Montagsschmerz und Freitagsfieber: Wie viel Krankentage kann sich der Mittelstand leisten?
Krankmeldungen liegen in Deutschland auf einem Rekordniveau. Wie können wir darauf reagieren?
In der vergangenen IHK-Vollversammlung hatten wir Unternehmerinnen und Unternehmer die Gelegenheit, uns über aktuelle Herausforderungen auszutauschen. Ein Thema, das viele von uns beschäftigt: die steigende Anzahl der Krankheitstage.
Auch auf der Vollversammlung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) in Berlin wurde dieses Problem intensiv diskutiert.
Ich führe unser mittelständisches Familienunternehmen mit Herzblut – und mit wachsender Sorge. Der Krankenstand in Deutschland hat laut OECD ein Rekordniveau erreicht: 24,9 Krankheitstage pro Jahr und Arbeitnehmer. Damit stehen wir europaweit an der Spitze. Gerade psychische Belastungen nehmen zu – eine Realität, die wir in der Unternehmenswelt ernst nehmen müssen. Doch während viele über die Symptome diskutieren, sollten wir die Ursachen hinterfragen.
Deutschland: Weltmeister im Kranksein?
Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass andere Länder mit weniger Krankheitstagen auskommen:
🇱🇻 Lettland: 20,4 Krankheitstage pro Jahr
🇨🇿 Tschechien: 19,2 Krankheitstage
Deutlich weniger sind es in Ländern mit sogenannten „Karenztagen“, in denen Arbeitnehmer für die ersten Krankheitstage kein Gehalt erhalten. So gibt es beispielsweise in Finnland, das gerade zum achten Mal hintereinander zum glücklichsten Land der Welt gekürt wurde (Deutschland: Platz 22), eine unbezahlte Phase zu Beginn der Krankheit.
Könnte das ein Grund für die Unterschiede sein? Sicherlich ist finanzielle Absicherung wichtig, doch führt eine vollständige Lohnfortzahlung ab dem ersten Tag vielleicht auch dazu, dass Krankheitstage leichter genommen werden?
Sind die Chefs schuld oder das System?
Natürlich soll niemand krank arbeiten müssen – das ist unbestritten. Doch wenn deutsche Arbeitnehmer fast fünf Wochen pro Jahr fehlen, während es in anderen Ländern weniger ist, dann stellt sich die Frage: Liegt es am Gesundheitssystem? An der Unternehmenskultur? Oder setzen manche einfach andere Prioritäten?
Viele Unternehmerinnen und Unternehmer sehen, dass die meisten Kollegen und Kolleginnen sich voll reinhängen – aber auch, dass Krankheitstage oft an Montagen oder Freitagen auftreten. Ist das Zufall oder ein Hinweis darauf, dass der Krankenstand auch mit der Arbeitsmotivation zusammenhängt? Und wenn ja – wie können wir darauf reagieren?
In unserem Unternehmen sehen wir glücklicherweise keine Auffälligkeiten – bis auf eine Ausnahme: Bei unseren Halbjahrespraktikanten kam es regelmäßig vor, dass sie an Tagen vor oder nach dem Wochenende krankgemeldet waren. Doch seitdem die Praktikumsleistung zu 50 Prozent in die Note einfließt und das Unternehmen mitbewertet, ist dieses Verhalten praktisch verschwunden. Das zeigt: Anreizstrukturen spielen eine Rolle.
Natürlich werden nicht alle Fehlzeiten absichtlich herbeigeführt – chronische Erkrankungen und Stress sind oft unterschätzte Faktoren. Doch unabhängig davon, ob Fehlzeiten durch fehlende Motivation oder tatsächliche gesundheitliche Beschwerden entstehen – die zentrale Frage bleibt: Wie schaffen wir eine Unternehmenskultur, die sowohl Verantwortung als auch Vertrauen fördert?
Der Mittelstand leidet besonders unter hohen Ausfällen
Für Konzerne mit riesigen Personalabteilungen ist es leichter, Krankheitsausfälle aufzufangen. Doch in kleinen und mittelständischen Unternehmen wie meinem bedeutet jeder Krankheitsfall eine Mehrbelastung für das Team. Aufträge verzögern sich, Mitarbeiter müssen einspringen, der Druck wächst – und das kann noch mehr Krankheitsfälle zur Folge haben.
Wenn dann noch eine „Krankmeldungskultur“ dazukommt, in der sich einige die zusätzliche Freizeit mitnehmen, während andere doppelt so viel arbeiten müssen, dann entsteht Unzufriedenheit auf beiden Seiten. Das kann nicht die Lösung sein.
Druck und Misstrauen führen nicht weiter. Aber einfach nur abzuwarten, während der Krankenstand weiter steigt, kann sich der Mittelstand nicht leisten. Wir brauchen kluge Lösungen, die Arbeitnehmern und Arbeitgebern helfen:
Flexible Arbeitszeiten & Homeoffice: Wenn Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten besser an ihren Lebensrhythmus anpassen können, sinkt der Stress – und mit ihm vielleicht auch der Krankenstand.
Gesundheitsförderung im Betrieb: Unternehmen müssen präventiv handeln, sei es durch Sportangebote, psychologische Beratung oder gesunde Kantinenverpflegung.
Offene Kommunikation über Fehlzeiten: Krank sein ist keine Charakterschwäche. Aber genauso müssen wir darüber sprechen, wie wir mit unnötigen Fehltagen umgehen.
Eigenverantwortung und Fairness: Wer wirklich krank ist, bleibt zu Hause. Doch gleichzeitig müssen wir ein Bewusstsein dafür schaffen, dass jeder Krankentag auch eine Belastung für das Team ist.
Wir brauchen eine Kultur des Vertrauens und der Verantwortung – von beiden Seiten. Die Frage ist nicht, ob wir krankheitsbedingte Fehlzeiten haben, sondern wie wir damit umgehen.
Was sind eure Erfahrungen? Wie können wir den Krankenstand senken, ohne Arbeitnehmer unter Druck zu setzen? Ich freue mich auf eure Meinungen und Ideen!