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Offen über Burn-out sprechen? Das zeigt schnell, wie der Arbeitgeber tickt | © Getty Images

Nach Burn-out wieder ins Berufsleben einsteigen: So begründest Du die Lücke im Lebenslauf

Es ist keine Seltenheit mehr, dass Menschen eine Auszeit im Berufsleben einlegen müssen, um sich von psychischen Krankheiten zu erholen. Wenn Du diese Lücke souverän erklärst, erhöht das Deine Chancen im Vorstellungsgespräch.

Bei „Frag die Insider!“ helfen von XING ausgewählte Expertinnen und Experten Dir dabei, praxisnahe Lösungen zu finden, die zu Dir passen. Dieses Mal: @Stefan Scheller, XING Insider und HR-Experte.

Ich habe eine mehrmonatige Lücke wegen einer psychischen Erkrankung (mentale Erschöpfung) in meinem Lebenslauf. Da ich wieder arbeiten gehen möchte, habe ich mich auf unterschiedliche Stellenanzeigen beworben. Wie begründe ich diese Lücke am besten im Vorstellungsgespräch, wenn ich danach gefragt werde?
Mattheo, 33
Top HR-Influencer auf PERSOBLOGGER.de und mehrfacher Fachbuchautor: Stefan Scheller ist Experte für Employer Branding, Recruiting und New Work.
Top HR-Influencer auf PERSOBLOGGER.de und mehrfacher Fachbuchautor: Stefan Scheller ist Experte für Employer Branding, Recruiting und New Work.

Lieber Mattheo, interessanterweise sprechen wir noch immer sehr viel über die sagenumwobene „Lücke im Lebenslauf“. Als ob das Leben an dieser Stelle eine Pause gemacht, mithin nicht stattgefunden hätte. Zudem indiziert der Begriff „Lücke“ einen Mangel. Etwas, das besser nicht passiert wäre und mangels Stattfindens jetzt eine Leere hinterlässt. An dieser Überspitzung merkst Du bereits, welche Haltung ich zu diesem Thema einnehme. Dabei geht meine Kritik weniger in Richtung der sich bewerbenden Menschen. Vielmehr stelle ich den Personalverantwortlichen und HR-Abteilungen in den Unternehmen die bewusst provokante Frage: „Wie lange wollen wir noch so tun, als seien Lebensläufe irgendwie unperfekt, unterbrochen oder mithin gar fehlerhaft, wenn nicht durchgängig berufsbezogene Aktivitäten aufgelistet werden können?“ Wäre es nicht an der Zeit, sich langsam von dieser Haltung zu verabschieden, dass Lebensläufe eine kontinuierliche, natürliche und mithin in den wenigsten Fällen perfekte Entwicklung darstellen?

Okay, zugegeben, die „Lücke“ entsteht immer auch dann, wenn Bewerbende eine Zeitspanne innerhalb der schriftlichen Auflistung ihrer beruflichen Stationen bewusst auslassen. Beispielsweise weil sie dort nichtberuflichen Aktivitäten nachgegangen sind oder schlicht krankheitsbedingt nicht arbeiten konnten. Sind also am Ende dann die Bewerberinnen und Bewerber an der Debatte schuld? Beleuchten wir das Thema einmal näher.

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Der Zweck eines Lebenslaufs

Um dem Kern der Debatte um die berühmte „Lücke im Lebenslauf“ auf den Grund zu gehen, muss ich etwas ausholen. Bis zur Frage nach dem eigentlichen Zweck des Lebenslaufs im Recruiting-Prozess. Ziel der Anforderung von „vollständigen Bewerbungsunterlagen“, also Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnissen, ist der Versuch von Organisationen, zukünftige Mitarbeitende vorab besser einschätzen zu können. Sie prüfen, ob die Bewerber·innen eine Passung zur ausgeschriebenen Stelle bzw. Position (Person-Job-Fit) haben, persönlich in die jeweilige Abteilung bzw. das Team (Person-Group-Fit) oder zumindest generell zur Unternehmenskultur passen (Cultural Fit). In diesem Rahmen stellt vor allem der Lebenslauf für die Einstellungsverantwortlichen noch immer die wichtigste Komponente dar. Ob das noch zeitgemäß ist oder ob die sogenannten „vollständigen Bewerbungsunterlagen“eigentlich in die ebenfalls berühmte „Tonne“ gehören, hatte ich kürzlich einmal beleuchtet. Trotzdem ist es erst einmal sinnvoll, wenn Jobsuchende sich mit ihrem Lebenslauf ausführlich und intensiv beschäftigen.

