Silver Worker an die Arbeit! - Arbeiten 55 plus
Heute erzähle ich Ihnen von meinem Vater - denn er war ein Prototyp eines Silver Workers.
Mein Vater Heinz verkaufte mit 57 sein Geschäft. Nach einem halben Jahr langweilte er sich fast zu Tode und nervte meine Mutter. Schließlich heuerte er als erfahrene Aushilfe bei seinen ehemaligen Konkurrenten an und wurde gewissermaßen Feuerwehrmann. Urlaubsvertretung und der Mann für die schwierigen Aufträge ...
Die nächsten Jahre arbeitete er mal freiberuflich, mal angestellt: Häufig wochenlang am Stück in Vollzeit, dafür Monate gar nicht. Später arbeitete er nur noch wenige Stunden die Woche und nur wenige Wochen im Jahr, immerhin bis er 73 Jahre alt war.
Was ihm wichtig war: Der Austausch mit Menschen, das Lernen von Neuem und das Erfüllen einer Aufgabe. Das zusätzliche Einkommen fand er auch nicht schlecht, auch wenn's nicht zwingend nötig war.
Mein Vater Heinz ist damit für mich ein Prototyp eines Silver Workers. In Anlehnung an die zu erwartende Haarfarbe im lebenserfahreneren Alter werden so je nach Definition und Lesart die über 55-jährigen, 60-jährigen oder einfach älteren Erwerbstätigen genannt.
Für mich sind Silver Worker all diejenigen, die sozusagen ihre letzte berufliche Runde einläuten wollen. Mit dem Zukunftsforscher Peter Wippermann hat XING insgesamt 15 Trends zur Zukunft der Arbeit herausgearbeitet, von denen Trend #5 die Silver Worker behandelt. Dieser Artikel ist mein Beitrag dazu.
Arbeiten 55 plus
So wie mein Vater Heinz arbeiten immer mehr Menschen über das reguläre Renteneintrittsalter hinaus. So wie mein Vater entscheiden auch viele Menschen schon im Alter von 55 plus darüber, wie sie in Zukunft arbeiten werden wollen.
Denn die Quote der Erwerbstätigen ab 55 stieg in den letzten 10 Jahren nach Zahlen des statischen Bundesamtes rasant: Waren 2005 noch 45 Prozent der 55- bis 65-jährigen berufstätig - Jobsuche ab 50 war damals gewissermaßen aussichtlos, so waren es 2017 bereits 70 Prozent dieser Altersgruppe.
Silver Worker aus Spaß oder Notwendigkeit?
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung veröffentlichte gerade aktuelle Zahlen, nach denen 28 Prozent der Männer und 31 Prozent der Frauen nach Übergang in die Altersrente erwerbstätig seien. „Viele Rentnerinnen arbeiten, weil sie das Geld brauchen“ titelt dazu Spiegel Online, „Viele Rentner haben noch Spaß an der Arbeit“ macht daraus die Westfälische Rundschau.
Und beide haben recht. Während die einen arbeiten müssen, um die schmale Rente aufzuwerten, halten es die anderen ohne Aufgabe und Sinn einer Beschäftigung zu Hause nicht aus.
Wie sich das in den kommenden Jahren entwickeln wird, kann man sich ausrechnen: Die Baby Boomer gehören zu den ältesten Beschäftigten. Sie sind immer gesünder und agiler. Viele wollen länger arbeiten, andere müssen. So wie mein Freund Manfred, der mir im Bloginterview verriet, wie er mit 63 einen beruflichen Neuanfang schaffte und mit 68 Jahren eine Elternzeitvertretung machte.
Berufliche Positionierung für Silver Worker
In den letzten Jahren durfte ich in vielen Gesprächen mit angehenden Silver Workern lernen: Die Frage der beruflichen Positionierung ist für manche komplizierter als beim Berufseinstieg. Auf einmal wird berufliche Selbstverwirklichung (wieder) wichtig. „Ich muss mir nicht mehr jeden Mist antun“ äußerte kürzlich eine ehedem erfolgreiche Führungskraft eines Konzerns, „Die letzten Jahre möchte ich was Sinnvolles machen.“
Während der 55 jährige Ingenieur Werner bereits finanziell „mit allem durch ist“ und einfach eine sinnvolle Aufgabe sucht, bei der er Erfahrung und Wissen weitergeben möchte, muss die 57 Marketingleiterin Ramona mindestens noch bis 66 oder drüber hinaus arbeiten, damit es mit der Rente langt. Für beide ist aber die richtige Work-Life-Balance bedeutend.
