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Nachhaltige Markenarbeit: Nichts versprechen, sondern einlösen

„Purpose“ gehört inzwischen zu einem Leitbegriff der Wirtschaft. Kein inneres Anliegen bzw. eine Haltung zu haben „wäre im Moment ein Managementversagen erster Güte“, zitiert die Journalistin Silke Wichert in ihrem „SZ“-Beitrag „Epoche der Verantwortung“ den Wirtschaftsprofessor an der LMU in München Manfred Schwaiger. Damit verbunden ist eine Philosophie des Handelns, die in der Lage ist, dem Leben einen Sinn zu geben. Das gilt auch für Unternehmen und ihre Marken.

Ihre Stärke entsteht nicht durch PR, Werbung und Reichweite, sondern durch nachhaltige Substanz. Markenaufbau, -etablierung und -führung sind langfristige Aufgaben, deren Ziele von einer visionären Strategie geprägt sind und sich nicht mit kurzfristiger Taktik erreichen lassen. Dazu ein Beispiel: Jürgen Schmidt war einer der Gründer der memo AG, dem europaweit führenden Versandhaus für ökofaire Non-Food-Produkte. Im November 2019 gründete er die memo Stiftung, in die er das Preisgeld des Deutschen Umweltpreises als Grundstockkapital einbrachte.

Als seine Mitschüler der 1970er-Jahre in den Pausen heimlich Zigaretten rauchten und sich für die Disko verabredeten, stand er auf dem Schulhof und verkaufte ihnen umweltverträgliche Schul- und Papeterieartikel. Teenager wie er wurden in bayerischen Gymnasien häufig noch als "Ökos" verspottet. Dennoch blieb er seiner Vision treu: 1990 gründete er mit drei Geschäftspartnern den ökologischen Versandhandel für Büro, Schule, Haushalt und Freizeit memo AG in Greußenheim bei Würzburg. Es war von Beginn seine Vision, ein "ideales Unternehmen" aufzubauen. Im Fokus stand das Motto: Möglichst viele Produkte verkaufen – aber nicht um jeden Preis. Ökonomie, Ökologie und Soziales sollten von Beginn an in der Unternehmensphilosophie gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Schmidt setzte auf Beharrlichkeit und langsame Weiterentwicklung des Unternehmens, was zwangsläufig auf eine Konzentration seiner Stärken führte – sich auf seine Schwächen zu konzentrieren hätte bedeutet, sich den Wettbewerbern unterzuordnen.

• hochwertige Qualität zu einem marktgerechten Preis

• eine sparsame und recyclingfähige Verpackung

• kurze Transportwege

• eine geringe Umweltbelastung während der Herstellung und Entsorgung.

Nachhaltiger Konsum wurde im Laufe der Zeit zwar von vielen Menschen befürwortet, aber bei der Umsetzung taten sich einige noch schwer: „Aus meiner Sicht handelt es sich weder um einen Mangel an Wissen noch um einen Mangel an gutem Willen. Das größte Hindernis für ökologisches Verhalten ist vielmehr die im Menschen tief verwurzelte Abneigung gegen Veränderung“, sagt Jürgen Schmidt. „Meist schon von Kindheit an eingeübte Handlungsmuster und liebgewordene Gewohnheiten haben eine äußerst starke Beharrungskraft. Daher halten wir es für äußerst wichtig, den Umstieg auf nachhaltig gute Produkte so selbstverständlich und einfach wie möglich zu gestalten – und durch ein umfassendes Komplettprogramm mit breiter Auswahl die Frage nach konventionellen Alternativen gar nicht mehr aufkommen zu lassen.“

In vielen Bereichen der Produktbeurteilung orientiert sich das Unternehmen an den Kriterien für anerkannte Umweltzeichen und Gütesiegel, die von unabhängigen Zertifizierungsorganisationen und Verbänden vergeben werden. „Bereits mit Gütesiegeln ausgezeichnete Artikel werden bevorzugt ins Sortiment aufgenommen“, sagt Claudia Silber, die hier die Unternehmenskommunikation leitet. Dabei handelt es sich vor allem um den „Blauen Engel“, das FSC-Siegel, das „Bio“-Siegel nach EG-Öko Verordnung, das „Fairtrade“-Siegel oder auch das GOTS-Siegel für Textilien.

Vielmehr war es wichtig, über sich reden zu lassen und die Marke in den systematischen Aufbau und das konsequente Nachhaltigkeitsmanagement des Unternehmens einzubinden. Und weil Führungskräfte und Mitarbeitende von ihren Kernüberzeugungen nicht abrückten, wurde eine stetige Markenentwicklung gefördert, die heute einen nicht unerheblichen Teil des Unternehmenswerts darstellt. Heute sind die Kunden im Hintergrund längst über die gesamte Wertschöpfungskette des Unternehmens informiert – von der Philosophie, der Beschaffung über die Qualitätssicherung bis zu Marketing und Vertrieb. Wo Kontinuität und Geduld fehlen und Sinnvermittlung nur simuliert wird, bleibt am Ende nichts außer einer werblichen Botschaft und dem Preis. Leider kann oft nicht überprüft werden, inwiefern das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit von innen heraus kommt oder ob nur ein gesellschaftlicher Trend als Marketingzweck benutzt wird. Auch sind die Nachhaltigkeitsstrategien einzelner Marken für Verbraucher häufig schwer zu bewerten.

Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, einen Blick auf die Öko-Pioniere zu werden, wenn es um die Bedeutung von sinnstiftenden Marken geht. Von ihnen lässt sich lernen, dass Marken- und Unternehmenserfolg evolutionär miteinander verbunden sind, und dass die eigene Marke auch als Orientierung für die eigene strategische nachhaltige Positionierung genutzt werden sollte. Unternehmen müssen auch transparent sein, damit ihre kritischen, mündigen und informierten Kunden Werte und Haltung prüfen können, bevor sie die Geschäftsbeziehung fortsetzen.

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Tim Leberecht: Business-Romantiker. Von der Sehnsucht nach einem anderen Wirtschaftsleben. Aus dem Amerikanischen von Niklas Hofmann. Droemer Verlag München 2015.

Tim Leberecht: Sinnfabriken. Warum die Bedeutung einer Marke längst mehr wert ist als Geld. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 22 (27.01.12), S. 11.

Gisela Rehm: Nachhaltigkeit braucht Markenkraft. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020, S. 223-235.

Silke Wichert: Macht Sinn. In: Süddeutsche Zeitung (24./25.7.2021), S. 62.

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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