Navigation überspringen
article cover
Neven Subotić: "Von Jürgen Klopp habe ich gelernt, wie man mit Menschen umgehen sollte." - ©Bernd Thissen/dpa

Neven Subotićs krasser Jobwechsel: vom reichen Fußballstar zum bescheidenen Wasseraktivisten

Ex-Fußballstar Neven Subotić wurde Meister mit Borussia Dortmund und gab Millionen für sein Luxusleben aus. Heute lebt er bescheiden und für seine Stiftung. Warum Kehrtwenden beruflich manchmal sein müssen und wie er seine gemeistert hat.

Ein Interview von Anika Gottschalk

Neven, als aktiver Fußballspieler hast du Millionen verdient, dir Luxusautos und Häuser gekauft – meistens wusstest du gar nicht, wie viel Geld auf deinem Konto liegt. Wie blickst du heute auf den Neven von damals?

Neven Subotić: Ich bin beschämt, weil ich so dumm war. Ich bin ohne guten Grund und nur zum Vergnügen durch die Welt geflogen, habe Markenklamotten und materielle Gegenstände angehäuft, ohne über das Warum und die Konsequenzen für andere nachzudenken. Ich habe nur auf mich geachtet. Das war rücksichtslos, sinnlos, wertlos. Ich konnte damals nicht sehen, welche Auswirkungen mein Verhalten auf meine Umwelt und mein Umfeld hatte. Fußball ist ein großartiger Sport, aber er verblendet auch.

Wie meinst du das?

Neven Subotić: Man bewegt sich in einer Blase und bekommt in Wahrheit nicht viel vom realen Leben mit. Da kann man leicht die Orientierung verlieren für das, was wirklich zählt. Ich habe lange Zeit ein Bild von mir propagiert, das gar nicht mit mir übereingestimmt hat. Irgendwann hatte ich fünf Autos, aber keine richtigen Freunde.

Im Fußball wird so viel Geld verdient – warum passiert im Verhältnis so wenig Gutes damit?

Neven Subotić: Weil die Messlatte sehr niedrig ist. Die Initiative „Common goal“ etwa, bei der Sportler ein Prozent ihres Gehalts spenden, ist ein netter Anfang, aber weit entfernt vom dem, was möglich wäre. Sich ein gutes Gefühl zu kaufen, macht die Welt ja nicht besser oder nachhaltiger. Es gibt auch Spieler, die mehr geben. Aber um von den Medien oder der Gesellschaft gefeiert zu werden, muss man leider gar nicht so viel tun und das reicht vielen dann.

Für seinen Einsatz verleiht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem früheren BVB-Profi das Bundesverdienstkreuz. - ©picture alliance/dpa/Britta Pedersen
Für seinen Einsatz verleiht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem früheren BVB-Profi das Bundesverdienstkreuz. - ©picture alliance/dpa/Britta Pedersen
Irgendwann hatte ich fünf Autos, aber keine richtigen Freunde.
Neven Subotić

Du hast einen ziemlich krassen Jobwechsel vollzogen: vom gefeierten, millionenschweren Fußballstar zum bescheidenen Social Entrepreneur und Aktivisten, der jeden Euro dreimal umdreht. Wie kam es zu dieser Wandlung?

Neven Subotić: Ich habe schon als Spieler versucht, mich sozial zu engagieren. Das war aber alles auf sehr elitäre Weise und an der Oberfläche. Wir haben beispielweise mit der Mannschaft ein Kinderkrankenhaus besucht, dort mit den Kindern gesprochen. Wirklich nachhaltig etwas bewirkt haben wir damit nicht. Und genau das hat mich irgendwann nicht mehr losgelassen. Ich wollte etwas tun, womit ich nachhaltig in der Gesellschaft etwas zum Besseren verändere.

Statt an der Playstation zu spielen wie deine Teamkollegen, hast du neben dem Trainingsplatz am Laptop recherchiert, warst bestrebt, deine Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Wer oder was genau hat dir auf deinem Weg am meisten geholfen?

Neven Subotić: Ich habe mich mit Menschen außerhalb des Fußballs unterhalten, begonnen, mich mit Psychologie zu beschäftigen, und meinen Horizont erweitert. Das Buch „How Europe Underdeveloped Africa“ von Walter Rodney war eine Offenbarung für mich. Ich habe mich für wissenschaftliche Erkenntnisse interessiert, einen Onlinekurs zum Thema evidenzbasiertes Management absolviert, um Entscheidungen nicht nur aus dem Bauch heraus zu treffen.

