären Strukturen, einem breiten Aufgabenspektrum und mehr Freiheiten punkten. Gleichzeitig sind gerade KMU höchst vielfältig. Da gibt es die kleinen inhabergeführten Traditionsunternehmen, in denen die gute Patriarchin den Weg vorgibt und für die Mitarbeiter:innen sorgt. Am anderen Ende gibt es das agile Start-up, das rasant wächst und bei dem engagierte Neueinsteiger*innen schneller Karriere machen können als in jedem Konzern. Auch die Branchenvielfalt ist enorm: KMU kann schickes IT-Start-up sein, Industriebetrieb, Handel, Handwerk, Dienstleistung oder gar regionales Busunternehmen.
Wie bereits beschrieben, dominieren Großunternehmen in ihrer Wahrnehmung als Arbeitgebermarke. Sie im Internet zu finden, ist nicht schwierig, da sie alle möglichen Kanäle der Mitarbeitergewinnung nutzen. Zweifelhafte Arbeitgeberrankings à la Deutschlands beste Arbeitgeber tun dabei ihr Übriges. KMU gehen dabei oft unter und sind darauf angewiesen, andere Kanäle der Mitarbeitergewinnung zu nutzen. Dies bedeutet umgekehrt auch für Dich als Bewerber:innen eine andere Herangehensweise bei der Recherche nach KMU als bei der Bewerbung für Konzerne.
KMU im offenen Stellenmarkt finden
Natürlich findet man auch Ausschreibungen von kleinen und mittleren Unternehmen in gängigen Stellenbörsen wie Stepstone, Indeed und Co. Häufig gehen diese jedoch im Vergleich zu den Großunternehmen etwas unter. Dennoch gibt es einige Plattformen, in denen du gezielt nach KMU suchen kannst:
Yourfirm.de „Stellenangebote und Jobs im Mittelstand“ ist das Motto der mehrfach prämierten Stellenbörse Yourfirm. Der Name ist Programm: Yourfirm bietet exklusive Stellenanzeigen von kleinen und mittelständischen Unternehmen, meist sogenannten Hidden Champions, die nicht sonderlich bekannt, aber Weltmarktführer in ihrem Bereich sind.
Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit Erstaunlicherweise wird die Jobbörse der BA in vielen Aufzählungen der Top-Stellenbörsen vernachlässigt. Dabei hat sie mit 974.950 Jobs (Stand 08/2023) ein hohes Stellenpotenzial. Vor allem für kleinere Unternehmen spielt sie eine große Rolle, da diese dort im Gegensatz zu den gängigen Stellenbörsen kostenfrei inserieren können. Außerdem pflegen die jeweiligen Agenturen für Arbeit gute Kontakte zu lokalen Arbeitgebern – die meist KMU sind.
Crosswater Job Guide Die Website Crosswater Job Guide bündelt alle Stellenbörsen nach Fachbereichen. Gerade Nischenbörsen haben häufig Stellen von KMU. Dies ist vor allem hilfreich, wenn man schon eine Vorstellung der Zielbranche hat.
KMU im verdeckten Arbeitsmarkt finden
Eine besondere Bedeutung kommt bei der Jobsuche mit Fokus KMU dem sogenannten verdeckten Arbeitsmarkt zu. Damit sind Stellen gemeint, die über verdeckte Wege besetzt werden. Laut Studie des IAB werden über die Hälfte der Stellen in Deutschland über nicht öffentliche Wege besetzt, wie man an dieser Auflistung der genutzten Such- und Besetzungswege der Arbeitgeber sieht:
Mindestens 55 Prozent der Stellen werden verdeckt besetzt, was sich wie folgt zusammensetzt:
32 Prozent über persönliche Kontakte
10 Prozent durch Initiativbewerbungen oder Bewerberpools
5 Prozent durch einen Vermittlungsauftrag an die Bundesagentur für Arbeit
4 Prozent über Arbeitsvermittlung und Personaldienstleistung
2 Prozent über interne Stellenausschreibungen
2 Prozent durch Auswahl aus Azubis/Leiharbeiter*innen oder Praktikant*innen
Auch wenn diese Studie von 2016 ist und Kanäle wie z.B. Social Media nicht aufgeführt sind, haben die Zahlen immer noch Aktualität. Teilt man die Zahlen auf die Größenkategorien auf, sind es 42 Prozent bei großen, 50 Prozent bei mittleren und sogar 69 Prozent der Stellen bei kleinen Unternehmen, die über den verdeckten Stellenmarkt besetzt werden. Drehen wir den Spieß für die Suche nach KMU also einfach mal um. Laut der Studie wären folgende Maßnahmen die erfolgreichsten, um an verdeckte Stellen in KMU zu kommen:
1) Persönliche Kontakte nutzen
Im ersten Schritt wäre der eigene Familien-, Freundes-, und Bekanntenkreis zu durchforsten. Wer arbeitet in einem für mich spannenden Unternehmen? Wer kann mir weiterhelfen? Zweiter Schritt: Das eigene Netzwerk doch den Besuch von Jobmessen, Fachveranstaltungen, die Nutzung von XING und LinkedIn oder durch Weiterbildungen erweitern.
