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Nachhaltigkeit in Familienunternehmen: Kostenfaktor oder unternehmerische Verantwortung?

Die aktuelle Studie „Nachhaltigkeit in Familienunternehmen – Kostenfaktor, Innovationstreiber oder unternehmerische Verantwortung?“ des Wittener Instituts für Familienunternehmen (WIFU) an der Fakultät für Wirtschaft und Gesellschaft der Universität Witten/Herdecke hat den Stellenwert von Nachhaltigkeit in Familienunternehmen ermittelt und dafür 360 Mitglieder aus Unternehmerfamilien in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt.

Untersucht wird der Einfluss und die Auswirkungen verschiedener Faktoren mit besonderer Relevanz für die Nachhaltigkeitsforschung im Familienunternehmenskontext. Ziel ist es herauszufinden, in welchen Bereichen sich Familienunternehmen nachhaltig engagieren, welche Faktoren dort Nachhaltigkeit fördern, aus welcher Motivation heraus sie nachhaltig handeln, und welche Auswirkungen das Nachhaltigkeitsengagement auf die Leistungsfähigkeit der Unternehmen hat.

Die zehn wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

• Familienunternehmen engagieren sich vor allem für MitarbeiterInnen und Umwelt.

• Die Mehrzahl der Familienunternehmen begreift Nachhaltigkeit als gesellschaftliche Verpflichtung und unternehmerische Chance zugleich.

• Familienunternehmen passen häufig ihr Geschäftsmodell infolge von Nachhaltigkeitsprojekten an.

• Sie zeigen eine höhere finanzielle und nicht-finanzielle Leistungsfähigkeit.

• Der größte Druck zur Einführung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen geht von der Unternehmerfamilie aus, dicht gefolgt von Kunden, Regierung und MitarbeiterInnen.

• Diversität in Management- und Aufsichtsfunktionen wirkt sich positiv auf das Nachhaltigkeitsengagement von Familienunternehmen aus.

• Das sozio-emotionale Vermögen der Familienmitglieder ist ein Kern-Treiber von nachhaltigem Engagement.

• Familienunternehmen sind auch in schwierigen Zeiten motiviert, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.

• Es lassen sich vier strategische Gruppen von Familienunternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit unterscheiden.

• Unternehmerische Verantwortung beginnt in der Unternehmerfamilie und wirkt positiv auf diese zurück.

Anhand einer Clusteranalyse wurde aus den Ergebnissen abgeleitet, welche strategischen Gruppen in Bezug auf Nachhaltigkeit unter den Familienunternehmen existieren und welche Handlungsempfehlungen sich für die einzelnen Gruppen ergeben. Die Ausarbeitung einer klaren Haltung der Unternehmerfamilie ermöglicht es beispielsweise dem Management, eine konsistente Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln. Dies ist die Grundlage für ein authentisches Gesamtprofil, das das bislang selektive Engagement ablöst und das Nachhaltigkeitsengagement in den einzelnen Bereichen an den Zielen der Unternehmerfamilie ausrichtet.

Nachhaltigkeit als Führungs- und Managementaufgabe ist für das Familienunternehmen Häcker Küchen, das seit 1898 besteht und heute in vierter Generation geführt wird, schon lange selbstverständlich. Seit 1965 produziert das Unternehmen moderne Einbauküchen am Standort Rödinghausen, Ostwestfalen, dem Zentrum der deutschen Küchenmöbelindustrie. Zu jeder Zeit waren hier alle Arbeitsplätze sicher. Seit Bestehen des Unternehmens gab es noch nie betriebsbedingte Kündigungen. „Made in Germany“ ist eine der Hauptstrategien – die Fertigung soll auch künftig in Deutschland bleiben. „Wir sind davon überzeugt, dass richtiges Nachhaltigkeitsmanagement die Voraussetzung dafür ist, auch in Zukunft einer der weltweit führenden Küchenmöbelhersteller zu bleiben“, sagt Jochen Finkemeier, Geschäftsführender Gesellschafter von Häcker Küchen. Gisela Rehm, die hier das Marketing leitet, betont in diesem Zusammenhang auch, dass sich Nachhaltigkeitskommunikation nicht einfach „mit den Mitteln der Werbung oder Public Relations realisieren lässt, sondern ganzheitlich strategische Ansätze benötigt.“

Das Beispiel sei deshalb angeführt, weil es zeigt, dass sich Familienunternehmen in gesellschaftlich schwierigen Zeiten als weniger krisenanfällig erweisen, da sie von einer langfristigen Denkweise geprägt sind und ein Fortführungswille besteht, das Unternehmen an die nächste Generation weiterzugeben. Hier werden die positiven Ergebnisse der WIFU-Studie in fast allen Punkten bestätigt. Jedem neuen Mitarbeiter werden beispielsweise die Nachhaltigkeitsziele mit dem Vertrag gemeinsam übergeben und detailliert erläutert. Ziel ist es, den Mitarbeitern ökologische und soziale Nachhaltigkeit sowohl für den beruflichen als auch für den privaten Alltag zu vermitteln.

Weiterführende Literatur:

Aus Tradition verantwortungsvoll. Nachhaltigkeitsbericht 2019/2020. Hg. von Häcker Küchen GmbH & Co. KG. Rödinghausen 2019.

Brun-Hagen Hennerkes, Rainer Kirchdörfer: Die Familie und ihr Unternehmen. Strategie, Liquidität, Kontrolle. Campus Verlag, Frankfurt a.M., New York 2016.

Gisela Rehm: Nachhaltigkeit braucht Markenkraft. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020, S. 223-235.

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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