Nachhaltigkeit in der Buchbranche: Interview mit Birgitta Barlet
Birgitta Barlet ist Verlagsleiterin Buch im KOSMOS Verlag. Geboren und aufgewachsen ist sie in Bamberg. Nach einer Buchhändlerlehre studierte sie Literatur- und Psychologie in Erlangen und Frankfurt. Ein Volontariat im Kosmos-Kinderbuchprogramm war der Einstieg ins Verlagswesen. Darauf folgten zwei Jahre in einem französischen Verlag in Paris, bevor sie wieder zu Kosmos ging. Hier ist sie, nach Stationen im Verkauf und Ratgebermarketing, seit 2014 für das komplette Buchprogramm verantwortlich und inzwischen auch Mitglied der Geschäftsleitung. Ihre Leidenschaften im Job sind Analysen und Menschen. Sie ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter.
In unseren Natur- und Gartenbüchern war das Thema immer schon fester Bestandteil, auch wenn wir es nicht ausdrücklich so benannt haben. Einen Garten zu bewirtschaften ist ja an sich schon nachhaltig. Und wir haben seit vielen Jahren Themen wie biologisch gärtnern, Kompost, natürlicher Pflanzenschutz, Tiere im Garten etc. im Programm. Wir konnten mit tollen, starken Visionärinnen wie Maria Thun (die wir seit 1994 im Programm haben und die die Aussaattage, Gärtnern nach dem Mond, entwickelt hat), Kräuterfrau Gabriele Bickel (seit 1997 im Programm) und OSB Christa Weinrich, mit ihrem Buch zum Biogartenbau im Klostergarten (seit 1998 im Programm) das Thema in den Buchhandel bringen und damit langsam breiter machen. Das sind inzwischen fast Klassiker, die ohne das Schlagwort „Nachhaltigkeit“ angeboten wurden, aber genau dafür stehen. Oder auch „Kräuterwissen aus alter Zeit“, das wir gerade in einer Neuausgabe auf den Markt gebracht haben.
Auch unser Naturprogramm ordnen wir hier ein. Denn mit der Neugier auf Arten und auf die Vielfalt geht viel Wertschätzung einher und das Bewusstsein, dass diese Vielfalt auch für künftige Generationen erhalten werden muss. Wir sind sehr froh, dass die Zielgruppe für Naturführer nach wie vor da ist. Da sind wir rund um die Jahrtausendwende von einer anderen Entwicklung ausgegangen, als die Natur drohte, wie eine Art Tapete betrachtet zu werden für die Befriedigung individueller Bedürfnisse.
2010 hatten wir mit dem „Klimakochbuch“ einen Titel, der sich ganz ausdrücklich mit den Folgen unserer Ernährung auf das Klima auseinandergesetzt hat, verbunden mit tollen Rezepten, die eben ganz klimaverträglich sind. Dieses Jahr haben wir gerade die aktualisierte Auflage herausgebracht. 2016 erschien mit der „Garten-Werkstatt“ ein Buch zum Trend Upcycling, was wir uns damals noch nicht als Haupttitel getraut haben. 2016 erschien dann mit „Und jetzt retten wir die Welt“ vom Autorenpaar Ilona Koglin und Marek Rohde ein Buch, das wirklich alle Bereiche des Alltags aufgreift. Das Konzept mit den anschaulichen Infografiken und persönlichen Porträts hat uns gleich begeistert und hatte einen besonderen Status innerhalb des Verlagsprogramms, weil es mit seinem ganzheitlichen Ansatz nicht in die sonst üblichen Kategorien „Garten“ oder „Essen und Trinken“ einordnen konnte. Das Buch hat sich sehr gut verkauft, so dass wir dieses Experiment als voll gelungen bezeichnen können.
Das Konzept der alltagstauglichen, leicht umsetzbaren Schritte findet sich auch in dem ganz aktuellen Band „Zero Waste“ wieder. Autorin Kerstin Mayer vom „Laboratorium Nachhaltigkeit“ hat darin viele Elemente zusammengestellt, wie jeder in seinem eigenen Leben stressfrei (!) Müll und Plastik reduzieren kann. Der Fokus liegt dabei auf dem Familienleben. Kerstin Mayer macht ganz undogmatisch Lust, einfach anzufangen. Diese Entlastung ist vor allem für Eltern so wichtig. Weitere Gartentitel zum Thema: Mein Garten summt!, Grüner geht’s nicht!, Mach mich locker!, Wilde Kübel, Der antiautoritäre Garten, Biodünger, Igel im Garten. Sie sehen: eine große Vielfalt!
In der Regel bringen die Produktmanagerinnen und –manager ihre Ideen oder die von potenziellen Autorinnen und Autoren in ein interdisziplinäres Team ein, das aus Kolleginnen und Kollegen aus Redaktion, Vertrieb, Marketing und Presse besteht. Dort wird die Idee besprochen: Überzeugt das Konzept, gibt es dafür eine Zielgruppe? Welche Expertise bringt der Autor/die Autorin mit? Wie ist die Konkurrenzsituation? Entschieden wird entweder auf den zwei Mal im Jahr stattfindenden Programmkonferenzen oder auch zwischendurch. Denn für aktuelle Themen bedarf es kürzeren Abstimmungszeiten und schnelleren Veröffentlichungen.