2) XING und Kununu nutzen
XING bietet sich genauso wie LinkedIn dazu an, Dein berufliches Netzwerk zu erweitern. Zudem wirst du in keinem anderen Online-Tool so genau und umfangreich nach Unternehmen suchen können wie in der erweiterten Suchfunktion von XING. Allerdings brauchst Du dazu einen Premium-Zugang, den ich dir in Deiner aktiven Phase der Jobsuche wirklich empfehlen kann. Über die erweiterte Suche kannst Du nach den Kriterien Ort, Branche, Mitarbeiterzahl, PLZ suchen.
XING Tipp: Hamburg, Berlin oder München? In welcher Stadt möchtest Du gern arbeiten? Verrate uns jetzt Deine Job-Wünsche und erhalte genau die Job-Angebote, die zu Dir passen.
Die Suche nach – Düsseldorf,Maschinenbau und Betriebstechnik, 1-200 Mitarbeiter – spuckte uns ganze 171 Unternehmen aus. Auch im zu XING gehörenden Arbeitgeberbewertungsportal kununu kannst Du nach KMU suchen, die Deinen Kriterien entsprechen. Hier siehst Du zusätzlich, wie aktuelle und ehemalige Mitarbeiter:innen den Arbeitgeber nach unterschiedlichen Kriterien bewerten.
3) Initiativ bewerben
Initiativbewerbungen sind ein Kapitel für sich. Hierfür empfehle ich Dir diesenBlogartikel von mir.
4) Unterstützung von der Bundesagentur für Arbeit holen
Viele Hochschulabsolvent:innen meiden die Bundesagentur für Arbeit, häufig aus Angst „dem Staat auf der Tasche zu liegen“. Auftrag der Bundesagentur für Arbeit ist es jedoch, ihre „Kunden“ bei der Integration in den Job zu helfen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen im lokalen Umkreis holen sich häufig Unterstützung beim Arbeitgeberservice der Bundesagentur für Arbeit, ohne Stellen öffentlich auszuschreiben. Die Meldung bei der Bundesagentur für Arbeit hat zwei weitere Vorteile für Dich: Deine Versicherungsbeiträge werden übernommen und du kannst sogar Weiterbildungen finanziert bekommen, die dir beim Berufseinstieg weiterhelfen.
5) Kontakt mit Personalvermittlern aufnehmen
Viele Hochschulabsolvent:innen finden ihren Berufseinstieg durch Personalvermittler. Personalvermittler sind Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, Arbeitskräfte zu vermitteln. Für Hochschulabsolvent:innen bieten sie den Vorteil, schnell und flexibel in kleinere und mittlere Unternehmen vermittelt zu werden, die möglicherweise nicht die Ressourcen für eigene umfangreiche Rekrutierungsprozesse haben.
Die verborgenen Chancen der KMU
Lass Dich nicht allein von der Dominanz der Großunternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung leiten. Kleine und mittlere Unternehmen bieten dir nicht nur eine breite Palette von Branchen und Unternehmenskulturen, sondern auch die Chance, in einem familiären Umfeld mit flachen Hierarchien und einem breiten Aufgabenspektrum zu arbeiten. Deine Suche nach dem idealen Arbeitgeber sollte also nicht nur auf die sichtbaren Großunternehmen beschränkt sein. Nutze den verdeckten Arbeitsmarkt und finde die zahlreichen KMU, die oft genau das bieten, wonach Du suchst.