Was ist privat, was ist beruflich?

Aber ist deswegen ein vollständiger, sprich lückenloser Lebenslauf automatisch Pflicht? Stellt sich nicht die Frage, welche Teile unseres Lebens einfach nur privat sind – und bleiben dürfen – und welche eine Relevanz für einen zukünftigen Arbeitgeber haben? So könnte man argumentieren, wenn man im Lebenslauf zum Beispiel Phasen von Nichtstun oder eben auch Krankheitszeiten sowie Zeitstrecken für deren Auskurieren zur „Lücke im Lebenslauf“ macht. Berechtigterweise mag man nun behaupten, dass es deswegen einen neuen Arbeitgeber nichts angehe, was man privat so tut, wenn es keinen konkreten oder unmittelbaren Bezug zur neuen Arbeitsstelle mit sich bringt. Immerhin werden ja auch Schwangerschaften vor allzu neugierigen Fragen im Recruitingprozess als Tabuthema herausgehalten. Warum also nicht auch ein Burn-out? In einer perfekten Welt würde ich das sofort so empfehlen. Leider sehen die Realitäten in der Praxis etwas anders aus. Zumindest würde ich hier gern eine differenziertere Antwort geben.

Der Antwortdruck hinter der Lücke im Lebenslauf

Zwar sprechen alle tagein, tagaus über den sogenannten Fachkräftemangel und dass sich im neuen Arbeitnehmermarkt die Arbeitgeber bei den Jobsuchenden bewerben und nicht mehr umgekehrt. Die Wahrheit ist: Das mag für zahlreiche stark gesuchte Jobprofile und Branchen tatsächlich so gelten. Für alle Wechselwilligen gilt es deshalb bei Weitem nicht. Du solltest also zumindest darauf vorbereitet sein, dass Dir Rückfragen zu ebenjener (vermeintlichen) Lücke im Lebenslauf gestellt werden. Und nun gibt es mehrere Möglichkeiten.

Reframing hilft bei der Erklärung

Eine Option ist es, eine Krankheit in eine Lernerfahrung umzudeuten bzw. das Positive aus der Krankheitsphase in den Vordergrund zu stellen. Das nennt man Reframing. Du machst also nicht die Krankheit an sich zum Thema, sondern die Tatsache, dass Du Dich nach dem Ausfall wieder vollkommen erholt hast und nunmehr bewusst(er) als vorher darauf achtest, Dich nicht zu überlasten. Dazu könntest Du diese Erfahrung als Lernerfahrung definieren, die Dir aufgezeigt hat, wie wichtig es ist, sich selbst auch mit Blick auf Gesundheit (physisch wie psychisch) „zu managen“. Diese Handlungsalternative wirkt möglichweise etwas künstlich, bedient aber das noch immer häufig vorherrschende Bild von Personalverantwortlichen, dass „berufstätige Menschen alles dafür tun müssen, um ihre Arbeitsfähigkeit dauerhaft zu erhalten“. Auch wenn diese Haltung aus Sicht eines Arbeitgebers verständlich und ebenso juristisch korrekt ist mit Blick auf einen unterschriebenen Arbeitsauftrag, fühlt es sich für Bewerbende manchmal seltsam an. Insbesondere wenn Du selbst der Ansicht bist, dass Du komplett „unverschuldet in eine Krankheit geschlittert bist“. Schauen wir uns also eine weiteren Handlungsoption an.

