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©Vitaly Gariev/Unsplash

Risikofaktor Schlagfertigkeit - Wenn deine Antwort zum Karrieregrab wird

Kann man denn überhaupt ZU schlagfertig sein? Es ist doch immer gut, wenn man einen blöden Spruch wortgewandt kontert, oder? In der Theorie von zahlreichen Ratgebern wird die Schlagfertigkeit und spitze Rhetorik gerne so verkauft, dass du die Techniken ohne Risiko einsetzen kannst. In der Praxis sieht das häufig anders aus. Worauf du bei einer "professionellen Schlagfertigkeit" achten musst, erkläre ich dir hier.

Durch Schlagfertigkeit zum Karriere-Aus

Die Idee zu diesem Artikel und dem dazugehörigen Online-Seminar ist in einem Coaching entstanden, in dem die Schlagfertigkeit meines Coachee sogar zu einem Karriere-Aus geführt hat. Mit freundlicher Genehmigung darf ich den Praxisfall hier skizzieren und damit den Lesern wichtige Impulse an die Hand geben, den Bogen der Schlagfertigkeit nicht zu überspannen.

Ein Praxisbeispiel

Nennen wir die Mitarbeiterin im Vertrieb Frau M. Sie ist sehr kommunikativ, mag die Firma und ihre Produkte. Womit Frau M. ihre Probleme hat, sind blöde Sprüche. Also eignet sie sich im Selbststudium alle möglichen Techniken an, um schlagfertig zu kontern. Im Laufe der Zeit gelingt ihr das auch immer besser und treffsicherer. Ihre Konter werden allerdings so stark, dass sich Kunden über sie beschweren. Was folgt, sind ernste Gespräche mit dem eigenen Chef, in denen sie ebenfalls von ihrer Schlagfertigkeit gebraucht macht. Ganz besonders dann, als der Chef ihr "unterstellt" mit ihrer Kommunikation die Kunden UND das Vertriebsteam zu verärgern. Am Ende dieses Praxisbeispiels steht leider ein beendetes Arbeitsverhältnis, mit zahlreichen Verlierern.

Mit Kanonen auf Spatzen schießen

Aus dem Praxisfall wird schnell deutlich: Hier wurde mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Schlagfertigkeit hat im übertragenen Sinne viel mit der Selbstverteidigung und dem Kampfsport gemeinsam. Aus jahrelanger Erfahrung als Ninjutsu-Trainer weiß ich: In einer "Gefahrensituation" sind so viele Emotionen und Hormone im Spiel, dass es schwerfällt, maßvoll zu reagieren. Besonders im Rahmen der professionellen Zusammenarbeit gilt es Grenzen zu respektieren.

Ja, aber...

Das Gegenargument "Ja, aber er/sie hat doch angefangen und auch eine Grenze überschritten!" habe ich schon oft gehört. Trotzdem sind recht haben und Recht bekommen zwei verschiedene Dinge. Mein liebstes Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Situation im Endspiel der Fußball-WM 2006. Wer es gesehen hat, weiß was ich meine. Provoziert hat ein italienischer Spieler. Zidane hat reagiert und wurde bestraft. Ein "Ja, aber der/die hat doch angefangen!" war damals nicht hilfreich und ist es heute auch noch nicht!

Was du bei fiesen Sprüchen im Job beachten musst, erkläre ich dir hier:

Die eigene Wahrnehmung

Auch wenn aus deinem Blickwinkel bei einem gemeinen Spruch im Job sofort alles klar ist, gilt es die eigene Wahrnehmung zu prüfen. Damit ist gemeint, dass Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster deinen Blick auf ein Aussage durchaus negativ prägen können. Wenn du beispielsweise im privaten Umfeld jemanden hast, der immer etwas an deiner Kleidung auszusetzen hat, könnte sogar ein ernstgemeintes Kompliment im Büro bei dir im falschen Hals landen.

Mein Tipp: Versuche mit etwas Abstand (z.B. am Abend) nochmal zu rekapitulieren, wer was genau gesagt hat und was er/ sie damit wohl gemeint haben könnte.

Nachfragen und aufklären

Kommst du trotz nüchterner Analyse der Situation zu der Erkenntnis, dass die Bemerkung doch boshaft gewesen sein könnte, rate ich dir: Frag doch am nächsten Tag nach. Dazu suchst du in einer ruhigen Minute das Gespräch mit der Person und bittest um eine Erklärung. Hilfreich ist, wenn du zuvor noch mal erklärst, was du gehört hast und wie diese Aussage auf dich gewirkt hat. Manche Gemeinheit ist dann doch nicht so ernst gewesen oder war schlichtweg ein Ausrutscher, der mit einer Entschuldigung ad acta gelegt werden kann.

