Sophia Flörsch: „In vier Jahren sprecht ihr mit einer Formel-1-Fahrerin!“
In der Männerdomäne Rennsport sorgt eine junge Frau für Furore, die auf der Strecke alles gibt und auch die eigene Schwester eiskalt überholen würde, um als Erste durchs Ziel zu fahren. Am Girls'-Boys'-Day sprach Sophia mit unseren Junior-Reporter•innen über Vorbilder, Rückschläge und ihren großen Traum von der Formel 1.
Wie wird man eigentlich Rennfahrerin und was kostet das?
Sophia Flörsch: Ich habe im Alter von vier Jahren in einem Kart mit diesem Sport angefangen. Das hat mir großen Spaß gemacht. Zu dieser Zeit war es für mich ein normales Hobby, wie für andere Ballett oder Fußball. An den Wochenenden fanden Wettkämpfe statt, die ich gefahren bin. Zu Beginn war das nicht so teuer. Ein eigenes Kart kostet zwischen 1000 und 1500 Euro. Damit kann man einige Jahre fahren. Dazu kommen Kosten für Benzin und die Reifen. Mit dem Wechsel in andere Klassen wurde der Sport teurer. Jetzt fahre ich internationale Rennen, da kostet eine Saison zwischen einer halben und einer Million Euro.
Wie hast du gemerkt, dass du aus deinem Hobby einen Beruf machen willst?
Sophia Flörsch: Kennt ihr das Gefühl, dass man mit seinen Gedanken oft abschweift - in der Schule beim Lernen zum Beispiel oder beim Lesen? Das ist mir ständig bei allen Dingen passiert. Aber als ich mit 14 vom Kart zum ersten Mal in ein Auto gestiegen bin, war ich voll konzentriert. Da wusste ich: Das will ich machen, solange es geht.
Du musst viel trainieren. Wie hast du es geschafft, nebenbei dein Abitur zu machen?
Sophia Flörsch: Das weiß ich auch nicht. Nein, Spaß beiseite, ich hatte Glück, dass meine Eltern und Lehrer•innen mich unterstützt haben. Es gab immer eine klare Regel: Du darfst nur fahren, wenn die Schule läuft. Das hat mich natürlich motiviert. Arbeiten und Prüfungen musste ich zwar in der Schule nachschreiben, aber Hausaufgaben konnte ich auch unterwegs erledigen. Weil ich während der Wettkämpfe nichts aufschieben konnte, war ich sogar besser in der Schule, wenn ich weg war.
Weil ich während der Wettkämpfe nichts aufschieben konnte, war ich sogar besser in der Schule, wenn ich weg war.Sophia Flörsch
Wie sah dein Pensum aus?
Sophia Flörsch: Die Rennstrecken waren überall in Europa verstreut. Ich musste also immer weit reisen. Die Rennwochenenden beginnen oft bereits am Donnerstag, sodass ich am Mittwoch angereist bin und erst am Montag wieder zu Hause war. Das klingt anstrengend, aber wenn einem etwas so viel Spaß macht, dann geht das.
Kannst du heute von deinem Beruf leben?
Sophia Flörsch: Jein. Mein Ziel ist es, in die Formel 1 zu kommen. In allen unteren Serien muss ich zunächst einmal Geld mitbringen, um dort überhaupt fahren zu dürfen. Damit ich die Teams bezahlen kann, helfen mir meine Sponsoren.
Wie überzeugst du Sponsoren, dich zu unterstützen?
Sophia Flörsch: Ein Sponsor stellt sich immer die Frage, warum er ausgerechnet in mich investieren sollte. Daher versuche ich zu zeigen, dass ich besser bin als andere. Das ist nicht immer leicht: Etwa 95 Prozent sagen ab. Schon als junge Kart-Fahrerin habe ich viele Firmen angerufen und erwachsene Männer gefragt, ob sie mich und meinen Sport unterstützen würden. Viele haben abgesagt. Ich fand das damals hart. Aber irgendwann habe ich ein Gefühl dafür entwickelt, was mich besonders macht: Ich arbeite als Frau in einem Männersport. Das ist ziemlich selten und damit kann ich punkten.
