Nachhaltige Transportlösungen: Wie Unternehmenserfolg heute „befördert“ wird
Ohne nachhaltige Logistik wären wir geliefert.
Wer heute auf klassische Logistik setzt und die Güter von A nach B transportiert, fährt direkt aufs Abstellgleis. Nur wer das Ganze im Blick hat und als Unternehmen sein Handeln nachhaltig ausrichtet, wird auch künftig in Bewegung bleiben und Zukunft gestalten können. Logistik betrifft nicht nur Container, Straßen, Schienen, Staus oder Materialfluss - sie ist auch mit Organisation, Kooperation sowie dem Bewusstsein und dem Wissen verbunden, wo es „langgeht". „Grüne Logistik" bedeutet ganzheitliche Umgestaltung von Logistikstrategien, -abläufen und -strukturen, um die damit verbundenen Prozesse ökologischer und ressourceneffizienter gestalten zu können. Bei der Steuerung komplexer Logistikprozesse verbessern beispielsweise leistungsfähige Tourenoptimierungsprogramme neben der Wirtschaftlichkeit auch die CO2-Emissionen von Unternehmen.
Europaweit werden die Küchenmöbel der Häcker Küchen GmbH & Co. KG aus dem ostwestfälischen Rödinghausen an die Fachhändler und Küchenstudios in ganz Europa ausgeliefert. Hierfür kommt eine unternehmenseigene Flotte von 100 Sattelzugmaschinen zum Einsatz. Warenflüsse werden so gesteuert, dass Querverkehr vermieden wird. Der eigene Fuhrpark wird auch künftig weiter optimiert, um Schadstoffemissionen zu reduzieren. Die werksinterne Logistik wird durch verschiedene IT-Systeme bis zur Beladung der Aufleger unterstützt. Der Begriff „Logistik“ leitet sich vom altgriechischen Wort logistikē („praktische Rechenkunst“) ab. Er mag zwar Nüchternheit ausstrahlen, doch ist er auch mit Kreativität und zahlreichen Innovationen verbunden.
Derzeit sind etwa 40 Prozent der Lkws des Küchenherstellers außerhalb Deutschlands unterwegs. Die Touren der Fahrer dauern bis zu fünf Tage. Während dieser Zeit pendeln sie zwischen ihrem ostwestfälischen Startort und ihrem südeuropäischen Zielgebiet. Nach der ersten Auslieferung kehren sie mit leerem Sattelschlepper zurück nach Rödinghausen und fahren dann wieder voll beladen zum nächsten Kunden. Damit verbunden sind viele Leerkilometer. Hinzu kommen die Anfahrtskilometer für die erneute Auslieferungen. Um die Auslastungen der eigenen Lkw-Flotte zu verbessern und den Fahrern optimale Bedingungen für produktive Touren zu verschaffen wurde überlegt, wie das verbessert werden kann. „Und da kam uns die Idee: die Fahrzeuge sind schon im Zielgebiet unterwegs und liefern dort aus. Eigentlich müssten wir nur die Auflieger hinterherbringen“, sagt Thorsten Joerend, Leiter der Versandlogistik bei Häcker. Die Wahl fiel dabei schnell auf den umweltfreundlichen Schienentransport. Damit verbunden sind folgende Vorteile:
übliche An- und Abfahrten entfallen
bessere Auslastung der Fahrzeuge
Verzicht auf den Einsatz zusätzlicher Fahrzeuge
Vermeidung von Lehrfahrten
Entlastung der Fahrer.
Diese Idee führte im April 2020 zum Startschuss eines Pilotprojekts.
Im Rahmen der europaweiten Auslieferung testete der Bereich Versandlogistik des Küchenherstellers zum ersten Mal die Kombination von Straße und Schiene. Ziel: Lkw-Fahrten sollen bei mehrtätigen Europatouren reduziert werden, indem den Fahrern fertig beladene Auflieger per Bahn in ihr Zielgebiet nachgeschickt werden. Das nachhaltige Transportkonzept spart nicht nur Zeit und Geld, sondern reduziert auch CO2-Emissionen. Auf diesen Logistikmix setzen auch zahlreiche andere Unternehmen wie BASF oder Coca Cola. Der Getränkehersteller gab kürzlich die Kooperation mit der Güterverkehrssparte der Deutschen Bahn, DB Cargo, bekannt. Dadurch werden jährlich 1900 Tonnen CO2 und Millionen Lkw-Kilometer eingespart. Aus Gründen des Klimaschutzes soll nach Plänen der Bundesregierung der Anteil der Schiene am gesamten Güterverkehr von derzeit 19 Prozent bis zum Jahr 2030 auf 25 Prozent steigen.
Ein Problem bei Häcker war allerdings, dass die Auflieger des eigenen Fuhrparks nicht kranbar und damit eigentlich nicht bahnfähig sind, denn die Verladung auf Güterzüge geschieht in der Regel unter Einsatz eines Krans, der den kompletten Auflieger auf einen Waggon hievt. Das Equipment war ursprünglich nur für den Einsatz auf der Straße vorgesehen und nicht für den kombinierten Güterverkehr. Deshalb wurden Bahnanbieter gesucht, die nicht bahnfähige Auflieger auf die Schiene bringen. Darunter war auch das private Eisenbahnverkehrsunternehmen TX Logistik, das die NIKRASA-Lösung anbietet: ein vertikales Verladungssystem für den kombinierten Eisenbahnverkehr. Damit wird der Umschlag-Vorgang von nicht kranbaren Aufliegern auf Standard-Taschenwagen ermöglicht. Seit April 2020 schickt das Unternehmen nun regelmäßig Auflieger per Bahn nach Italien.
Die Fahrerteams wurden von Beginn an aktiv in das Projekt „Bahnverladung Europa“ einbezogen und sind vom kombinierten Transportkonzept überzeugt, denn sie können mehr ausliefern, haben mehr Ruhezeiten und legen weniger Fahrkilometer zurück. Inzwischen wurden auch 20 kranbare Auflieger bestellt. Damit Nachhaltigkeit langfristig den Unternehmenserfolg „befördern“ kann, braucht es entsprechende Voraussetzungen, die sich auch an diesem Beispiel gezeigt haben:
strategische Ausrichtung in den Unternehmenszielen
ganzheitliches Verständnis und klares Bekenntnis zur Nachhaltigkeit der Führungsverantwortlichen
Handlungskompetenz für die praktische Umsetzung
intelligente Logistikmodelle und Prozesssteuerung
unternehmensinterne und -übergreifende Kooperationen.
Weiterführende Informationen:
Logistik ohne Nachhaltigkeit? So wären wir geliefert!
Clever kombiniert. In: WORK. Kitchen Stories. Hg. von Häcker Küchen. Nr. 20 (Dezember 2020), S. 34 f.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Mobilität und Logistik: Richtige Wege, die nicht aufs Abstellgleis führen. Amazon Media EU S.à r.l. 2018.
Marco Völklein: Fabrik mit Anschluss. In: Süddeutsche Zeitung (13./14.2.2021), S. 45.