Der letzte berufliche Aufschlag
Viele Jobsuchende im Alter der Silver Worker kommen übrigens zu uns in die Weiterbildung, um sich für den letzten Aufschlag ihrer Berufstätigkeit fit zu machen: Der Ingenieur bildet sich zur Fachkraft für Arbeitssicherheit weiter, die Marketingexpertin legt noch mal den Social Media Manager nach.
Wenn lebenserfahrene Jobsuchende für eine Weiterbildung zu uns kommen, bin ich der Berater für sie. Habe ich selbst doch just die 50 erreicht.
Was mir immer wieder begegnet, sind gleichermaßen Fragen nach dem Sinn und nach dem Rahmen der Arbeit der kommenden, vielleicht letzten Berufsjahre.
Typische Fragen der Silver Worker
Welche Aufgaben und Tätigkeiten der Vergangenheit möchte ich nicht mehr machen?
Wieviel Anerkennung brauche ich?
Wieviel Geld benötige ich wirklich?
Wieviel Zeit möchte ich (noch) für die Arbeit einsetzen?
Wie komme ich an meine neue Tätigkeit?
Was möchte ich in den letzten Jahren meines Berufslebens wirklich, wirklich tun?
Apropos, „Was möchte ich wirklich, wirklich tun?“. So manche Silver Worker sind möglicherweise Protagonisten des New Work im wortwörtlichen Sinne. Wenn sie beruflich etwas Neues machen, steht die Frage nach dem „wirklich, wirklich“ Wichtigen oft mindestens so im Vordergrund, wie es der ach so wählerischen Generation Y nachgesagt wird.
Systematisch Kaffeetrinken für Silver Worker
Die oftmals entscheidende Frage für viele Silver Worker ist: „Wie komme ich an (m)eine neue Tätigkeit?“. Dass der offene Stellenmarkt für über 55-jährige bei allen Engpässen am Arbeitsmarkt immer noch recht ungnädig ist, wissen viele aus eigener Erfahrung. Denn "mit 50 ist man zu alt für die Stellenbörsen."
Mein Tipp lautet auch hier: Systematisch Kaffeetrinken.
Das Knüpfen von Kontakten und Pflegen des eigenen Netzwerkes zahlen sich auch für Silver Worker bei der Jobsuche aus. So wird manch guter Kontakt zum Lieferanten zu einer Interimsaufgabe und aus dem Ehrenamt bisweilen eine bezahlte Tätigkeit.
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Vor 15 Jahren gab es weder soziale Medien noch Smartphones, agiles Arbeiten war hierzulande unbekannt. Unvorstellbar, was in den kommenden 15 Jahre alles Neues entstehen und wie sich unsere Arbeitswelt entwickeln wird! In welchen Berufen werden wir künftig überhaupt arbeiten – und wie? Wie verändert die künstliche Intelligenz den Recruiting-Prozess? Wird die Arbeitswelt von morgen gerechter sein – oder tiefer gespalten?
Zusammen mit dem Zukunftsforscher und Gründer des Trendbüros, Professor Peter Wippermann, hat XING 15 Trends untersucht, die Arbeitnehmer und Unternehmen betreffen und die Gesellschaft verändern werden. Unsere Prognosen basieren auf der wissenschaftlichen Expertise des Trendbüros, einer repräsentativen Umfrage unter den XING Mitgliedern und E-Recruiting-Kunden sowie aus unserer Erfahrung als Vorreiter beim Thema New Work.
Die 15 Trends lassen wir ab dem 5. November täglich auf XING diskutieren – auf XING Klartext, von unseren XING Insidern und im XING Talk. Alle Beiträge finden Sie gesammelt auf einer News-Seite.
• In der Woche ab dem 5. November dreht sich alles darum, was sich für den einzelnen Arbeitnehmer ändert.
• Ab dem 12. November diskutieren wir eine Woche lang die Folgen des Wandels für Unternehmen.
• Eine Woche später, ab dem 19. November, thematisieren wir, wie sich unsere Gesellschaft verändern wird.
Bei Fragen, Feedback und Ideen erreichen Sie die Redaktion von XING News unter klartext@xing.com. Wir freuen uns auf spannende und hitzige Diskussionen!