Ich arbeite als Frau in einem Männersport. Das ist ziemlich selten und damit kann ich punkten.Sophia Flörsch
Wer ist dein berufliches Vorbild?
Sophia Flörsch: In meinem Sport war es vor allem Michael Schumacher, der sogar einmal auf meinem Helm unterschrieben hat. Heute finde ich Lewis Hamilton super. Wenn man ein klares Ziel hat, hilft es, wenn man jemanden gut findet, der dieses Ziel schon erreicht hat.
Du arbeitest in einem Umfeld mit Männern zusammen. Hast du es vielleicht gerade deswegen geschafft, so selbstbewusst zu werden?
Sophia Flörsch: Ich habe mir früh eine Schutzhülle gegen dumme Kommentare angeeignet. Mit der Zeit versteht man auch, warum manche Menschen einfach nicht nett und cool mit einem sind. Die muss man dann durch Leistung überzeugen.
Was kannst Du besser als die anderen Rennfahrer?
Sophia Flörsch: Ich hatte nie die Möglichkeit, bei den besten Teams oder das beste Material zu fahren, weil es sehr teuer war. Ich musste mich also immer durchkämpfen. Für jede Chance, überhaupt fahren zu können, schätze ich mich glücklich. Ich weiß im Verhältnis zu sehr reichen Nachwuchsfahrern, was das wert ist. Und ich denke, dieses Wissen unterscheidet mich von anderen.
Ist es ein Nachteil, eine Frau im Motorsport zu sein?
Sophia Flörsch: Ein Nachteil ist es nicht. Man fällt auf und zieht mehr Aufmerksamkeit auf sich. Das ist ein Vorteil. Rennfahrer sind Alpha-Tiere. Im Sport ist das okay, aber man darf seinen Charakter nicht verlieren. Man kann fixiert, konzentriert und kompromisslos im Sport sein. Nur darf der Spaß nicht verloren gehen. Wenn man in dieser Szene als Frau entspannt ist, hat man einfach viel mehr davon.
Seid ihr als Fahreruntereinanderbefreundet oder eher Konkurrenten?
Sophia Flörsch: Manche schon. Den Sohn von Michael Schumacher, Mick, kenne ich schon seit 15 Jahren. Wir haben eine besondere Verbindung, aber ein direkter Freund ist er nicht. Und auf der Rennstrecke wäre sogar meine Schwester Konkurrentin und nicht meine Freundin. Die würde ich knallhart überholen.
Auf der Rennstrecke wäre sogar meine Schwester Konkurrentin.Sophia Flörsch
Wie bist du als Beifahrerin im normalen Auto?
Sophia Flörsch: Meine Schwester sagt, ich bin verrückt. Tatsächlich fahre ich aber auf der Straße sehr vorsichtig und nehme Rücksicht auf andere. Aber wenn es kein Tempolimit gibt, dann fahre ich schon gerne schnell.
Welches Auto fährst du privat am liebsten?
Sophia Flörsch: Ich habe mir schon immer einen Mini gewünscht. Von meinem Sponsor habe ich dann zum 18. Geburtstag einen Mini bekommen. Den liebe ich total, obwohl er nicht schnell ist.
Was kann man im Simulator nicht trainieren, sondern nur auf der Strecke?
Sophia Flörsch: Mut! Die Strecken im Simulator sind schon sehr dicht an der Realität, aber es kann nicht wirklich etwas passieren. Wenn du auf der Strecke über dein Limit gehst, dann landest du im Kiesbett. Das ist ein großer Unterschied.
Vor einigen Jahren hattest Du einen schweren Unfall in Macao. Was denkt man in dem Moment?
Sophia Flörsch: Das Unfall-Video ist schlimmer, als es sich angefühlt hat. Es ging alles sehr schnell. Wenn man beim Fußballspielen stolpert, denkt man in dem Moment ja auch nicht viel nach. So war das bei dem Unfall auch. Ich hatte keine Kontrolle mehr über das Auto und habe gewartet, bis es zum Stehen kommt.
Was hat dich motiviert, danach weiterzumachen?