Die Entscheidung, eine Stiftung zu gründen, hast du noch während deiner aktiven Zeit 2012 getroffen. Seither förderst du mit deinem Team Wasseranlagen in Ostafrika, bohrst Brunnen und baust sanitäre Systeme auf. Warum ausgerechnet dieser Schwerpunkt?

Neven Subotić: Ich habe mich gefragt, was sind die wirklichen Probleme in der Welt, und begann, ohne große Vorkenntnisse, zu googeln. Irgendwann dachte ich: Wie kann es sein, dass sich die Reichsten in den reichsten Ländern und den reichsten Städten nur um sich selbst und ihr kleines Umfeld drumherum kümmern? Wir leben in unermesslichem Luxus – und so viele haben nicht mal das Wichtigste und Mindeste: sauberes Trinkwasser. Deshalb setzen wir uns dafür ein.

Wir leben in unermesslichem Luxus – und so viele haben nicht mal das Wichtigste und Mindeste.
Neven Subotić

Du hast in Dortmund mehrere Jahre sehr eng mit Trainer Jürgen Klopp zusammengearbeitet. Was hast du von ihm für deine Arbeit gelernt?

Neven Subotić: Von ihm habe ich gelernt, wie man mit Menschen umgehen sollte. Klopp hat eine sehr logische, sehr wertschätzende Art und sieht immer den Menschen, nicht die Funktion. Er macht keine Unterschiede, es gibt keine Rangordnung. Als Trainer und Chef schafft er eine motivierende und produktive Atmosphäre, ohne laut zu werden oder gar zu schreien.

Wie kann man sich Neven Subotićals Chef vorstellen?

Neven Subotić: Mit mir selbst bin ich sehr streng. Ich arbeite am Wochenende, abends, eigentlich immer. Das erwarte ich aber nicht von meinem Team. Ich denke, ich bin eigentlich recht cool und verständnisvoll, aber ich fordere auch viel, vor allem Qualität, denn die steht bei uns im Fokus. Disziplin ist mir wichtig, schließlich wollen wir was erreichen. Dazu muss man als Mitarbeiter·in passen.

Wie motivierst du andere, deinem Weg zu folgen, mit dir zu arbeiten?

Neven Subotić: Ich lebe sehr diszipliniert vor, wofür ich einstehe. Wer bei uns arbeitet, ist von sich aus schon intrinsisch motiviert und gibt alles für die gemeinsame Sache. Es gibt zudem nicht viele Stiftungen, die ein Qualitätsmanagement-Zertifikat haben – wir schon. Außerdem sind wir nicht nur ein Jobteam, sondern auch Freunde. Zwischen der Arbeit schaffen wir Raum für Pausen, in denen über Privates gesprochen wird. Von Klopp habe ich übernommen, dass jeder den anderen von seinem größten persönlichen Erfolgsmoment berichtet. Das verbindet emotional sehr.

Wer bei uns arbeitet, ist von sich aus schon intrinsisch motiviert und gibt alles für die gemeinsame Sache.
Neven Subotić

Du führst die Stiftung gemeinsam mit deiner Freundin. Gibt es auch Zeiten, in denen Stiftungsthemen tabu sind?

Neven Subotić: Ich kann das nicht gut trennen. Beim Abendessen gibt es auch mal andere Themen. Aber ich habe das Glück, dass meine Partnerin und ich diese Stiftung als gemeinsame Berufung empfinden. Sie ist Teil unseres gemeinsamen Lebens.

Du spendest jährlich bis zu 450.000 Euro deines Geldes für die Verwaltungskosten deiner Stiftung. Du hast viel verdient, aber ewig reicht das vermutlich nicht, oder?

Neven Subotić: Deshalb sind wir auch auf Förderpartner angewiesen. Ich weiß, dass ich mein Geld, jeden Cent davon, nicht besser investieren könnte.

Was brauchst du selbst zum Leben?

Neven Subotić: Das frage ich mich bei allem, was ich tue. Mit meiner Freundin lebe ich in einer 90 Quadratmeter großen Wohnung, die sie geerbt hat, und wir teilen uns ein kleines Auto. Der größte Posten meiner Ausgaben ist meine private Krankenversicherung, und aktuell reise ich viel mit der Bahn für die Lesungen zu meinem Buch „Alles geben“. Statt Mittagessen im Restaurant gibt es ein Brötchen am Bahnhof.

Wofür gibst du Geld aus, wenn du dir etwas gönnst?

Neven Subotić: Bevor ich etwas kaufe, frage ich mich: Brauche ich das wirklich, und werde ich es täglich benutzen? Kleidung kaufe ich mir so gut wie nie. Ich trage zwei Oberteile, die mir passen, und das, was Leute mir schenken. Mein Handy repariere ich selbst, das habe ich durch ein Youtube-Video gelernt. Einmal im Monat gehen wir für etwa 70 Euro essen in einem Restaurant, und ich achte auf gute Qualität bei Lebensmitteln. An meinem Geburtstag gab es Cocktails.