Fiese Sprüche lassen sich vorhersehen

Vielleicht nicht auf die Minute genau, aber doch recht zuverlässig. Im Büro sind es nämlich häufig immer die gleichen Personen, die zu immer ähnlichen Anlässen ihre gemeinen Sprüche ablassen. Deshalb empfehle ich dir, diese Personen etwas genauer zu beobachten, um zu ergründen, nach welchem Verhaltensmuster sie ihre Gemeinheiten ablassen.

In der Regel wirst du dabei auch erkennen, dass sich die fiesen Sprüche auch gegen andere Kollegen/innen richten.

Prävention ist besser als Reaktion

Dieses Prinzip kommt aus den Kampfkünsten und passt auch prima für gemeine verbale Attacken. Du kannst verbale Angriffe relativ einfach vermeiden, wenn du das Prinzip erkannt hast, mit dem der Aggressor vorgeht. Häufig richten sich Attacken gegen Personen, die allein unterwegs sind. Dieses Muster kannst du stören, indem du versuchst dich eher im Kreise deines Teams zu bewegen. Im Rahmen von Meetings kannst du jemanden aus deinem Team mitnehmen.

Fakten schaffen

Übergriffige Bemerkungen und fiese Sprüche sollen für den Moment eine negative Wirkung haben. Gleichzeitig ist den Aggressoren durchaus bewusst, dass sie damit teilweise sogar arbeitsrechtlich relevante Grenzen überschreiten. Deshalb ist es im Büroalltag sehr wirkungsvoll, wenn du mit einem Notizbuch unterwegs bist, in dem du Ort, Zeit und die Inhalte der gemeinen Aussagen festhalten kannst. Besonders wirkungsvoll ist diese Technik, wenn du sie vorher gegenüber dem Aggressor ankündigst.

Mit Fakten unter vier Augen sprechen

Hast du 2-3 Situationen notiert, die eindeutig grenzüberschreitend gewesen sind, empfehle ich dir erneut das Gespräch unter vier Augen mit der betreffenden Person zu suchen. In diesem Gespräch kannst du erneut darum bitten, dass diese Sprüche bitte zu unterlassen sind. Außerdem kannst du in diesem Gespräch auch ankündigen, dass du im nächsten Schritt deinen Vorgesetzten hinzuziehen wirst, wenn es so weitergeht.

Souverän in der Situation

Unabhängig von der Entwicklung hinter den Kulissen, brauchst du in den wiederkehrenden Situationen einen souveränen Auftritt. Dabei gilt es stets selbst professionell, sachlich und deeskalativ zu sein. Beginnst du dich auf die Spirale der Provokationen einzulassen, wird bald für Außenstehende nicht mehr zu unterscheiden sein, wer hier was gemacht hat. Im Zweifelsfall ist dann ein Vorgesetzter dazu gezwungen, beide Personen zur Rechenschaft zu ziehen.

In der Praxis haben sich für die akuten Situationen mit fiesen Sprüchen eher einfache Techniken bewährt. In meinem Online-Seminar "Schlagfertigkeit lernen | Fiese Sprüche souverän kontern" habe ich die Techniken zusammengefasst, die sich einfach und trotzdem wirkungsvoll einsetzen lassen. Bis zum August 2021 gibt es das Seminar noch zum Einführungspreis von 14,90€.

Deine Erfahrungen mit fiesen Sprüchen im Büro

Welche Erfahrungen hast du mit gemeinen Sprüchen im Büro gemacht? Was war der schlimmste Spruch, den du dir im Büro anhören musstest und wie hast du darauf reagiert?

Schreib mir dazu gerne hier etwas in die Kommentare. Außerdem freue ich mich, wenn du mir hier folgst, wir uns vernetzen oder du den Artikel mit deinen Freunden teilst.

Viele Grüße

Henryk

Kommentare

Henryk Lüderitz schreibt über Young Professionals, junge Führungskräfte, Leadership, Talente & High Potentials

Die Herausforderungen von Young Professionals kenne ich aus eigenerer Erfahrung: Bereits mit Anfang 20 war ich bei Vodafone in einem Talentprogramm. Es folgten Positionen als Projektleiter und Führungskraft. Nach 12 Jahren im Konzern arbeite ich jetzt als Trainer und Coach für Young Professionals.

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