Sophia Flörsch: Für mich gab es nie etwas Wichtigeres als den Sport. Ich zwar schwer verletzt, aber schon 100 Tage später wieder fit. Denn ich hatte ja mein Ziel noch nicht erreicht, und ich wollte der Motorwelt zeigen, dass ich weitermache. Gerade als Mädchen. Ich wollte nicht zulassen, dass Menschen sagen, dass ich aus Angst einfach aufhöre.
Ich wollte nicht zulassen, dass Menschen sagen, dass ich aus Angst einfach aufhöre.Sophia Flörsch
Wie überwindest du deine Ängste?
Sophia Flörsch: Ganz ehrlich: Ich habe mehr Angst vor Spinnen als vor Unfällen. Ich bin mir des Risikos bewusst, weiß, was passieren kann. Aber ich liebe das Gefühl, Rennen zu fahren. Diese Liebe ist größer als die Angst.
Wie wichtig ist Social Media für dich?
Sophia Flörsch: Wichtig! Ich habe Sponsoren, die finden es natürlich gut, wenn ich ihr Logo auf meinem Auto auch in meinen Kanälen teile. Das gibt Reichweite und dafür bezahlen sie mich ja auch ein Stück weit.
Bekommst du viel Gegenwind in den sozialen Netzwerken und wie gehst du damit um?
Sophia Flörsch: Ab und zu. Das gehört einfach dazu, wenn man in der Öffentlichkeit steht. Die meisten Kommentare sind aber sehr positiv.
Was ist dein Plan B, wenn du keine Rennen fahren könntest?
Sophia Flörsch: Im Motorsport würde ich gerne als Moderatorin oder Fahrerbetreuerin arbeiten. Ohne diesen Sport hätte ich vermutlich Jura studiert und wäre Anwältin geworden.
Ohne diesen Sport hätte ich vermutlich Jura studiert und wäre Anwältin geworden.Sophia Flörsch
Sprecht ihr im Rennsport auch über Umweltschutz?
Sophia Flörsch: Das ist ein wichtiges Thema und jeder sollte versuchen, seinen Teil dazu beizutragen. Es gibt im Motorsport schon seit einigen Jahren Formel-E-Autos, die elektrisch fahren. Die Autobauer entwickeln zunehmend auch Rennautos, die elektrisch oder hybrid funktionieren. Wir fahren in unserer Serie zum Beispiel mit einem anderen Benzin, das weniger CO2 ausstößt - es ist aber auch doppelt so teuer. Zum Vergleich: Die Fußball-Weltmeisterschaft erzeugt fast zehn Mal so viele CO2-Emissionen, wie eine Formel-1-Saison.
Wann glaubst du, könntest du realistisch in der Formel 1 mitfahren?
Sophia Flörsch: Ich bin bereits Formel 4 und Formel 3 gefahren und möchte gern dahin zurück. Idealerweise werde ich im nächsten Jahr wieder in der Formel 3 an den Start gehen. Ich bin ja erst 21 Jahre alt und im Motorsport ändert sich alles wahnsinnig schnell. In vier bis fünf Jahren redet ihr dann mit einer Formel-1-Fahrerin.
Was wäre dein Lieblingsteam in der Formel 1?
Sophia Flörsch: Das Team mit dem schnellsten Auto. In den vergangenen Jahren waren das Mercedes, Red Bull und momentan Ferrari. Wenn ich mich entscheiden könnte: Ferrari, denn für dieses Team sind schon Rennlegenden wie Michael Schumacher gefahren und Ayrton Senna träumte davon. Das wäre ein Traum.
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Die Interviewpartnerin:
Sophia Flörsch ist XING Insiderin und deutsche Automobilrennfahrerin. Sie startete von 2016 bis 2017 in der deutschen Formel-4-Meisterschaft, erzielte dabei als erste Frau Punkte und stand 2017 im zweiten Rennen am Sachsenring als erste Frau auf dem Podest. 2018 ging sie in der europäischen Formel-3-Meisterschaft an den Start, 2019 nahm sie an der Formula Regional European Championship teil, 2020 fuhr sie in der FIA-Formel-3-Meisterschaft für Campos Racing. 2021 fuhr sie in der DTM für ABT. Aktuell tritt die 21-Jährige in der European Le Mans Series für das Team G-Drive Racing an.
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