Die Lücke im Lebenslauf mit fantasiereichen Inhalten schmücken

Natürlich hättest Du auch die Möglichkeit, die fehlende berufliche oder berufsbezogene Station im Lebenslauf beliebig mit positiv besetzten Inhalten zu füllen. Zum Beispiel dass Du Dich weitergebildet hast. Dann wäre es natürlich gut, diese Geschichte stringent durchzuhalten und sich auch ein paar Facts dazu zurechtzulegen. Ich sage es aber ganz ehrlich: Persönlich bin ich kein Fan von Lügen oder vergleichbaren „Beschönigungen“. Und viele Menschen können das auch nicht gut. Sollten also Einstellungsverantwortliche das Gefühl bekommen, dass an Deinen Ausführungen etwas nicht stimmt, kann das schnell zu einer Absage führen. Zumindest bleibt ein fader Beigeschmack.

Währt ehrlich doch am längsten?

Kommen wir nun zur vielleicht spannendsten und nicht unbedingt weniger kontroversen Handlungsvariante: der Wahrheit. Wie wäre es, wenn Du – natürlich nur auf Nachfrage – den Burn-out tatsächlich zum Thema machst? Verbunden mit dem Hinweis darauf, dass Du hier komplett ehrlich sein möchtest. Natürlich nur dann, wenn Du zudem aus Sicht Deines Gegenübers auch darstellen kannst, dass diese Phase der Vergangenheit keinen Einfluss auf Deine zukünftigen Verpflichtungen im neuen Job haben wird – außer dass Du selbstverständlich genau auf Dich und Deinen Gesundheitszustand achten wirst.

Bewerbungsgespräche entlarven oft auch die Arbeitgeberseite

Nun kommt es etwas darauf an, welche Haltung Du Personalverantwortlichen gegenüber generell einnimmst. Ich persönlich habe viele sehr positive Erfahrungen gemacht mit Ehrlichkeit und Authentizität. Andere Menschen jedoch mussten komplett gegenteilige Erfahrungen durchleiden. Daher kann ich Dir die Entscheidung für eine Verhaltensweise nicht komplett abnehmen. Aber ich kann Dir sagen, dass Du genau an dieser Stelle (wenn Du die Wahrheit im Gespräch offenbarst) merkst, welche Art von Arbeitgeber Du vor Dir hast. Und diese Tatsache ist nicht unerheblich für Deine berufliche Zukunft: Sofern Du die Chance hast, bei mehreren Arbeitgebern eine Anstellung zu erhalten, suchst Du Dir diejenige Organisation aus, bei der man Deine Situation versteht, Dich gegebenenfalls sogar proaktiv beim Gesundheitsschutz unterstützt, bei der Mitarbeitende offen sprechen und Feedback geben können. Denn nach dem Bewerbungsgespräch fängt die Zusammenarbeit ja erst an. Spürst Du also, dass Du Dich gerade um die Mitarbeit in einem Unternehmen bewirbst, das Dir eine solche Erkrankung eher „zur Last legt“, oder hast Du vielmehr den Eindruck, sehr viel Verständnis zu erhalten? Das macht für Deine berufliche Zukunft einen großen Unterschied. Aus diesem Grund würde ich persönlich stets den Weg der Wahrheit wählen und damit prüfen, ob ich mit meiner Bewerbung tatsächlich das richtige Unternehmen im Blick habe. Übrigens: Auf der Arbeitgeberbewertungsplattform kununu findest Du manchmal schon im Vorfeld Anhaltspunkte zur Unternehmens- und Feedbackkultur. Vielleicht kommst Du dann erst gar nicht in eine Situation, in der Du Dich für eine Lücke im Lebenslauf rechtfertigen musst.

Viel Erfolg bei Deinen Bewerbungsgesprächen!

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Welchen Weg würdest Du wählen, um eine längere Pause im Lebenslauf zu begründen?

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