Das kommt jetzt darauf an, wie eng man den Begriff definiert (s.o.). Ein jüngerer Bestseller mit engerer Definition ist „Der antiautoritäre Garten“ von Simone Kern.
Das ist ganz unterschiedlich. Zu manchen Konzepten gehört eine bestimmte grafische Aufbereitung schon dazu, sie kommen gewissermaßen als „Komplettpaket“. Bei anderen Projekten wird die Gestaltung gemeinsam von Autor und Redaktion erarbeitet, besonders dann, wenn Autoren eine bestimmte „Handschrift“ haben, die auch im Buch erkennbar sein soll. Und dann gibt es auch die Projekte, wo die Redaktionskollegen das komplett eigenständig entwickeln. Das ist im Übrigen eher die Regel, weil die Expertise der sinnvollen Aufbereitung und Gestaltung, der guten Zugänglichmachung von Inhalten eine der Kernaufgaben von Verlagen ist und die Autorinnen und Autoren dankbar sind, von diesem Know-how profitieren zu können.
Grundsätzlich geht viel vom Verlag aus, d.h. die Kolleginnen aus der Redaktion recherchieren geeignete Expertinnen und Experten für ein Thema und fragen an, ob sie Interesse haben, als Autorin oder Autor tätig zu werden. Die Recherche findet in den sozialen Medien, in Communities, über Zeitschriften oder auch schon vorhandene Kontakte statt. Dann wird sich oft mündlich ausgetauscht, um sich schon mal etwas kennenzulernen und mehr voneinander zu erfahren. Beispielbücher aus dem Programm helfen dann bei der Annäherung, welche Produktform vorstellbar ist, wie hoch der Bildanteil sein sollte etc. Und später gibt es Vorlagen/Richtlinien bei der Manuskripterstellung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte gibt es auf unserer website Hinweise unter www.kosmos.de.
Das Lektorat ist nur ein Teil im gesamten Entstehungsprozess eines Buches. Wir sprechen längst vom Berufsbild Produktmanager/Produktmanagerin. Es geht also um das „Managen von Inhalten“ und einen stark markt- und marketingorientierten Prozess. Damit verbunden sind die klare Themen- und Zielgruppenorientierung mit einer umfangreichen Marktanalyse (Wo sind Lücken im Portfolio? Was ist gerade Trend?), die Konzeptarbeit, das Zusammenspiel mit dem Grafiker/Setzer sowie Fotografen und Illustratoren und auch betriebswirtschaftliche Fragen im Zusammenhang mit Kalkulationen. Das sind im Übrigen keine neuen Anforderungen. Dies ist mir jetzt wieder bewusst geworden. Ich stieß nämlich zufällig auf den Praktikumsbericht, den ich vor 30 Jahren schrieb, als ich während meines Studiums zum ersten Mal Verlagsluft schnupperte.
Die enge Zusammenarbeit mit der Autorin oder dem Autor spielt aber natürlich insgesamt eine sehr große Rolle. Autoren sind das Herzstück. Kosmos versteht sich auch als Autorenverlag und legt Wert darauf, mit Experten ihres jeweiligen Themas zusammenzuarbeiten. Ihre Kompetenz und Authentizität sind ganz wichtig. Und gemeinsam geht es dann darum, das Konzept auszuschärfen, die Kernbotschaften herauszuarbeiten, die Erwartungen der Zielgruppe an Textumfang und –struktur und an den Bildanteil zu definieren und umzusetzen.
Sie sind ein wichtiger Sparringspartner für die Autoren, wenn es darum geht, komplexere Inhalte anschaulich und leicht verständlich aufzubereiten. Manchmal stecken die Autoren so tief drin im Thema, dass ihnen ein gewisser Blick von außen hilft, die Aussagen für die Zielgruppe auf den Punkt zu bringen oder zu vereinfachen. Das lässt sich aber nicht pauschalisieren. Die Autorinnen und Autoren sind auch durch eigene Angebote, Vorträge etc. nah an den Zielgruppen, kennen deren Bedürfnisse und Fragestellungen.
Die Ansprüche der Zielgruppe sind höher geworden. Da Garten mittlerweile Trendthema ist, wird es auch viel lifestyliger. Hier muss man beim Buch gute Gesamtpakete liefern, was Inhalt, Ansprache und Optik betrifft. Es reicht meist nicht mehr, von einem Fachautor „nur“ ein gutes Buch schreiben zu lassen. Der Wettbewerb um die relevanten Stimmen hat generell zugenommen. Und dabei spielt die Persönlichkeit des Autors/der Autorin eine größere Rolle, die jeweilige Vernetzung innerhalb der verschiedenen Medien. Auch das Tempo hat sich verändert – schnelle Entscheidungen und Umsetzungen sind nötig. Denn alle Verlage haben Einsicht in das Marktgeschehen, beobachten wahrscheinlich ähnliche Foren und Communities. Ein neues Trendthema als erstes zu besetzen bringt natürlich Wettbewerbsvorteile. Es geht aber auch um kluges Abwägen, ob zu einem Thema noch ein weiteres Buch Platz am Markt hat bzw. ob sich ein vermeintlicher Trend auch wirklich durchsetzen wird und als eigenständiges Buchthema erfolgreich sein kann. Unsere beiden Titel „Süßkartoffeln“ und „Pilze selbst anbauen“ zum Beispiel blieben trotz des Trendaspekts hinter unseren Erwartungen zurück. Generell gut ist, dass der stationäre Handel die grünen Themen wieder stark unterstützt durch den Einkauf, die Präsentation, Thementische etc.