Kleidung kaufe ich mir so gut wie nie. Ich trage zwei Oberteile, die mir passen, und das, was Leute mir schenken.
Neven Subotić

Was bedeutet Wohlstand für dich?

Neven Subotić: Für mich bedeutet Wohlstand, mich wohlzufühlen. Zeit sinnvoll zu investieren. Einen Arbeitsplatz haben an einem Ort, den man sich leisten kann, auch im Alter. Eine faire Entlohnung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Wohlstand bedeutet nicht, zwei Autos zu besitzen, ständig in den Urlaub zu fahren und angesagte Labels zu tragen.

Wohlstand bedeutet, einen Arbeitsplatz haben an einem Ort, den man sich leisten kann, auch im Alter.
Neven Subotić

Kannst du dir vorstellen, noch mal in anderer Funktion ins Fußballgeschäft zurückzukehren, um dort für mehr Sinnhaftigkeit zu sorgen?

Neven Subotić: Dafür habe ich aktuell keine Zeit. Wenn, dann würde ich es richtig machen wollen. Nicht nur meinen Namen geben für etwas, das den Marketingzielen eines Vereins dient. Wenn ein Verein oder Verband signalisiert, wirklich etwas in seiner Kultur verändern zu wollen, eine Stabstelle für soziales Engagement direkt unter dem Vorstand oder an der Geschäftsführung implementiert, für jemanden mit einer fundierten Ausbildung in diesem Bereich, dann würde ich diesen Verein oder Verband gern beraten. Es muss authentisch sein und nicht nur schöner Schein für die Öffentlichkeit.

Du interessierst dich für das Thema Jobwechsel? Mehr Inspo gibt es hier:

💡Jobwechsel? Ja gern! – Studie zeigt: Die Great Resignation hat Deutschland erreicht

💡Jobwechsel in unsicheren Zeiten? Drei Perspektiven helfen Dir bei der Entscheidung

💡Deutlich mehr Gehalt dank Jobwechsel

💡Jobwechsel Ü 50: Wie Sie mit Ihrer Erfahrung treffsicher punkten

🔎 XING Stellenmarkt: Finde den passenden Job für Dich!

Am 14. Juni bin ich Talk-Gast bei der im von XING in Hamburg. Dort spreche ich zum Thema "Vom Fußballstar zum Aktivisten – Karriere ist, was Du daraus machst!" und würde mich freuen, einige von Euch dort zu sehen 😎. Der Eintritt ist für Studierende frei. ✌️

Über Neven Subotić:

Neven Subotić, geboren am 10. Dezember 1988 in Banja Luka im damaligen Jugoslawien, spielte als Fußballprofi unter anderem für Borussia Dortmund, den 1. FC Köln und Union Berlin in der Bundesliga. 2011 und 2012 gewann er mit Dortmund die Deutsche Meisterschaft, 2012 zudem den DFB-Pokal. In seinem aktuellen Buch „Alles geben“ beschreibt Neven Subotić den Fußball als „abgehobenes System“. Seine Erfahrungen als Profi haben ihn zum gesellschaftspolitischen Aktivisten gemacht. Seit 2012 kümmert sich Neven Subotić mit seiner Stiftung um Brunnenbau-Projekte in Ostafrika, wofür ihn das Europäische Parlament 2019 auszeichnete.

„Alles geben“
Warum der Weg zu einer gerechteren Welt bei uns selbst anfängt - Kiepenheuer&Witsch
„Alles geben“ Warum der Weg zu einer gerechteren Welt bei uns selbst anfängt - Kiepenheuer&Witsch

Kommentare

Job & Karriere schreibt über Das Wichtigste zu den Themen Arbeit, Karriere & Kollegen

Täglich das Wichtigste zum Thema Job & Karriere. Folge dieser Seite und erhalte die wichtigsten Nachrichten zu Job- und Karriere-Themen in Deinem Stream. So sparst Du Dir die eigene Recherche und wirst stets kompakt an einer Stelle mit den wichtigsten Nachrichten versorgt. Du kannst Dir die Artikel zum späteren Lesen merken oder Deinen Kollegen per E-Mail oder XING Nachricht empfehlen. Die Auswahl der Online-Nachrichten wird auf Basis ihrer Popularität automatisch vorgenommen. XING ist für den Inhalt nicht verantwortlich und trifft mit dem Versand keine Bewertung oder Unterstützung für ggf. enthaltene Produkte, politische Parteien oder Firmen.

Artikelsammlung ansehen