Im Ratgeberverlag ist es noch eher die Ausnahme. Darüber sind wir froh, denn so können wir direkt mit den potentiellen Autorinnen und Autoren sprechen. Das lässt eine ganz andere Verbindung zwischen Autor und Verlag entstehen. Transparenz und eine Kommunikation auf Augenhöhe sind uns dabei sehr wichtig. Es ist ganz klar, dass es viele Fragen gibt, wenn man als Autor, das erste Mal einen Verlagsvertrag vor sich hat. Aber es gibt nichts, was man im persönlichen Austausch nicht klären kann. In anderen Verlagsbereichen spüren wir aber schon eine Tendenz bei Autoren, sich über Agenturen Unterstützung zu holen, um Verlagen anders begegnen zu können, aber auch um Manuskripte vorher von Marktprofis prüfen und zuspitzen zu lassen.
Im Moment das schon erwähnte Buch „Zero Waste“, das gerade erschienen ist. Wir sind gespannt, welche Nachhaltigkeits-Tipps uns die Autorin noch geben wird! Im Gartenbereich sind es besonders diese drei Titel:
„Trockenhelden“ ein Band über ressourcenschonende Gartengestaltung mit Pflanzen, die wenig Wasser benötigen und heiße Sommer gut vertragen.
Das gerade erschienene „Worauf fliegst du?“. Es stellt die Lieblingspflanzen von Vögeln, Insekten und Igeln vor und zeigt, wie man den Garten zum Tierparadies machen kann.
Und für alle Städter: „Grüner geht’s nicht“ über das nachhaltige Gärtnern auf dem Balkon.
Da gibt es sehr viele Bereiche, in denen das zum Tragen kommt.
Unter dem herstellerischen Aspekt:
Seit mehr als 10 Jahren ist FSC-Papier Standard bei uns
Vor mehreren Jahren haben wir bei unseren Naturführern die Plastikhülle abgeschafft, die früher als Schmutz-Schutz für den Einsatz unterwegs gedacht war. Die neuen Umschlagmaterialien sind aber so robust, dass das nicht mehr nötig ist, abgesehen natürlich vom Umweltaspekt.
Einschweißfolie bei gebundenen Büchern ist ebenfalls weitgehend abgeschafft. Zum Glück hat sich hier die Wahrnehmung der Käuferinnen und Käufer gewandelt, dass ein Buch, das verschenkt wird, eingeschweißt sein muss.
2016 waren wir unter den ersten Verlagen, die Produkte nach dem C2C- Verfahren produziert haben. Dabei werden die Bücher so nachhaltig hergestellt, dass sie hinterher rückstandslos abgebaut werden könnten.
2020 haben wir 95% unserer Bücher in Deutschland und Europa drucken lassen.
Und aus dem Büro-Alltag habe ich einige herausgegriffen:
Wir beziehen seit 2006 ökologischen Strom.
Unser Büro- und Verpackungsmaterial besteht, soweit verfügbar, aus recycelten, wiederverwendbaren, umweltfreundlichen oder wieder auffüllbaren Materialien.
Geräte werden, wo möglich, repariert statt ersetzt.
Mobilfunkgeräte werden nicht automatisch im Zweijahresmodus bestellt (ggf. repariert). Die alten Modelle übernimmt der NABU zur Wiederverwertung.
Müll wird seit vielen Jahren getrennt und an Verwerter abgegeben.
Getränke und Essen sind bio, fair und regional.
Alle Reinigungs- und Hygieneartikel sind ökologisch und in bzw. aus recyceltem Material.
Für Mitarbeiter gibt es ein kostenloses ÖPNV-Ticket.
Schon vor vier Jahren sind wir für unser Engagement mit dem 1. Preis beim Umweltwettbewerb des Bundesdeutschen Arbeitskreises für bewusstes Management (B.A.U.M.) ausgezeichnet worden.
Das Gespräch führte Dr. Alexandra Hildebrandt
Zero Waste: Wie können wir nachhaltig leben?
Und jetzt retten wir die Welt: Kleine Geschichten zum großen Wandel
Weniger Besitz: Detox für Wohnung und Seele
Saubere Sache: Statements gegen industrielle Massenware
Was uns blüht, wenn wir das Insektensterben nicht stoppen
Ich schraube, also bin ich: Warum immer mehr Menschen Lastenräder selbst bauen